Aus dem Rettungswagen heraus Daten in die Klinik übertragen oder von überall her auf Krankenakten zugreifen – mit schnellerem Mobilfunk könnte die Gesundheitsversorgung verbessert werden. Die Hochschule Amberg-Weiden lotet Chancen und Grenzen aus.
Ärztemangel und fehlender öffentlicher Nahverkehr erschweren gerade älteren Menschen das Leben auf dem Land. Unter dem Motto "5G4healthcare" forscht ein Team der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden (OTH) in der Oberpfalz, in welchen Bereichen die nächste Mobilfunkgeneration 5G die Gesundheitsversorgung in ländlichen Gegenden verbessern könnte. Amberg-Weiden ist damit eine von bundesweit sechs Modellregionen, die sich – finanziell gefördert durch den Bund – mit den Möglichkeiten des neuen Mobilfunkstandards befassen. Aktueller Standard ist 4G.
Im Herbst 2019 bekam die OTH Amberg-Weiden den Zuschlag für das Forschungsprojekt. Seit Anfang 2020 sind die Professoren Clemens Bulitta und Steffen Hamm dabei, mit ihrem inzwischen 15-köpfigen Team ein Konzept zu erarbeiten.
5G sei kein Allheilmittel für die Gesundheitsversorgung, sagt Hamm. Jedoch bringe eine höhere Netzkapazität etliche Vorteile. Ziel des Projektes sei es, Politik, medizinischen Unternehmen sowie Kliniken Handlungsempfehlungen zu geben. Dafür gingen die Forschenden gesundheitsökonomischen, technischen, rechtlichen und ethischen Fragen nach.
Das Team nimmt sich fiktive PatientInnen vor und erarbeitet anhand deren Versorgungskette, in welchem Bereich 5G hilfreich einsetzbar wäre - bei der Prävention, Diagnostik, Therapie, Rehabilitation oder Pflege. "Das kann während der Behandlung im Rettungswagen sein, wenn Daten in Echtzeit ins Krankenhaus übermittelt werden, oder in der Notaufnahme oder dann im Krankenzimmer", sagte Hamm. Weitere Anwendungsoptionen seien fahrerlose Transportsysteme, Videosprechstunden und robotergestützte Operationen.
Ein flächendeckendes öffentliches 5G-Netz sei nicht unbedingt notwendig, um eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung zu erreichen, ergänzt Bulitta. Es könnten auch eine bestimmte Pflegeeinrichtung, ein Krankenhaus oder nur ein einzelner Operationssaal mit 5G ausgestattet werden.
Gerade die Corona-Krise habe gezeigt, wie wichtig digitale Kommunikation sei, so Bulitta. 5G könne Telemedizin unterstützen, große Bilddatenmengen ließen sich schneller übertragen. Zudem könnten bei höherer Netzkapazität auch viele NutzerInnen gleichzeitig aktiv sein, ohne dass das Netz überlastet werde. Gerade bei eiligen, sensiblen Daten müsse die Verbindung störungsfrei funktionieren.
Neben den Möglichkeiten will das Team auch die Grenzen von 5G ausloten. Ist beim Umgang mit digitalen Patientenakten der Datenschutz gewährleistet? Ist die IT-Sicherheit gegeben oder könnten technische Instrumente von außen gestört oder gar ausgeschaltet werden - was einen unmittelbaren Schaden bedeuten könnte?
Bei allem, was technisch und rechtlich vielleicht machbar wäre, fragen sich die Forschenden aber auch, ob es ethisch vertretbar sei. So solle durch verstärkte digitale Gesundheitsversorgung die soziale Komponente zwischen ÄrztInnen und PatientInnen nicht verloren gehen.
Gerade auf dem Land, wo ältere Menschen mangels Mobilität vielleicht ohnehin mehr alleine seien, solle der persönliche Kontakt nicht weiter eingeschränkt werden, sagt Bulitta. Im Gegenteil: Wenn ÄrztInnen mit digitaler Unterstützung manche Arbeitsabläufe beschleunigen können, bleibe ihnen unter Umständen mehr Zeit für den persönlichen Umgang mit PatientInnen.
Das Projekt "5G4healthcare" ist auf drei Jahre angelegt und wird vom Bundesverkehrsministerium mit knapp 8,5 Millionen Euro gefördert. Im kommenden Jahr wollen die Forschenden ihr Konzept in der Praxis anwenden und 2022 die Ergebnisse auswerten.