Sieben Fachgesellschaften haben an der neuen konsensbasierten Leitlinie Diabetes im Alter zusammen gearbeitet – von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft bis zur Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft. Herausgekommen sind nützliche Handlungsempfehlungen für alle älteren Patientengruppen.
Die gewachsene Lebenserwartung und die steigende Anzahl älterer Patienten macht die Diabetes-Behandlung im Alter zu einem noch wichtigeren Thema. Wer heute siebzig ist, wird häufig noch sehr viele Jahre mit Diabetes leben. Das stellt neue Anforderungen an ihre Behandlung.
Das größte Problem bei älteren Diabetes-Patienten ist die Multimorbidität. Es gilt, u.a. Schwerhörigkeit, Osteoporose, Einschränkung der Mobilität, Erkrankungen des Nervensystems, metabolische Erkrankungen zu berücksichtigen. Darauf geht die Leitlinie jeweils explizit ein.
Ein wesentlicher Unterscheid zur alten Leitlinie von 2004 ist die Einteilung der Patienten in Untergruppen. Die Patienten wurden nicht nur nach Alter, sondern auch nach Funktionalität eingeteilt.
Beim letzten Punkt hat sich auch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin besonders eingebracht.
Die Zielkorridore für ältere Menschen mit Diabetes sind in der neuen Leitlinie in allen wesentlichen Punkten und für die verschiedenen Untergruppen formuliert. Bei HbA1c sollen Patienten mit mehr als 15 Jahren Lebenserwartung 6,5 bis 7,5 % erreichen - sie können die Vorteile der intensiveren Therapie noch ausreichend lange erleben. Der Blutdruck wird mit kleiner 150 mmHg (über 80 Jahre) und unter 140 mmHg (60 bis 80 Jahre) angegeben, die Blutglukose vor den Malzeiten ist mit 100 – 125 mg/dl angegeben. Entsprechend werden die Ziele für die anderen Untergruppen differenziert.
Hier konnte nicht zwischen allen beteiligten Gesellschaften Einigkeit erzielt werden.
So gibt es ein Sondervotum der DEGAM gegenüber der DG Pflegewissenschaft.
Für die Patientengruppe der funktionell Unabhängigen zielt die DEGAM bei HbA1c auf 7,0 – 8,5 %, die Pflegewissenschaft hingegen geht von 6,5 – 7,5 %aus.
Bei den sehr alten oder multimorbiden Patienten genügt der DEGAM: Symptomfreiheit, die Pflegewissenschaft zielt auf 8,0 % bei HbA1c.
Für die Pflegeabhängigen legt die DEGAM ebenfalls Symptomfreiheit als Ziel fest, die Pflegewissenschaft peilt HbA1c von 8,5% an.
In der End-of-Life-Phase ist man sich einig, hier individuell mit dem Ziel Symptomfreiheit vorzugehen.
Die Deutsche Diabetesgesellschaft geht auch wie die DEGAM nicht von ganz so strengen Therapiezielen wie die Pflegemedizin aus, sie empfiehlt 7,0 bis 8,5 % HbA1c zur Vermeidung von Hypoglykämien.
In den Vordergrund rückt immer mehr der Typ-1-Diabetes im Alter. Mehr als 100.000 Menschen mit Typ-1-Diabetes sind über 70 Jahre alt. Und es gibt eine zunehmende Inzidenz des Typ-1-Diabetes im hohen Lebensalter.
Geriatrische Syndrome wie Demenz, eingeschränkte Feinmotorik können das Selbstmanagement einschränken. Deshalb der Hinweis in der Leitlinie, wie z. B. mit kognitiven Störungen umzugehen ist. Wesentlich dabei die Frage: Wann muss man bei Demenz rechtzeitig die Therapie umstellen, so dass das Neue noch verinnerlicht werden kann? Wichtig ist ein geriatrisches Screening, um einschätzen zu können, ob ein Patient selbstständig die Therapie durchführen kann. Hier bietet sich der Geldzähltest (nach Nikolaus) an. Auch eine Überprüfung der Fähigkeit zur selbständigen Injektion liegt in der Verantwortung des Arztes.
Es gilt zu entscheiden zwischen einfacheren Therapieformen versus dem individuellen Wunsch, die Insulinpumpentherapie behalten zu können. Gegebenenfalls werden BZ-Schwankungen in kauf genommen.
Quelle: A. Bahrmann, Diabeteskongress am 11.5.2018, Symposium „Die S2k-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle der Diabetes mellitus im Alter“