Vor zehn Jahren trat das Gewebegesetz in Kraft. Seitdem haben mehr als 30.000 Patienten von der Arbeit der im gleichen Jahr gegründeten Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) profitiert. Die Gesellschaft ist in Kliniken präsent, betreibt Spenderscreening und pflegt engen Kontakt zu Ärzten.
Als das Gewebegesetz im Jahr 2007 in Kraft trat, war die Aufregung in den Fachkreisen groß. Selten zuvor wurde ein Gesetz so kontrovers diskutiert. Nicht nur die Zuordnung zum Arzneimittelgesetz gab Anlass zur Kritik, beklagt wurde u. a. auch ein möglicher Rückgang der Gewebespende bis bin zur Schließung von Gewebeeinrichtungen durch unklare Zuständigkeiten und Lücken in der Finanzierung. "Heute wissen wir, dass das hochsensible Thema postmortale Gewebespende im Alltag vieler Krankenhäuser angekommen ist", sagt Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG. Die Zahl der Gewebespender im Netzwerk der DGFG hat sich von 865 Menschen im Jahr 2007 auf 2.343 Spender im vergangenen Jahr fast verdreifacht. In gleichen Zeitraum hat die DGFG über 30.000 Gewebepräparate zur Transplantation vermittelt. "Damit stellen wir heute etwa die Hälfte aller Gewebetransplantationen für Augenhornhäute, Amnionmembranen sowie Herzklappen und Blutgefäße sicher", sagt Börgel.
Die Transplantation von Augenhornhäuten ist neben Knochentransplantationen die häufigste Verpflanzung eines Gewebes beim Menschen. Bundesweit übertragen Ärzte jährlich rund 6.000 Augenhornhäute. Der Bedarf wird jedoch auf 8.000 Transplantate geschätzt. "Die DGFG unterstützt oder übernimmt den gesamten Prozess der Gewebespende in den kooperierenden Krankenhäusern und entlastet dadurch das Personal vor Ort", sagt Börgel. Allein im vergangenen Jahr hat die DGFG mehr als 29.000 Verstorbenenmeldungen bearbeitet und über 6.000 Gespräche mit Angehörigen geführt.
Gesellschafter der DGFG sind vier Universitäten - Anstalten des öffentlichen Rechts: das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover sowie die Universitätsmedizin Rostock. "Die Gründung der DGFG war ein Beispiel dafür, wie Universitätskliniken gemeinsam ihren Versorgungsauftrag ernst nehmen", sagt Prof. Wolfgang Fleig, Medizinischer Vorstand und Vorstandssprecher des Universitätsklinikums Leipzig und Vertreter der Gesellschafter. Altruistische Gewebespende gehört in ein gemeinnützig organisiertes Umfeld. "Hier hat die DGFG in den vergangenen zehn Jahren beispielhaft gezeigt, wie Gewebespende ruhig und pragmatisch entwickelt werden kann."
Gewebe, die nach dem Tod gespendet werden können, sind neben Augenhornhäuten, Herzklappen sowie Blutgefäßen auch Knochen und Haut. Gewebespenden sind noch bis zu drei Tage nach Todeseintritt möglich. Die Hirntoddiagnostik spielt bei der Gewebespende keine Rolle. Heute stammen mehr als 90 Prozent der Gewebespenden von Menschen, die an einem Herz-Kreislauftod verstorben sind. Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Gewebespende ist die Meldung eines möglichen Spenders an die Gewebeeinrichtung. "Die DGFG hat bundesweit Strukturen aufgebaut, die die Gewebespende bei Herz-Kreislauftoten Spendern sicherstellen", sagt Prof. Björn Nashan, Vorsitzender des Stiftungsrates der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Der Erfolg der DGFG in den vergangenen zehn Jahren beruhe u. a. auf einem System von Verstorbenenmeldungen der kooperierenden Krankenhäuser und einem Screening jeder dieser Meldungen. Ein System, das eine fast lückenlose Identifikation potenzieller Spender ermöglicht.
Mit dem Inkrafttreten des Gewebegesetzes zum 1. August 2007 hat sich die Gewebemedizin in Deutschland grundlegend verändert. Heute, eine Dekade später, zieht die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) das Fazit, dass sich die Gewebeversorgung in Deutschland auf einem guten Weg befindet und die Versorgung der Bevölkerung weitgehend gesichert ist. Doch es besteht weiterer Verbesserungsbedarf, da einige Gewebearten nach wie vor nicht ausreichend zur Verfügung stehen und es dadurch zu längeren Wartezeiten für die Patienten kommen kann, wie insbesondere bei Augenhornhäuten und kardiovaskulärem Gewebe. Deshalb sind weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungslage erforderlich. "Dass Anfang Juni 2017 mit dem Gesetz zur Fortschreibung der Blut- und Gewebevorschriften die Tätigkeiten sogenannter mobiler Entnahmeteams auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt wurden, ist dabei wichtig und richtig" erklärte Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der DKG.