Ceftazidim, Cefazolin, Cefuroxim, Ceftriaxon – das kann man schon mal verwechseln. Fehler im Umgang mit Medikamenten sind “ein beträchtliches Problem”, findet das Arzneimittel-Bundesinstitut.
Falsches Medikament, falsche Dosis, falsche Kombination – mit Arzneimitteln können leicht Fehler passieren, auch im Krankenhaus. Das Frankfurter Universitätsklinikum macht daraus keinen Hehl: Eine Patientin bekam nach einer Gelenk-Operation ihr Arthritis-Medikament einmal täglich statt einmal wöchentlich. Das war nicht tödlich, aber es gab Komplikationen.
Lebensbedrohlich wäre es jedoch gewesen, wenn auf der Intensivstation ein Mitarbeiter zwei nahezu gleich aussehende Ampullen mit farbloser Flüssigkeit verwechselt hätte: Die Klinik-Apotheke hatte auf das Produkt eines anderen Herstellers umgestellt, plötzlich waren zwei Medikamente, die vorher ganz unterschiedlich aussahen, kaum noch zu unterscheiden.
“Arzneimitteltherapie ist der fehleranfälligste Teil der medizinischen Versorgung”, sagt der Ärztliche Direktor der Frankfurter Uniklinik, Jürgen Schölmerich. Und das nicht nur im Krankenhaus: Zahlenmäßig sind Fehler bei der Verschreibung oder der Anwendung von Medikamenten zu Hause sogar das viel größere Problem.
“Wenn wir 20 Millionen Notaufnahmen im Jahr haben und zwei Millionen davon auf Arzneimittel-Nebenwirkungen entfallen, dann ist das ein beträchtliches Problem”, sagt die Vizepräsidentin des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn, Julia Stingl. Zahlen aus anderen Ländern legen nahe, “dass unter Umständen bis zu 40 Prozent davon vermeidbar wären.”
Als “Fehler” gilt laut Stingl “eine Nebenwirkung, die vermeidbar gewesen wäre”. Welche Nebenwirkungen das sind, wie viele davon vermeidbar gewesen wären, und wie man sie hätte verhindern können – darüber gibt es so gut wie keine Daten. Das BfArM hat gerade ein Forschungsprojekt gestartet: In Bonn, Fürth und Ulm werden ein Jahr lang sämtliche Fälle in Notaufnahmen daraufhin untersucht, ob sie durch Fehler bei Verschreibung oder Anwendung von Arzneimitteln verursacht wurden.
Dass ein vielleicht verwirrter älterer Patient seine Pillen verwechselt ist nur eine Möglichkeit. Vielleicht hat auch ein überlasteter Arzt eine falsche Dosis verordnet, jemand zwei ähnlich aussehende Packungen vertauscht oder zwei Mediziner unabhängig voneinander etwas verschrieben haben, was sich nicht miteinander verträgt. Mögliche Fehlerquellen gibt es genug, zu Hause wie im Krankenhaus.
Internationale Studien kämen zu dem Ergebnis, dass rund 80 Prozent aller Behandlungsirrtümer in Kliniken bei der Gabe von Medikamenten passieren, sagt Prof. Schölmerich. Je nach Schätzung kommt es bei zwei bis zehn Prozent aller Medikamentengaben im Krankenhaus zu Fehlern. Das reicht von der eher unwichtigen wie die Einnahme zur falschen Uhrzeit bis zur potenziell tödlichen Verwechslung zweier Herr Müllers.
In Frankfurt beschäftigt sich schon seit 2013 eine Arbeitsgruppe mit dem Thema Arzneimittelsicherheit. Prof. Sebastian Harder, Vorsitzender der Arzneimittelkommission des Uniklinikums Frankfurt, zählt auf, was inzwischen gemacht wird. Das Programm könnte deutschlandweit Schule machen. Neuester Baustein: Patienten werden mit einem Flyer ermutigt, sich zu melden, wenn ihnen etwas komisch vorkommt.
Fehler und Beinahe-Fehler der Mitarbeiter werden – anonym und freiwillig – in einem Register gesammelt. Ende des Jahres soll die Technik mithelfen, dass Menschen weniger Fehler machen: Alle Verordnungen werden als Teil der elektronischen Patientenakte in ein System eingespeist. Das Computerprogramm schlägt Alarm, wenn der Patient das falsche Medikament bekommt, etwas nicht richtig dosiert ist oder sich verschiedene Präparate nicht miteinander vertragen.
60 000 Medikamente sind in Deutschland erhältlich. Die Uniklinik-Apotheke führe zwar nur 2000, sagt deren Leiter Nils Keiner, aber auch hier gebe es noch genug Verwechslungsgefahr. Ceftazidim, Cefazolin, Cefuroxim, Ceftriaxon – vieles sieht ähnlich aus oder klingt ähnlich. Damit niemand zur falschen Packung greift, entscheidet sich die Klinik-Apotheke oft für jene Hersteller, deren Verpackungen möglichst unterschiedliche Farben haben.
2016 geht die Uniklinik vielleicht dazu über, die Medikamente für jeden einzelnen Patienten individuell zu verpacken und zu beschriften. Dann kann sich die Stationsschwester beim Befüllen der Morgens-Mittags-Abends-Schachteln nicht mehr vertuen. Eine Fehlerquelle hat der Patient selbst in der Hand: sich selbst. Ältere oder chronisch kranke Patienten sollten einen Medikamentenausweis bei sich tragen, aus dem hervorgeht, was sie einnehmen. Das empfiehlt auch das 2005 gegründete Aktionsbündnis Patientensicherheit.
Text: dpa / fw