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Befürworten Ärzte zu selten eine spontane Geburt nach Kaiserschnitt?

Mediziner raten Frauen, die bereits eine oder mehrere Kaiserschnittentbindungen hinter sich haben, oft von einer spontanen Geburt ab.

Mediziner raten Frauen, die bereits eine oder mehrere Kaiserschnittentbindungen hinter sich haben, oft von einer spontanen Geburt ab.

Zu groß ist die Angst der Ärzte vor einer Uterusruptur, bei der die alte Nahtstelle an der Gebärmutter durch die Wehenbelastung aufreißt und so das Leben von Mutter und Kind gefährden könnte. Die Gefahr einer Ruptur werde dabei massiv überschätzt und nehme den Müttern den Mut für eine spontane Geburt, sagt Dr. med. Bärbel Basters-Hoffmann, Kreißsaal-Oberärztin im St. Elisabethen-Krankenhaus Lörrach. “Selbst nach mehreren Kaiserschnittgeburten erhöht sich das Risiko nur um etwa bis zu zwei Prozent”, betont sie. In der Fachzeitschrift Die Hebamme (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2016) plädiert die Gynäkologin dafür, Schwangere in ihrem Wunsch nach einer natürlichen Geburt zu bestärken und so dem Trend zu immer mehr Kaiserschnitten entgegenzuwirken.

“Nur wenige Risikokonstellationen sprechen tatsächlich gegen eine Vaginalgeburt nach vorangegangenem Kaiserschnitt”, sagt Basters-Hoffmann und verweist auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Auch diese sehen einen erneuten Kaiserschnitt in den meisten Fällen nicht als zwingend an. Als riskant gelten etwa ein sehr kurzer Abstand von weniger als einem Jahr zur Sectio, bestimmte Schnittführungen und auch eine vorangegangene Ruptur der Gebärmutter. Außerdem ist ein Kaiserschnitt auch dann anzuraten, wenn anatomische Gegebenheiten, die die erste Geburt unmöglich gemacht haben, fortbestehen.

In der Mehrzahl der Fälle ist es nach Ansicht der Lörracher Gynäkologin jedoch gut zu verantworten, eine Spontangeburt zu versuchen. Das bestätigen auch Zahlen aus dem Freiburger Diakonie-Krankenhaus, wo nach der ersten Sectio nicht automatisch ein erneuter Kaiserschnitt vorgenommen wird. Im Jahr 2014 wurde hier nur bei einem Viertel der betroffenen Schwangeren ein weiterer Kaiserschnitt geplant. Bei den übrigen Frauen wurde eine Spontangeburt angestrebt, was bei immerhin 52 Prozent von ihnen auch gelang. Eine Notsectio wurde nur bei zwei Prozent der Schwangeren notwendig. Voraussetzung für den Versuch einer Vaginalgeburt ist gemäß den Leitlinien allerdings eine genaue Überwachung und die Möglichkeit, jederzeit eine Sectio vornehmen zu können.

Um gar nicht erst in den Teufelskreis von Sectio und Re-Sectio einzutreten, plädiert Basters-Hoffmann dafür, bereits den Entschluss zu einem ersten Kaiserschnitt nicht zu leicht zu fällen. Dazu ist ihrer Ansicht nach eine andere Haltung gegenüber der Schwangerschaft und der Geburt insgesamt notwendig. Denn häufig liegt der Grund für den Kaiserschnitt nicht in den körperlichen Voraussetzungen von Mutter und Kind oder einer drohenden Eskalation des natürlichen Geburtsverlaufs. “Oft sind es erst die Maßnahmen in der Klinik, die die Indikation für einen Kaiserschnitt herbeiführen”, sagt die erfahrene Ärztin. Die Sectio sei häufig das Ende einer Interventionskaskade. An deren Beginn stehe nicht selten die Geburtseinleitung bei Terminüberschreitung, bei fraglich sehr großem oder kleinem Kind oder bei suspektem CTG, so die Gynäkologin. Nach der Einleitung werde der Geburtsbeginn seitens der Ärzte oft schneller erwartet, als er dann tatsächlich eintritt. Deshalb gehöre die Diagnose einer “protrahierten”, also verzögerten Geburt zu den häufigsten Kaiserschnittindikationen. “Dabei gibt es aber gar keine allgemeingültigen Zahlen zur idealen Dauer einer Geburt”, betont Dr. Basters-Hoffmann und rät vor allem Ärzten zu mehr Geduld: “Eine Geburt ist kein linearer Prozess. Sie kann in Zirkeln mit Pausen verlaufen”, erklärt sie. Diese müssten der werdenden Mutter und ihrem Kind eingeräumt werden. Nur dann könnten sie sich die körperlichen Ressourcen einteilen und sich auch mental auf die Geburt einstellen.

Quelle: Basters-Hoffmann: Aus eigener Kraft gebären – trotz Kaiserschnitt
Die Hebamme 2016; 29 (3); S. 218–224