Ein gelähmter alter Mann kann in seinem Schmerz nicht um Hilfe rufen. Der Heimbewohner liegt in viel zu heißem Wasser in einer Badewanne und stirbt später an den Verbrühungen. Eine Pflegerin ist dafür bestraft worden. Doppelt.
Eineinhalb Jahre nach dem Tod eines 79-jährigen Heimbewohners, der sich in einer viel zu heißen Badewanne verbrüht hatte, ist eine Pflegerin wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen worden. Das Amtsgericht Sangerhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) verurteilte sie am Mittwoch zu zwölf Monaten Haftstrafe auf Bewährung. Die Bewährungsfrist läuft über zwei Jahre. Außerdem soll die 50 Jahre alte Frau 1000 Euro - in Raten von je 50 Euro - an eine gemeinnützige Institution zahlen, die sich um Menschen mit Behinderung kümmert.
Das Gericht folgte damit Forderungen der Staatsanwaltschaft. Die Frau war wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen angeklagt. Die gelernte Krankenschwester soll es im Februar 2017 beim Baden des Mannes versäumt haben, die Wassertemperatur wie vorgeschrieben mit einem Thermometer und mit der Hand zu prüfen. Der gelähmte Mann konnte laut Anklageschrift nicht sprechen und somit auch nicht um Hilfe rufen. Laut Gutachten war die Badetemperatur zu heiß.
Die Staatsanwältin betonte, dass in dem Heim den Ermittlungen zufolge zu dem Zeitpunkt kein Pflegemangel bestand. Die Frau sei eine ausgebildete Fachkraft mit langjähriger Berufserfahrung. Der 79-Jährige starb einige Tage nach dem Bad an seinen schweren Verbrühungen in einer Spezialklinik für Brandverletzte. Die Frau hatte selbst die Heimleitung informiert. Ermittlungen gegen eine zweite Pflegerin waren eingestellt worden.
Die Richterin Angela Fürniss-Sauer sagte zur Begründung des Strafbefehls, es habe niemals der Verdacht bestanden, die Frau habe vorsätzlich gehandelt. Es sei davon auszugehen, dass sie vielleicht wegen kurzer Unaufmerksamkeit - wie dies etwa bei Verkehrsunfällen geschehen könne - nun ein ganzen Leben unter den Folgen leiden werde.
Die Angeklagte war nicht zur Verhandlung erschienen. Laut ihrem Anwalt Christopher Posch ist sie krank und nicht verhandlungsfähig. "Wir werden das akzeptieren", sagte er zur Entscheidung des Gerichts der dpa. Bei dem Fall handelte es sich aus seiner Sicht um ein tragisches Unglück. "Sie leidet enorm, sie schämt sich dafür und bereut, was passiert ist", sagte Posch zum Auftakt der Verhandlung. Sie sei neu in der Einrichtung gewesen. Aus seiner Sicht gab es Personalmangel in dem Heim.
Nach Angaben von Posch erlebe die Frau seit Februar 2017 - dem Tod des Mannes - ein "Spießrutenlaufen" und eine "öffentliche Hetzjagd". So sei via Internet dazu aufgerufen worden, sie zu steinigen. Bei aller Tragik des Falls, «"aber wir leben in einem Rechtsstaat", sagte der Anwalt.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz (Dortmund/Nordrhein-Westfalen) forderte, einen automatischen Schutz beim Baden in Pflegeheimen vor Verbrühungen. "Was in Kindergärten längst die Regel ist, muss auch in Pflegeheimen Standard werden", erklärte Vorstand Eugen Brysch. "Es braucht in allen 13.600 deutschen Heimen einen Verbrühschutz an Badewannen und Waschbecken, zusätzlich zum Thermometer und der Handprüfung der Wassertemperatur." Er forderte die Gesundheits- und Bauminister von Bund und Ländern dazu auf, diese technischen Vorkehrungen zur Pflicht zu machen.
Die Richterin erklärte, dass die Frau zwei Wochen Zeit hat, um gegen den Strafbefehl Einspruch zu erheben. Das Strafmaß bei fahrlässiger Tötung sieht laut Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft vor.