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Brauchen wir den Begriff "Survivor" für Krebsüberlebende?

In den USA steht der Begriff "Survivor" für ein Phänomen. Milliarden US-Dollar werden damit jedes Jahr verdient, doch steht der Titel eigentlich für all diejenigen, die ihren Krebs überlebt haben. Sie sind echte Kämpfer und "Survivor".

Oxford-Debatte: Expertendiskussion im spannenden Format

In den USA steht der Begriff "Survivor" für ein Phänomen. Milliarden US-Dollar werden damit jedes Jahr verdient, doch steht der Titel eigentlich für all diejenigen, die ihren Krebs überlebt haben. Sie sind echte Kämpfer und "Survivor". Auch in Deutschland wollen wir den Langzeitüberlebenden nach einer Tumorerkrankung einen Namen geben, doch ist der "Survivor" dafür der richtige Begriff? Wie sehen sich die Patienten selbst, was ist ihre Kritik? Ist der Begriff "Survivor" eher eine neue Identität oder doch vielmehr ein neues Stigma? – eine spannende Oxford-Debatte, die schließlich auch Meinungen verändern kann.

Immer mehr Menschen erkranken hierzulande an Krebs, aber auch immer mehr Menschen überleben diese Erkrankung dank der modernen Therapieregime deutlich länger, günstigenfalls ein Leben lang. Doch sind diese Langzeitüberlebenden nun in der Tat Gesunde?

Pro

Krebsüberlebende sind keine Patienten mehr, sind aber ebenso wenig gesund. Ganz im Gegenteil benötigen sie eine möglichst lebenslange Versorgung, denn viele Chemo- oder Strahlentherapie-Ansätze führen zu Langzeitfolgen. Hinzu kommen Rezidivängste, Nebenwirkungen bzw. Spätfolgen der Krebserkrankung sowie psychoonkologische Probleme.

Dennoch sehen Befürworter des Begriffs "Survivor" in erster Linie den Erfolg des jeweiligen Patienten. Diese Menschen haben den Krebs besiegt, sie haben ihn überlebt. Macht das Krebsüberlebende nicht zu ausgezeichneten Botschaftern des Lebens? Sie zeigen uns allen durch ihr Beispiel, dass Krebs nicht gleich Tod bedeutet. Sie helfen Neuerkrankten, diese aufzufangen, zu begleiten und zu informieren. Survivor geben Hoffnung.

Der Begriff des "Survivors" gibt den vielen Menschen, die den Krebs besiegt haben, eine eigene Präsenz in Medizin und Gesellschaft. Er rückt sie in den Fokus, sodass es ihnen erleichtert wird, Versorgungsansprüche an den richtigen Stellen geltend zu machen und auf ihre besondere Situation im Leben hinzuweisen.

Kontra

Auf der anderen Seite steht ein Teil der sogenannten "Survivor", die die gesamte Debatte rund um die Begriffsfindung als ein Luxusproblem, gar als Marketing-Gag, verstehen. Krebspatienten leiden sehr wohl und meist sehr viel stärker als angenommen an den Spätfolgen ihrer Krebstherapie. Es dürfe nicht vergessen werden, dass den gewonnenen Lebensjahren eine Reihe von Komorbiditäten gegenüber steht, die letztlich die Lebensqualität herabsetzen können.

Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt selbst Jahre nach der überlebten Krebserkrankung weiterhin an, chronische Erschöpfung, Gedächtnisstörungen, therapieabhängige Zweittumoren oder ein steigender Grad der Behinderung kommen hinzu. Drei bis vier Zyklen einer platinhaltigen Chemotherapie erhöhen beispielsweise das Risiko für das metabolische Syndrom mit all seinen Begleiterkrankungen, wie Übergewicht, Hyperlipidämie, Hypertonie sowie Diabetes mellitus Typ 2. Noch etwa 20 Jahre nach initialer Chemotherapie steigt das Herz-Kreislaufrisiko in der Folge um bis zu 20 % an.

Die Spätfolgen der Krebstherapie sollten stattdessen stärker in den Fokus der Forschung, vor allem auch der Versorgungsforschung geraten. Das Problem verlangt nach schnellen Reaktionen, denn ein Überleben allein kann dank der modernen Therapien nicht mehr das einzige Ziel darstellen. Es muss auch darum gehen, spätere Risiken für das Leben zu verringern, die Lebensqualität insgesamt hoch zu halten. Ein Begriff wie "Survivor" dient nicht dazu, die Anstrengungen hier zu fokussieren. Er diene einzig der Klassifikation einer Gruppe von Menschen, die weder gesund noch Krebspatienten sind.

Fazit

Es sollte in der Diskussion um die Lebensqualität von Krebsüberlebenden nicht so sehr darum gehen, griffige oder markenwirksame Anglizismen zu übernehmen, sondern vielmehr darum, durch geeignete Forschung und Veränderung der Therapieregime, das Risiko für Spätfolgen bei Krebsüberlebenden von vornherein zu reduzieren.

Dies führe letztlich sehr viel eher dazu, dass es keiner weiteren Begriffsfindungen mehr bedarf, denn viele Patienten möchten sich selbst nach überstandener Krebserkrankung als gesund empfinden und leben.  Dafür bedarf es aber Anstrengungen von allen Seiten, einschließlich der behandelnden Ärzte, um ihnen diesen Wunsch mithilfe eines lebenslang greifenden Versorgungskonzepts auch zu ermöglichen.

Eines bleiben die Krebsüberlebenden dennoch immer, ganz unabhängig davon, wie man sie nennen möchte: Botschafter für das Leben nach dem Krebs.

Quelle:
Oxford-Debatte: Nach Krebs nicht gesund, sondern Survivor!, 33. Deutscher Krebskongress, Berlin, 22.02.2018.