Der Landarztmangel ist eins der Sorgenkinder des deutschen Gesundheitswesen: Viele niedergelassene Medizinerinnen und Mediziner gehen auf die Rente zu, finden aber keine Nachfolge für ihre Praxis. Wie kann dem Landarztmangel also effektiv entgegengewirkt werden? Darüber haben sich Johannes Fleischhut, Tobias Fleischhut und Nikolas Kindler, Initiatoren der Kampagne “Landarzt sein”, Gedanken gemacht. Die Drei sind überzeugt: “Junge Ärzte wollen nicht aufs Land!? Glauben wir nicht. Die wissen nur noch nicht, wie schön es dort ist!” In der "nachgefragt!"-Reihe unseres e4yp-Projekts für junge und angehende MedizinerInnen haben wir das Trio befragt.
Das Landarzt-Leben ist kein Zuckerschlecken: Vielerorts gilt die Tätigkeit ländlich niedergelassener Medizinerinnen und Medizinern als absoluter Vollzeitjob, in dem eine schlechte Bezahlung oftmals hohen Kosten, viel bürokratischem Aufwand und Problemen mit der Telematikinfrastruktur gegenübersteht. Für Patientenbetreuung bleibe daher immer weniger Zeit. Dabei wird oft übersehen, welche Vorteile eine Landarztpraxis mit sich bringt: Ein persönlicheres Verhältnis zur Patientenschaft, keine Nachtschichten mehr und die Möglichkeit, die eigene Chefin beziehungsweise der eigene Chef zu sein.
Viele auf dem Land Niedergelassene suchen dennoch händeringend nach einer Nachfolge für ihre Praxis, politische Lösungsansätze wie die umstrittene Landarztquote sollen Abhilfe schaffen. Immerhin: Eine KV-Umfrage unter Medizinstudierenden hat ergeben, dass 42,5% sich eine selbstständige Tätigkeit in der eigenen Hausarztpraxis vorstellen können, 62,3% eine angestellte Tätigkeit in einer Praxis. Für 33% spielt die Größe des Ortes keine Rolle. Für nahezu die Hälfte der Befragten ist es sogar vorstellbar, in Orten unter 2.000 Einwohnern zu arbeiten. Warum also ist der Landarztmangel noch immer solch ein akutes Thema?
Johannes Fleischhut, Tobias Fleischhut und Nikolas Kindler, die Initiatoren der Kampagne “Landarzt sein”, sind der festen Überzeugung: Es gibt viele gute Gründe, auf dem Land zu arbeiten. Viele wüssten gar nicht, was ihnen entgeht. In der neuen Folge “nachgefragt!” von esanum for young professionals (e4yp) schildert das Trio, warum die Praxisbörse für Niedergelassene ins Leben gerufen wurde und welche Perspektiven der medizinische Nachwuchs auf dem Land hat. Der Start der Kampagne hat dabei einen konkret familiären Bezug: “Unser Vater hat seit vielen Jahren eine Praxis in einem kleinen Ort in Nordhessen und sucht seit vielen Jahren einen Nachfolger”, so Nikolas. Dieser Umstand war für die drei Brüder nicht wirklich verständlich. “Man kann sich da in ein gemachtes Nest setzen, man hat einen Patientenstamm, man muss nicht viel Geld ausgeben, um die Praxis zu übernehmen.” Im Rahmen der Internetrecherche stellten die Drei anschließend fest, dass potentielle Interessenten online nur spärliche Informationen zur Stelle erhalten konnten.
Hierin erkannten die Brüder ein konkretes Problem, mit dem viele konfrontiert seien, die über eine Niederlassung im Ländlichen nachdenken: Man finde zwar durchaus Informationen, wo man sich niederlassen könne, aber nur wenige Infos zu den lokalen Gegebenheiten wie Umfeld, Patientenstamm oder ob man gegebenenfalls Hilfe erwarten kann. Hier kommt “Landarzt sein” ins Spiel: Den Initiatoren geht es dabei um einen konkreten Blickwinkel auf das Praxisumfeld, also die Nachfrageseite. Man wolle vor allem auch Studierende und Berufseinsteigende davon überzeugen, “dass das Landarztleben cool ist”, so Johannes. Es reiche nicht, nur die Praxis darzustellen. Vielmehr müsse das Landleben in seinem vollen Umfang präsentiert werden.
In der Tätigkeit als Landärztin oder als Landarzt sehen die drei Brüder auch viel beruflichen Gestaltungsspielraum. Tobias schildert im Gespräch: “Was auf jeden Fall interessant oder attraktiv ist: Wenn man seine eigene Praxis aufgebaut hat, ist man auf jeden Fall auch sein eigener Chef, kann eigene Ideen umsetzen und kommt auch aus diesem Schichtdienst-Trott, den man im Krankenhaus regelmäßig hat, heraus.” Wochenenddienste und Nachtdienste gehören demnach der Vergangenheit an. Einer Landarztquote stehen Johannes, Tobias und Nikolas dennoch skeptisch gegenüber. “Das ist auf jeden Fall ein zweischneidiges Schwert”, so Nikolas. Als Maßnahme könne die Quote durchaus Erfolge gegen einen Landarztmangel bewirken, aber keinesfalls alleinstehend. “Es sollte also immer Teil eines größeren Maßnahmen-Blumenstraußes sein.”
Auch wenn “Landarzt sein” den Fokus vor allem auf Nachfrageseite richtet, verstehen die drei Brüder das Projekt keinesfalls als Einbahnstraße: Zwar bietet die Praxisbörse Menschen die jetzt oder in ein paar Jahren einer Landarzt-Tätigkeit nachgehen wollen, die Möglichkeit, Praxen und auch deren Umgebung besser kennenzulernen. Ebenso besteht jedoch die Möglichkeit für Niedergelassene oder Vertretende von Gemeinden oder Landkreisen die Möglichkeit zu inserieren. Tiefere Einblicke ins Landarzt-Leben liefert auch der Blog: Hier geht es unter anderem darum, was eine Niederlassung attraktiv macht oder welche Förderung man dafür erwarten kann. Weitere Informationen zur Kampagne sind auf Twitter, Facebook, Instagram und LinkedIn zu finden.