In Deutschland gibt es nach Ansicht des AOK-Bundesverbands zwar viele Ärzte, diese sind aber ungleichmäßig verteilt. Die Zahlen lägen bei allen Arztgruppen über dem “Soll”. Selbst im hausärztlichen Bereich habe es 2015 einen Gesamtversorgungsgrad von rund 110 Prozent gegeben. Dies geht aus dem Ärzteatlas 2016 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK hervor, der am Dienstag vorgestellt wurde.
Unter 34 Staaten liegt Deutschland laut AOK-Atlas mit 4,1 praktizierenden Ärzten je 1000 Einwohner auf Platz 5. Die Arztdichte in Deutschland habe zwischen 1991 und 2015 um knapp 50 Prozent zugenommen. Im Jahr 2015 kamen dem Ärzteatlas zufolge 456 berufstätigen Ärzten auf 100 000 Einwohner, 1991 waren es noch 304 Ärzte.
Es gibt laut AOK zwar genügend Ärzte, diese sind aber schlecht verteilt. Einer Unterversorgung in einigen Landstrichen stehe eine Überversorgung insbesondere in Ballungsgebieten oder in für Ärzte attraktiven Regionen gegenüber, bekräftigte der AOK-Verband langjährige Klagen der Kassen. Sie befürchten, dass mit der Überversorgung in Ballungsräumen mehr Nachfrage verbunden ist und damit höhere Kosten.
Das Problem der Unterversorgung könnte sich angesichts der Altersstruktur insbesondere bei Hausärzten in den kommenden Jahren in einigen Regionen zuspitzen. Diese bekommen nämlich oft keine Nachfolger für ihre Praxen. In ländlichen Regionen südlicher Bundesländer klagen bereits Bürgermeister und Landräte darüber, dass ihre mittelständischen Unternehmen nur noch schwer Fachkräfte fänden, weil diese nicht in eine Region ziehen wollen, in der Haus- oder Kinderärzte fehlen.
Grundsätzlich kann sich der Arzt als Freiberufler niederlassen, wo er will. Allerdings gibt es für jede Region eine Bedarfsplanung. Über den Bedarf an Niederlassungen in einer Region entscheiden die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen. Von diesem Bedarf hängt also letztlich ab, ob sich ein Arzt in einer Region niederlassen kann oder nicht.
Die Bundesregierung hat zuletzt mit dem Versorgungsstärkungsgesetz zusätzliche Anreize geschaffen, mehr Mediziner in ländliche Regionen zu bekommen. Zudem soll das Medizinstudium im “Masterplan Medizinstudium 2020” praxisnäher und so reformiert werden, dass mehr Studierende eine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin, also eine klassische Hausarztausbildung, anstreben.
Der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Roland Stahl, verwies auf eigene Statistiken, die zu anderen Ergebnissen kommen. Der AOK-Ärzteatlas berücksichtige aktuelle Trends wie zunehmende Anstellung von Vertragsärzten und Teilzeitbeschäftigungen nicht. Im übrigen gehe die Zahl der Ärzte in grundversorgenden Fächern wie der Allgemeinmedizin oder bei Frauen- und Kinderärzten weiter zurück.
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, hielt dem AOK-Verband entgegen: “Hausärzte in Ballungsgebieten versorgen häufig auch Patienten aus den umliegenden ländlichen Regionen mit.”