Die Medizin wird weiblicher. Rund jeden zweiten Studienplatz für Allgemeinmedizin hat heute eine Studentin inne. Zahlen der Bundesärztekammer zufolge steigt der Anteil der Frauen unter den Ärztinnen seit Jahren kontinuierlich an. Gemessen an der Gesamtzahl der berufstätigen Ärzte erhöhte sich ihr Anteil im Jahr 2015 auf 46,0 Prozent im Vergleich zu 33,6 Prozent im Jahr 1991. Trotzdem mangelt es offenbar an Chancengleichheit im Arztberuf; Frauen steigen weniger schnell auf als ihre männlichen Kollegen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Online-Umfrage von esanum unter 135 Ärzten. Jeweils die Hälfte der Teilnehmer war männlich und weiblich.
65 Prozent der befragten Ärzte (Männer und Frauen) sind der Meinung, dass Frauen nicht die gleichen Aufstiegschancen im Arztberuf besitzen wie Männer. Besonders Ärztinnen fühlen sich zurückversetzt: 84 Prozent der weiblichen Ärzte bemängeln ihre Berufschancen, während nur 47 Prozent der männlichen Ärzte die Aufstiegschancen für Frauen für schlechter halten.
Auf die Frage, ob die Befragten schon einmal Diskriminierung von Ärztinnen im Berufsalltag erlebt hätten, antworteten 64 Prozent der weiblichen Ärzte mit "Ja". Sie hätten schon einmal Diskriminierung erlebt, während nur 22 Prozent der männlichen Kollegen diese Erfahrung teilen. Keine signifikanten Unterschiede gibt es bei den im Krankenhaus oder in einer Praxis tätigen Medizinern. Mehr als die Hälfte der Befragten nennt als konkrete Diskriminierungsbeispiele, dass eine Ärztin bei einer Beförderung trotz gleicher Qualifikation übergangen wurde. Auch bei Einstellung und Bezahlung gibt es in der Wahrnehmung der Ärzte Unterschiede zulasten von Frauen. Schwierige Behandlungen würden absichtlich an männliche Ärzte vergeben, sagte rund ein Drittel der Befragten.
Schwierigkeiten scheint es bei der Vereinbarung von Familie und Kind mit dem Arztberuf zu geben. So antworteten 68 Prozent der Umfrageteilnehmer, der Arztberuf ermögliche Frauen und Männern nicht gleichermaßen eine Familie zu gründen. Ärztinnen seien hier benachteiligt. Deutlich mehr Medizinerinnen vertreten diese Auffassung als ihre männlichen Kollegen.
Eine geringe Rolle spiele das Geschlecht eines Arztes dagegen für Patienten, meinten zumindest die befragten Ärzte. Lediglich 28 Prozent halten dieses für wichtig oder sehr wichtig.