Netzwerke haben in der Medizin einen guten Klang. Ohne Netzwerkbildung wäre so mancher medizinische Fortschritt undenkbar. Doch es gibt gesetzliche Grenzen der gewünschten Zusammenarbeit zwischen Ärzten und medizinischen Einrichtungen. Welche das aktuell sind, dem widmete sich eine Session auf dem 135. Chirurgie-Kongress in Berlin unter dem Titel: "Unfallchirurgische Netzwerke – was dürfen wir, was dürfen wir nicht?" Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, Prof. Dr. Dietmar Pennig, sprach dazu aus der Sicht der DGU.
Zu Beginn erörterte Prof. Pennig die segensreiche Wirkung der etablierten Netzwerke. Dazu gehören das Traumanetzwerk der DGU, das Alterstraumazentrum der DGU/DGG, auch Weiterbildungsverbünde sind Netzwerke, sie gelten als absolut unkritisch. Fast 700 Kliniken nehmen am Traumanetzwerk teil. Ein Erfolgsmodel, dass mit Hilfe des Bundesministeriums für Gesundheit auch in China implementiert werden soll.
Das überregionale Traumazentrum dokumentiert und sichert die Versorgungsqualität über Audits. Bei den Alterstraumazentren der DGU ist das ähnlich. Es ist dokumentiert, dass die Vernetzung die Versorgungsqualität der alten und hochalten Patienten verbessert.
Auch Register sind Netzwerke. Das reicht u.a. vom Handtraumaregister, über die Serum-Datenbank bis zum Schädelhirntraumaregister und einem Modul für Schuss- Und Explosionsverletzungen. Hier ist Vorsicht geboten: "Register generieren Daten. Und mit denen müssen wir sehr sorgfältig umgehen" betont Prof. Pennig. "Man muss die Sicherheit in der Daten-Weitergabe im Auge behalten, wenn zum Beispiel wie unlängst das Endoprothesenregister den Standort wechselt." Die Weitergabe von Daten ist ein nicht unerhebliches Problem. Prof. Penning warnt ausdrücklich vor Facebook-Nutzung: Datenweitergabe ist hier ganz ohne Rechtssicherheit oder Rechtsgrundlage! "Es geht um BIG Data, wer die Daten beherrscht, der hat nicht zuletzt auch monetäre Vorteile."
Worüber beim Networking auch geredet werden müsse, führt der Referent das Thema fort, das sind die Dinge, die den Staatsanwalt auf den Plan rufen. "Das sind die Netzwerkbildungen, bei denen wir z. B. Zuwendungen erhalten. Das ist nicht neu, aber es ist gekennzeichnet von einem immensen Strafverfolgungs- und Überwachungs-Aufwand," so Prof. Pennig. "Im Gegensatz zum Beispiel zum Baugewerbe haben wir einen eigenen Paragraphen im Strafgesetzbuch - § 299a, zur Bestechlichkeit im Gesundheitswesen." Dadurch werde eine Art Anfangsverdacht formuliert. "Immer dann, wenn wir Gegenleistungen erbringen oder einen Vorteil fordern, laufen wir in die Problematik des Bestechlichkeits-Paragraphen." Das ist kein Kavaliersdelikt. Wenn ein Angehöriger der Heilberufe im Zusammenhang in seiner Berufsausübung Vorteile annimmt, verspricht oder gewährt, kann er mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafen belangt werden.
Was sind nun Straftatbestände des § 299a? Jedes Fordern und Sich-Versprechen-lassen führt zur Strafbarkeit, auch wenn gar kein Geld fließt. Der Referent nennt ein Beispiel: „Sie haben einen guten Zuweiser und irgendwann kommt der und möchte von Ihnen eine Palette guten Weins zu Weihnachten - dieses Fordern allein ist strafbar.“ Eine Unrechtsvereinbarung bedeutet, dass der jeweilige Vorteil eine Gegenleistung darstellt für eine künftige unlautere Bevorzugung. Da gehe es um Dinge wie Arzneimittel und Hilfsmittel. Der Klassiker ist: Zuweisung gegen Geld.
