Impfstoffe herzustellen ist ein schwieriges Unterfangen: Bei den Tot-Impfstoffen müssen die Krankheitserreger abgetötet werden, ohne deren Struktur zu verändern. Bislang geschieht dies meist mit giftigen Chemikalien. Eine neuartige Technologie von Fraunhofer-Forscherinnen und -Forschern nutzt stattdessen Elektronenstrahlen – und ermöglicht erstmals, Tot-Impfstoffe chemikalienfrei, schnell und reproduzierbar anzufertigen.
Impfungen gegen Kinderlähmung, Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus gehören seit Jahrzehnten zum Standard-Programm beim Kinderarzt. Bei vielen Vakzinen handelt es sich um Tot-Impfstoffe – die Krankheitserreger darin wurden also abgetötet und können dem Körper des Patienten somit nichts mehr anhaben.
Zur Herstellung der Impfstoffe werden die Krankheitserreger in großer Zahl gezüchtet und durch Chemikalien abgetötet. Meist kommt hier das giftige Formaldehyd zum Einsatz – stark verdünnt, damit es dem Menschen später bei der Impfung nicht schadet. Die niedrige Konzentration bringt allerdings auch Nachteile: Das Gift muss meist mehrere Tage bis Wochen auf die Krankheitserreger einwirken, was sich ungünstig auf die Struktur der Erreger und auf die Reproduzierbarkeit der Impfstoffproduktion auswirkt. Muss es schnell gehen, wie bei der Influenza-Impfung, greift man zu höheren Dosen an Formaldehyd. Hier muss dann eine aufwändige Filtration folgen. Reste der giftigen Chemikalien verbleiben aber dennoch im Impfstoff.
Zukünftig können nun Tot-Impfstoffe hergestellt werden, die keinerlei Reste von Chemikalien enthalten. Besonderes Potenzial sehen die Wissenschaftler in der Herstellung von Impfstoffen, die bislang nicht durch eine chemische Inaktivierung produziert werden konnten.
"Statt die Krankheitserreger mittels Chemikalien zu inaktivieren, nutzen wir niederenergetische Elektronenstrahlen", erläuterte Martin Thoma, Gruppenleiter am Fraunhofer IPA. Die beschleunigten Elektronen brechen die DNA der Erreger entweder über direkte Stöße auf, oder aber erzeugen Sekundärelektronen, die dann wiederum zu Doppel- oder Einzelstrangbrüchen führen. Die DNA der Krankheitserreger wird durch die Elektronen regelrecht zerschreddert, während die äußere Struktur der Erreger intakt bleibt. So ist weiterhin ein effektiver Immunschutz möglich.
Die Herausforderung dabei: Die Elektronen dringen nicht allzu tief in die Suspension mit den Krankheitserregern ein – für eine homogene Dosisverteilung sollte der Flüssigkeitspegel nicht höher sein als 200 Mikrometer. Die entsprechenden Techniken gab es bislang nicht, sie wurden am Fraunhofer IPA neu entwickelt. Die erste Methode: Eine Rolle wird kontinuierlich mit der Erregersuspension benetzt, bestrahlt und die dann inaktivierte Flüssigkeit in ein steriles Gefäß überführt. Es gibt also zwei Flüssigkeitsreservoirs: Eines mit aktiven und eines mit inaktiven Erregern.
Das Verfahren funktioniert bereits, und das nicht nur im Labormaßstab. Im Herbst 2018 ging am Fraunhofer IZI eine Forschungs- und Versuchsanlage in Betrieb. Mit dem kontinuierlichen Modul – also der mit Flüssigkeit benetzten Rolle – können momentan vier Liter Impfstoff pro Stunde hergestellt werden.
So lassen sich bei einigen Impfstoffen beispielsweise aus 15 Litern Erreger-Suspension eine Million Impfstoffdosen herstellen. Gespräche mit Industriepartnern laufen bereits. Bis erste mit Elektronenstrahlen hergestellte Impfstoffe in die klinische Prüfung kommen, wird es jedoch mindestens noch zwei bis vier Jahre dauern.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie im Infocenter Impfen.