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Aufmerksame Gastroenterologen für Betroffene ein Glücksfall?

Wenn bei einem Patienten ein thromboembolisches Ereignis im Splanchnikusgebiet festgestellt wird, kann das bekanntlich viele Ursachen haben. Wohl aufgrund ihrer Seltenheit wird die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) als mögliche Differentialdiagnose dabei nicht immer in Erwägung gezogen.

PNH als Ursache für Splanchnikusvenenthrombosen

Wenn bei einem Patienten ein thromboembolisches Ereignis im Splanchnikusgebiet festgestellt wird, kann das bekanntlich viele Ursachen haben. Wohl aufgrund ihrer Seltenheit wird die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) als mögliche Differentialdiagnose dabei nicht immer in Erwägung gezogen.

Für die betroffenen Menschen ist das fatal – könnte eine entsprechende Abklärung und rechtzeitige Behandlung dieser lebensbedrohlichen Erkrankung ihnen doch ein langes und weitgehend beschwerdefreies Leben ermöglichen.

Als ernste Komplikation der PNH kann die Splanchnikusvenenthrombose (SVT) an verschiedenen und auch multiplen Stellen lokalisiert sein und damit die Leber-, Milz-, Portal- und/ oder Mesenterialvenen betreffen.(1,2) Bei Patienten mit Budd-Chiari-Syndrom  wird sogar in bis zu 19 Prozent ein PNH-Klon detektiert.(3)

Tückisch und tödlich

Thromboembolische Ereignisse im Splanchnikusgebiet sind bei PNH-Patienten mit einer hohen Sterblichkeit assoziiert.(4) Laut MEDLINE Database Review (1953 to 2006) findet sich beispielsweise eine Letalität von 38 Prozent bei Mesenterialvenenthrombosen, 32 Prozent bei Lebervenenthrombosen und 27 Prozent bei Thrombosen der Vena cava inferior. Venöse Thrombosen sind mit 40-67 Prozent hier auch die Haupttodesursache.(5)

29-44 Prozent der PNH-Betroffenen durchleben im Krankheitsverlauf zumindest ein thrombembolisches Ereignis,(6) wobei die Patienten ab diesem Zeitpunkt eine 4-Jahres-Überlebensrate von lediglich 40 Prozent haben.(18)

Wohl auch aufgrund einer solchen Datenlage wird in den Clinical Practice Guidelines der European Association for the Study of the Liver (EASL) empfohlen, Patienten mit Budd-Chiari-Syndrom oder Portalvenenthrombose ohne zugrundeliegende Lebererkrankung auf PNH zu testen.(7)  Bei der Portalvenenthrombose sollte zuvor eine zirrhotische und maligne Hepatopathie ausgeschlossen werden.(7,16,17)

Breite Palette von Symptomen

Neben der SVT sollten aber auch andere gastroenterologische Symptome an eine paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie denken lassen: Hier vor allem abdominelle Schmerzkrisen unklarer Genese, eine Dysphagie oder aber eine anderweitig nicht erklärbare Eisenmangelanämie – jeweils in Kombination mit labortechnischen Anzeichen einer Hämolyse.(8-10)

Darüber hinaus präsentieren Patienten mit dieser seltenen Erkrankung häufig auch andere Auffälligkeiten wie venös-arterielle Thrombosen in unterschiedlichen Körperregionen, Knochenmarksdysfunktion bzw. Zytopenie, Coombs-negative hämolytische Anämie, Hämoglobinurie, Nierenfunktionsstörungen, pulmonalen Hochdruck, Dyspnoe, Kopfschmerzen, Schwindel, Fatigue oder erektile Dysfunktion.(11,16)

Die Diagnose einer PNH wird heute primär mittels Durchflusszytometrie gesichert, wobei als Probe EDTA- Blut ausreicht – die Entnahme von Knochenmark ist nicht nötig.