Es reicht eine anonyme Anzeige in mündlicher Form. Und die Staatsanwaltschaft ermittelt auch aus eigenem Antrieb. Die Hürden eines Anfangsverdachtes sind denkbar niedrig. Allerdings werden über 90 Prozent der Ermittlungsverfahren eingestellt. "Aber der Imageverlust und die Folgen sind erheblich, rufschädigend und belastend", beklagt Prof. Pennig.
Welche Folgen hat das für die Praxis? Es gibt ja eine Reihe von ambulant-stationären Kooperationsformen. Zum Beispiel die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten am und im Krankenhaus. Oder die Tätigkeit des Vertragsarztes als Konsiliararzt, Belegarzt, Honorararzt. Oder die Tätigkeit von Krankenhausärzten als Vertragsärzte bis zu einem bestimmten Stundensoll in einer Praxis, bzw. die Ermächtigung oder Zulassung von Krankenhausärzten. "Damit müssen wir sehr vorsichtig umgehen", warnt Prof. Pennig. Die Vergütung von honorarärztlichen Regelleistungen im Krankenhaus ist im Prinzip zulässig. Sie muss aber im angemessenen Verhältnis zur Leistung stehen. Die Angemessenheit sei allerdings nicht definiert.
Ein Beispiel aus 2016/17: Eine Klinik betreibt mit einer Praxis ein gemeinsames Großprojekt. Patienten der Praxis werden durch die niedergelassenen Ärzte behandelt, das Krankenhaus arbeitet ebenfalls mit diesen Ärzten. Dafür wollen sie eine Gegenleistung haben. Das ist unzulässig, da die Möglichkeit der Zuweisung von Praxispatienten erfolgsabhängige Vergütungen herbeiführt - für die Ärztekammer nicht korrekt, die Aufsichtsbehörde sagt das ebenfalls.
Beispiel 2: Welche Vorteile der Patientenversorgung durch eine Kooperation entstehen, muss nachgewiesen werden. Wenn diese Vorteile nicht niederzulegen sind, wird es schwierig.
Was muss man tun? Es gibt einen Plausibilitätscheck anhand der Compliance-Prinzipien, die Finanzflüsse müssen transparent und äquivalent sein, für eine Leistung muss ein nachvollziehbarer finanzieller Ausgleich erfolgen, die Kooperation muss der Ärztekammer bekannt sein, man muss trennen zwischen ärztlicher Entscheidung und Zuwendung, und die Kooperation ist zu dokumentieren. Man solle nun nicht alle Kooperationen unter Generalverdacht stellen, aber es gibt eine Reihe von kritischen Fällen, erklärt Prof. Pennig. Gesundheitspolitisch gewollte Kooperation, beispielsweise sektorenübergreifende, sind davon ausgenommen, solange angemessene Entgelte gezahlt werden. Die Frage ist aber auch hier: was ist angemessen? Vorsicht sei geboten.
Praktische Tipps zur Vertragsgestaltung sind:
Das Fazit:
Das Inkrafttreten des § 299a zur Bestechlichkeit im Gesundheitswesen stellt ein erhebliches Risiko für alle Beteiligten beim Networking dar. Es sind Unsicherheiten entstanden, die trotz juristischer Beratung bislang nicht abgearbeitet werden konnten. Betroffen sind nicht nur Ärzte, sondern auch Krankenpfleger, Heilmittelanbieter, Apotheker, Ergotherapeuten, Tierärzte. In den Dunstkreis der Bestechlichkeit zu geraten, ist ein herber Vorwurf für eine Gruppe, deren Tätigkeit im moralisch-ethischen Bereich verankert ist, betont Prof. Pennig. Sein Rat an alle Kollegen mit einem Augenzwinkern am Schluss: "Wenn sie netzwerken und Kooperationen eingehen wollen, trauen Sie Ihrem Bauchgefühl oder fragen Sie Ihre Frau."
Quelle:
Chirurgen-Kongress 18.4.2018, Unfallchirurgische Netzwerke – was dürfen wir, was dürfen wir nicht, Prof. Dr. Dietmar Pennig