Die leitliniengerechte Therapie meist älterer, multimorbider Patienten führt zwangsläufig zur Polymedikation. Dies birgt letztlich ein steigendes Risiko für unerwünschte Medikamenteninteraktionen und Nebenwirkungen. Zwar sind nicht alle diese Interaktionen klinisch relevant, doch sollten Ärzte durchaus Rat beim Pharmakologen suchen, um Arzneimittelinteraktionen besser vorhersagen und frühzeitig auf mögliche Risiken reagieren zu können.
Schmerzpatienten sind häufig auf eine längerfristige oder sogar chronische Medikation angewiesen. Je nach Alter und Komorbiditäten sind Arzneimittelkombinationen zwangsläufig unvermeidbar. Dann ist es umso wichtiger, die pharmakokinetischen und die pharmakodynamischen Interaktionen dieser Medikamente mit den verordneten Analgetika zu kennen.
Unerwünschte pharmakodynamische Arzneimittelwirkungen, die in der Kombination mit Schmerzmitteln auftreten können, sind z. B. das Serotoninsyndrom, Leber- und Nierenschäden, zentralnervöse Störungen sowie Blutungsneigung und Blutbildveränderungen wie die Agranulozytose.
So steigt beispielsweise das Risiko für das unerkannt lebensbedrohliche Serotoninsyndrom bei der Kombination von Opioiden (Fentanyl, Oxycodon, Tramadol) mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)- und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI)-Antidepressiva.
Hepatotoxische Effekte sind zudem von Flupirtin und Paracetamol in Kombination mit Agomelatin und Carbamazepin bekannt. Besonders riskant sind darüber hinaus folgende Dreierkombinationen bestehend aus einem NSAR, einem ACE-Hemmer und Diuretika. Dies kann zu einer rapiden Verschlechterung der Nierenfunktion bis hin zum akuten Nierenversagen führen.
Opioide im Allgemeinen verstärken sedative Effekte zentraldämpfender Medikamente, wie z. B. der Benzodiazepine. Und die NSAR/COX2-Inhibitoren erhöhen das Blutungsrisiko bei der gleichzeitigen Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern sowie oralen Antikoagulanzien und einiger Antidepressiva.
Cave: Die Kombination aus Ibuprofen und ASS sollte unbedingt vermieden bzw. eine kontrollierte, versetzte Einnahme vorgeschrieben werden, da bei dieser Kombination ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht! Prüfen Sie also, ob Ihr Patient/Ihre Patientin ASS in Selbstmedikation einnimmt oder diese zur Blutverdünnung von einem anderen Facharzt verschrieben bekommen hat. Fragen Sie notfalls direkt nach!
Pharmakokinetische Wechselwirkungen führen zur Steigerung oder Abschwächung der Wirkung eines Medikamentes durch die Wechselwirkung mit einem zweiten Medikament. Grund dafür sind metabolische Veränderungen, die primär aus einer Beeinflussung von Stoffwechselenzymen resultieren.
Analgetika sind z. B. durch die Kombination mit CYP-Hemmern in ihrer Wirkung eingeschränkt, was sogar bis zum Therapieversagen führen kann. Niederpotente Opioide (Codein, Tramadol) müssen im Körper zuerst in die analgetisch wirksamen Substanzen metabolisiert werden. Das dafür verantwortliche Enzym CYP2D6 in der Leber kann durch verschiedene CYP2D6-inhibierende Medikamente (Bupropion, Fluoxetin, Paroxetin) beeinflusst werden. Dadurch wird die Bioaktivierung der Schmerzmittel beeinträchtigt, woraufhin die analgetische Wirkung abgemildert wird oder sogar ganz ausbleibt.
Interaktionen zwischen Analgetika und anderen Medikationen sind in der Praxis insbesondere beim älteren, multimorbiden Patienten immer relevant. Durch eine sorgfältige – d. h. unter Einbeziehung eines Pharmakologen – Medikamentenauswahl sowie durch geeignete Dosisanpassungen kann arzneimittelbezogenen Risiken vorgebeugt werden. Sollte dennoch aufgrund mehrerer leitlinienorientierter Medikationen die Risikokombination unumgänglich sein, so ist der Patient engmaschig nachzukontrollieren.
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