Das komplizierte Abrechnungswesen in Kliniken bietet offenbar Raum für Betrügereien. Gegen einige Krankenhäuser in Hessen wird ermittelt. Nun ist das erste Verfahren abgeschlossen worden. Eine Klinik leistet eine millionenschwere Rückzahlung.
Die großangelegten Ermittlungen wegen Betrugsvorwürfen im hessischen Krankenhauswesen haben zu ersten Ergebnissen geführt. Ein aktueller Verfahrensabschluss betrifft eine Klinik aus dem Main-Kinzig-Kreis, die vier Millionen Euro an die Krankenkassen zurückzahlen muss. Im Gegenzug werden die Ermittlungen eingestellt, wie der Frankfurter Oberstaatsanwalt Alexander Badle sagte. Dabei geht es um die Main-Kinzig-Kliniken. Das Krankenhaus mit Standorten in Gelnhausen und Schlüchtern bestätigte den Sachverhalt.
Badle, Leiter der Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht (ZMS) in Frankfurt, hatte den Namen der Klinik aus Datenschutzgründen nicht nennen dürfen. Er sagte zudem, dass der langjährige Geschäftsführer des Krankenhauses der Entscheidung zufolge eine Geldauflage von 40.000 Euro aus seinem Privatvermögen begleiche. Geschäftsführer Dieter Bartsch bestätigte in einer Stellungnahme die Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung.
Nach Angaben der ErmittlerInnen war die Einstellung des Verfahrens unter diesen Umständen nur möglich, weil das Krankenhaus intensiv an der Aufklärung der Vorwürfe mitgewirkt habe. "Das war wichtig für uns", erklärte Badle.
Bartsch begrüßte die Einstellung des Verfahrens und sagte: "Die medizinische Versorgung war davon gänzlich unberührt, es war ausschließlich ein Verwaltungsthema." Er sprach von einer "Rechnungskorrektur". Auslöser für die Unstimmigkeiten sei ein Gerichtsurteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2015 gewesen. Es bezog sich auf eine "komplexe, bürokratische Auslegungsfrage bei Krankenhausabrechnungen", wie Bartsch erklärte.
Auf die Frage, ob die Main-Kinzig-Kliniken bei Abrechnungen betrogen haben, antworte Badle: "Sagen wir mal so: Es waren fehlerhaft abgerechnete Leistungen. Sowohl uns als Ermittlungsbehörde als auch mittlerweile dem Krankenhaus ist klar, dass man das so nicht durchführen durfte." Die Frage einer strafrechtlichen Verantwortung bleibe offen, da das Verfahren nun eingestellt worden sei.
In Hessen laufen derzeit elf weitere Verfahrenskomplexe gegen Krankenhäuser, wie Badle sagte. Geprüft werde, ob bei Abrechnungen von Leistungen Straftaten begangen worden seien. Die Ermittlungen richten sich nicht nur gegen Verantwortliche von Krankenhäusern. Teilweise geht es auch um MedizinerInnen, die ärztliche Leistungen betrügerisch abgerechnet haben sollen. Auch gegen das Klinikum Fulda und das Klinikum Bad Hersfeld wird ermittelt.
Bei den Ermittlungen wegen mutmaßlichen Betrugs geht es laut Badle um Verfahren aus dem Bereich der stationären Versorgung. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Tatvorwürfe. Ein Schwerpunkt bilde das Thema Betrug im Zusammenhang mit Ermächtigungsleistungen. Nur bei Krankheit, Urlaub,Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung kann er sich innerhalb von zwölf Monaten bis zur Dauer von drei Monaten vertreten lassen, wie Badle erläuterte.
"In den derzeit bei der Zentralstelle geführten Ermittlungsverfahren ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigten die Ermächtigungsleistungen regelmäßig nicht selbst erbracht, sondern von anderen angestellten Ärzten des Klinikums – und somit unter Verstoß gegen die Ermächtigung – haben erbringen lassen", sagte Badle. Aufgrund der im Sozialrecht strengen Vorgaben seien solche Leistungen gegenüber den Kostenträgern nicht abrechnungsfähig. Insbesondere der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung gilt als einer der zentralen Prinzipien der ärztlichen Leistung.
Zu den Schadenssummen konnten die ErmittlerInnen gegenwärtig keine Angaben machen. Diese dürften aber zusammengenommen über die Jahre hinweg Millionen von Euro betragen. Bei den Ermittlungen wird zudem geprüft, ob auch gegen die Klinikleitungen ein Betrugsverdacht besteht. "Das ist immer dann der Fall, wenn sie Kenntnis davon hatten, dass ärztliches Klinikpersonal regelmäßig zur regelwidrigen Erbringung von Ermächtigungsleistungen eingesetzt wird", erklärte Badle.
Alles in allem handele es sich um besonders umfangreiche und komplexe Ermittlungsverfahren, die die Zentralstelle in den nächsten Jahren weiter beschäftigen werde, sagte Badle.