Allzu häufig unentdeckt

Bei der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie handelt es sich um eine erworbene Störung der hämotopoetischen Stammzellen, die durch eine somatische Mutation im sogenannten PIG-A-Gen ausgelöst wird. Die unkontrollierte Aktivierung des Komplementsystems führt zur kontinuierlichen intravaskulären Hämolyse, Thrombophilie und Zytopenie und damit zu dem oben genannten Spektrum an potenziellen multisystemischen Krankheitszeichen. Supportive Maßnahmen können Linderung bringen, ändern aber nichts an der insgesamt schlechten Prognose, bei welcher mehr als ein Drittel der Patienten innerhalb von 5 Jahren nach Diagnosestellung stirbt.(12)

Der Verlauf ist zumeist chronisch-progredient mit gelegentlichen Schüben, betrifft alle Altersstufen und ist nicht geschlechtsspezifisch.

Die wenig charakteristischen Manifestationen und eine jährliche Inzidenz von nur 1,5-2 Fällen pro 1 Million Einwohner erschweren eine zuverlässige Detektion und führen dazu, dass Betroffene oft jahrelang leiden oder frühzeitig versterben, ohne dass die Erkrankung überhaupt identifiziert wurde.(11)

Dieses ist besonders bedauerlich, als dass bei der PNH seit nunmehr 10 Jahren eine hocheffektive Therapie zur Verfügung steht, die den Erkrankten eine nahezu normale Lebenserwartung und beste Symptomkontrolle ermöglichen kann.(2, 13)

Frühzeitige Therapie verändert gesamten Verlauf

Eculizumab ist das erste und einzig zugelassene spezifische Arzneimittel zur Behandlung der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie.(14) Der durch rekombinante DNA-Technologie hergestellte humanisierte monoklonale Antikörper blockiert dabei das terminale Komplementprotein C5 und zeigte in mehreren Studien eine Reduktion thromboembolischer Ereignisse sowie eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität.(13, 15)

Auch die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) rät in ihrer aktuellen Leitlinie bei symptomatischen PNH-Patienten zur Einleitung einer Eculizumab-Therapie, wobei sie insbesondere die signifikante Reduktion der Morbidität und die deutliche Verlängerung der Lebenserwartung hervorhebt.(16)

Interdisziplinäre Herausforderung

Bevor die Diagnose aber steht, haben die Erkrankten häufig bereits eine lange Odyssee durch die verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen hinter sich – und durch diese Verzögerung oft auch schon irreversible Organschäden.(11) Je nach individuellen Beschwerden wenden sich viele Betroffene zunächst an den Neurologen, Ophthalmologen oder Urologen. Und auch beim Hausarzt oder internistischen Spezialisten werden bei kardialen, renalen, pulmonalen oder gastrointestinalen Symptomen richtigerweise zunächst die häufigen Ursachen ausgeschlossen – bevor man eventuell zu solchen Exoten wie der PNH übergeht.

Vieles hängt für diese Patienten davon ab, ob ihr behandelnder Arzt während der Untersuchung hellhörig wird und diese sehr seltene und verhängnisvolle Erkrankung überhaupt in die differentialdiagnostischen Überlegungen einschließt. Hier sind explizit auch die Gastroenterologen und Hepatologen gefragt.

Referenzen:
1. Hillmen P et al. Blood 2007;110:4123-8
2. Kelly RJ et al. Blood 2011;117:6786-92
3. Darwish Murad S et al., Annals of internal medicine 2009;151:167-75
4. Ziakas PD et al. Journal of thrombosis and haemostasis 2007;5:642-5
5. Hill A et al. Blood. 2013;121:4985–4996
6. Hillmen P et al., Blood 2007;110:4123-4128
7. EASL Clinical Practice Guidelines: Vascular diseases of the liver. J Hepatol (2015),
8. Borowitz MJ et al. Cytometry B ClinCytom 2010;78:211-30
9. Schrezenmeier H et al. Journal of Laboratory Medicine 2011;35:315-27
10. Rother RP et al. JAMA 2005;293:1653-62
11. Sahin F. et al. Am J Blood Res. 2015; 5(1): 1–9.
12. Hillmen P et al., N Engl J Med 1995;333:1253-8
13. Hillmen P et al. Br J Haematol 2013;162:62-73
14. Soliris® Fachinformation
15. Brodsky R et al. Blood. 2008;111:1840–1847
16. Schubert J et al.: http://www.dgho-onkopedia.de/onkopedia/leitlinien/paroxysmale-
naechtliche-haemoglobinurie-pnh
17. DeLeve LD et al., Hepatology 2009;49:1729-64
18. Socié G et al. Lancet. 1996 Aug 31; 348(9027):573-7.