Wissenschaftler haben in einer Familie eine seltene Genmutation entdeckt, die zu einer geringen Schmerzempfindlichkeit führt. Diese Entdeckung könnte einen Weg zu neuen Behandlungsstrategien gegen chronische Schmerzen ebnen.
In einer neuen Studie, die im Journal Brain veröffentlicht wurde, decken Forscher auf, dass eine italienische Familie mit einem Gen namens Zink Finger Homöobox 2 (ZFHX2) eine abweichende Toleranz gegenüber bestimmten Schmerzarten hat. Erstautor der Studie Dr. James Coxdes vom University College London sagt: "Mitglieder dieser Familie können sich selbst verbrennen oder Knochenfrakturen erleiden, ohne jeglichen Schmerz zu empfinden. Doch sie haben eine normale intraepidermale Nervenfaserdichte, was bedeutet, dass ihre Nerven alle vorhanden sind, aber nicht so arbeiten, wie sie sollten. Wir wollen besser verstehen, weshalb sie keinen Schmerz empfinden, um zu sehen, ob uns dies helfen könnte, bessere Schmerzlinderungsbehandlungen zu entwickeln."
Es gibt Medikamente, wie nicht-steroide entzündungshemmende Medikamente (NSAIDs) und in ernsteren Fällen Opioide, zur Behandlung von chronischen Schmerzen. Diese Behandlungen sind aber nicht immer erfolgreich und können erhebliche Risiken in sich bergen. Daher ist es notwendig, neue Schmerzlinderungsstrategien zu finden. Forscher haben erbliche Analgesie untersucht, mit der Hoffnung, einige Hinweise zu finden. Auch bekannt als angeborene Schmerzunempfindlichkeit ist Analgesie eine Krankheit, bei der ein Mensch nicht in der Lage ist, körperliche Schmerzen wahrzunehmen. Mutationen in den SCN9A-Genen sind bekannte Ursachen für kongenitale Analgesie. SCN9A-Genmutationen verhindern die Bildung von NaV1.7-Kanälen, die Schmerzsignale von den Nerven ans Gehirn leiten.
Studien haben untersucht, ob das Blockieren der NaV1.7-Kanäle durch das Zielen aufs SCN9A-Gen zu neuen Behandlungen für chronische Schmerzen führen könnte. Basierend auf diesen Ergebnissen, empfehlen Dr. Cox und sein Team einen anderen Ansatz zur Linderung chronischer Schmerzen, was das Replizieren einer Mutation im ZFHX2-Gen beinhaltet. Um zu ihren Ergebnissen zu gelangen, benutzten die Forscher ganze Exom-Sequenzierungen, um die Blutproben zu analysieren, die sie von sechs Mitgliedern der italienischen Familie nahmen. Keines der Familienmitglieder kann Schmerz in Reaktion auf starke Hitze, Capsaicin (der aktive Bestandteil in Chillischoten) oder Knochenfrakturen spüren. Diese besondere Schmerzunempfindlichkeit wurde nach der italienischen Familie Marsili benannt und ist nun als Marsili-Syndrom bekannt.
Bei der Analyse identifizierten die Forscher eine neue Mutation im ZFHX2-Gen, welches einen Teil der DNA-Sequenz verändert. Als das Team Mäuse ohne das ZFHX2-Gen züchtete, stellten sie fest, dass sich die Schmerzgrenze der Nagetiere veränderte. Die Forscher züchteten dann Mäuse, die die gleiche ZFHX2-Genmutation hatten wie die, die in den menschlichen Blutproben gefunden wurden. Sie stellten fest, dass dies die Nagetiere unempfindlich für hohe Temperaturen machte.
Bei der weiteren Erforschung der Nagetiere fand das Team heraus, dass das ZFHX2-Gen andere Gene kontrolliert, die mit der Schmerzsignalisierung zusammenhängen. "Weitere Forschung wird notwendig sein, um zu verstehen, wie genau die Mutation die Schmerzempfindlichkeit beeinflusst und welche anderen Gene involviert sind. Im nächsten Schritt möchten wir neue Ziele für die Medikamentenentwicklung bestimmen", sagt Ko-Autorin Prof. Anna Maria Aloisi von der University of Siena. Die Autoren schlagen vor, dass eine potenzielle Behandlung, die sich aus ihren Ergebnissen ergeben könnte, eine Gentherapie ist, bei der die ZFHX2-Genmutation nachgeahmt wird.