“Zauberkugeln” schwebten ihm vor: Heilmittel, die Krankheitserreger zielgerichtet und ohne Nebenwirkungen bekämpfen. Der Arzt Paul Ehrlich erforschte die Mechanismen der körperlichen Abwehr. Zum 100. Todestag des Nobelpreisträgers von 1908 zeichnet nun eine Sonderausstellung im Medizinhistorischen Museum des Berliner Uniklinikums Charité sein Leben und Arbeiten nach. Sie wird am Mittwoch eröffnet.
Am Ort der Ausstellung, auf dem Charité-Gelände in Berlin-Mitte, arbeitete und forschte Ehrlich zu Beginn seiner Laufbahn. Das Labor habe er der Arbeit am Krankenbett allerdings vorgezogen, sagt Kuratorin Kirsten Weining. Doch der Klinikalltag war Triebfeder seiner Forschung: Als Zeitgenosse Robert Kochs erlebte Ehrlich Neuentdeckungen von Krankheitserregern mit – und die Bevölkerung drängte auf Heilmittel.
Wie er zu helfen versuchte, zeigt die Schau detailgetreu. Sie porträtiert ihn zu Beginn fast lebensgroß inmitten meterhoher Bücher- und Schriftenstapel und präsentiert zahlreiche seiner oft selbst entwickelten medizinischen Gerätschaften. Doch es gab auch ein Leben abseits der Medizin: Mit Zigarre und Krimi zog er sich nur zu gern zurück, wie Museumsdirektor Thomas Schnalke erzählt.
Mit detektivischem Gespür und exakt bis ins Detail habe Ehrlich auch selbst gearbeitet, sagt Weining. “Aber er hat auch sehr viel ausprobiert.” Ohne Tierversuche ging das auch im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht: Feldmäuse und später dann weiße Mäuse sowie Meerschweinchen mussten in Ehrlichs Laboren für Tests herhalten.
Der Titel der Schau, “Arsen und Spitzenforschung”, spielt nicht nur auf den Film “Arsen und Spitzenhäubchen” an. Ehrlich entwickelte 1910 ein arsenhaltiges Heilmittel gegen die Syphilis: Salvarsan. Es gilt als erstes systematisch entwickeltes, synthetisches Antibiotikum.
Anders als in der Vision der “Zauberkugel” vorgesehen blieb es aber ganz und gar nicht ohne Nebenwirkungen. Dennoch gilt Ehrlich heute als Begründer der Chemotherapie gegen Krankheitserreger. Ein Durchbruch gegen die Kinderkrankheit Diphtherie war ihm zuvor zusammen mit Emil von Behring gelungen.
Ehrlich profitierte auch von Errungenschaften der Zeit, wie künstlichen Farbstoffen, sagt Kuratorin Weining. Sie halfen ihm etwa, bei Versuchen Unterschiede zwischen weißen Blutzellen zu erkennen. Denn die neuen Farben banden charakteristisch an bestimmte Strukturen in den Zellen – anders als die bisher genutzten pflanzlichen. Bei seinen Deutungen habe er aber nicht immer richtig gelegen, erläutert Weining.
Weit entfernt von den Möglichkeiten heutiger Mikroskope zeichnete Ehrlich seine Beobachtungen. Die im Anklang an seine Versuche bunt und spielerisch gestaltete Schau stellt diese Sichtweisen gegenüber. Den inhaltlich manchmal harten Tobak lockern “Homestorys” auf, wie Weining sagt. Die Schau schließt – als stünde man in Ehrlichs Wohnzimmer – mit einer Regalwand voller Auszeichnungen im Comicstil.
Daneben, in echt: Die handgemalte Nobelpreis-Urkunde. Ehrlich erhielt sie für seine Seitenkettentheorie, mit der er die Bildung von Antikörpern erklärt. Entwickelt hat er sie an seiner späteren Wirkungsstätte in Frankfurt/Main. Dorthin zieht die Schau im Oktober.
Text und Foto: dpa /fw