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Bewaffnete Antikörper in der Onkologie

WissenschaftlerInnen aus Deutschland ist es erstmals gelungen, immunstimulierende Botenstoffe so an krebsspezifische Antikörper zu koppeln, dass sie die Immunabwehr gegen den Krebs aktivieren, aber keine gefährlichen überschießenden Immunreaktionen verursachen.

Immunstimulation durch Zytokine ohne Überreaktion

WissenschaftlerInnen des Deutschen Krebskonsortiums (DKTK) und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) am Universitätsklinikum Tübingen ist es erstmals gelungen, immunstimulierende Botenstoffe so an krebsspezifische Antikörper zu koppeln, dass sie die Immunabwehr gegen den Krebs aktivieren, aber keine gefährlichen überschießenden Immunreaktionen verursachen.

Das Forschungsteam hat jetzt das europäische Patent für das Verfahren erhalten, um die modifizierten Botenstoffe im großen Maßstab zu produzieren und anschließend in klinischen Studien erproben zu können. Für die Herstellung von zwei Substanzen in klinischer Qualität wurde ein Lizenzvertrag und Kooperationsvertrag mit der südkoreanischen Biotechfirma ABL Bio abgeschlossen. Im DKTK verbindet sich indes das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen universitären Partnerstandorten in Deutschland.

Zytokine wie Interleukine oder Interferone sind körpereigene Proteine, die als Botenstoffe das Immunsystem zur Bekämpfung von Infektionen und Tumoren stimulieren. Seit Jahrzehnten wird versucht, die immunstimulierenden Eigenschaften von Zytokinen zur Krebsbehandlung einzusetzen. Durch Kopplung an Antikörper, die gegen krebsspezifische Proteine gerichtet sind, ist es in den vergangenen Jahren gelungen, Zytokine gezielt in Tumoren einzuschleusen.

Ein Problem bei der klinischen Entwicklung solcher Immunzytokine sind jedoch die durch unkontrollierte Immunaktivierung ausgelösten starken Nebenwirkungen. "Zytokine sind in größeren Mengen toxisch und aktivieren leider auch unspezifisch, wenn sie fusioniert an Antikörper im Blut schwimmen, ohne an den Tumor gebunden zu sein", erklärte der DKTK-Professor und Arzt Helmut Salih, der am Universitätsklinikum Tübingen die Klinische Kooperationseinheit Translationale Immunologie leitet: "Das kann dann zu einem regelrechten Zytokin-Sturm führen, der bei den PatientInnen zu hohem Fieber, Erschöpfung, und möglicherweise sogar zum Kreislaufzusammenbruch führt.“

Salih und sein Kollege Gundram Jung, Leiter der Sektion für experimentelle Antikörpertherapie an der Universität Tübingen, konstruierten daher eine neue, optimierte Form von Immunzytokinen (MICs). An einen Antikörper, der ein Oberflächenmolekül wie z.B. CD19 auf Leukämiezellen erkennt, koppelten sie Interleukin IL-15. Der Clou an diesem neuen Verfahren ergibt sich aus den gentechnisch veränderten Eigenschaften des IL-15, das wie eine Art Sicherheitsschloss funktioniert. Bei den MICs ist das IL-15 gentechnisch so verändert, dass es erst dann, wenn der Antikörper an die Krebszelle bindet, an die Killerzellen der Abwehr andocken und sie gegen den Krebs aktivieren kann.

"Selbst bei hohen Dosen der MICs sehen wir kaum eine ungezielte und somit unerwünschte Aktivierung von Killerzellen, welche wir dagegen bei unveränderten Immunzytokinen auch bei kleineren Dosen immer beobachten“, sagte Salih: "D.h. man kann höhere und damit auch wirkungsvolle Dosen verabreichen, ohne mit drastischen Nebenwirkungen rechnen zu müssen.“

In den vorliegenden präklinischen Arbeiten an Zellkulturen und Mäusen testeten die WissenschaftlerInnen MICs gegen Leukämien, Lymphome und verschiedene solide Tumore. "Mit dem neu patentierten Verfahren lässt sich aber prinzipiell jeder krebsspezifische Antikörper mit dem 'sicheren' IL-15 ausrüsten und potenter machen“, betonte Gundram Jung. Eine Behandlung mit Immunzytokinen sei dadurch bei ganz unterschiedlichen Krebserkrankungen denkbar.