Könnte Winterschlaf das Altern verlangsamen? Logo of esanum https://www.esanum.de

Das Anti-Aging-Geheimnis der Murmeltiere

Der Winterschlaf hält epigenetische Alterungsprozesse auf, was einigen Tieren ein langes Leben verleiht. Ließe sich ein ähnlicher Ruhezustand auch für die Humanmedizin nutzen?

Was hat Winterschlaf mit dem Alterungsprozess zu tun?

Winterschlaf-Alterungs-Hypothese: Alterung zeitweilig aussetzen

Die Forschenden untersuchten Blutproben von Murmeltieren, die über mehrere Sommersaisonen gesammelt wurden und stellten fest, dass ihr epigenetisches Alter während der aktiven Saison zunimmt, während des Winterschlafs sistiert und in der nächsten Sommersaison wieder zunimmt. Diese aktuell in Nature Ecology & Evolution erschienene Studie ist nur die Aktuellste innerhalb eines von der UCLA koordinierten Großprojektes, dem "Mammalian Methylation Consortium", an dem fast 200 Forschenden aus der ganzen Welt beteiligt sind. Der Organisator, Prof. Steven Horvath, entwickelte 2013 den "epigenetic clock"-Analyseprozess. Ausgehend von der DNA-Methylierungsstufe ist mittels diesem das Alter der meisten Gewebe und Zellen bestimmbar.3

Im Winterschlaf wechseln sich lange Zyklen der Stoffwechselsuppression (Torpor) und kurze Perioden erhöhter Stoffwechselrate regelmäßig ab. In dem physiologischen Schlafzustand des Torpors sinken Körpertemperatur, Atmung und Energiebedarf der Tiere drastisch. Obwohl sie stattliche 5–6 kg wiegen, kommen sie in diesen Phasen mit einer Verbrennung von 1 g Fett pro Tag aus. Die Stoffwechselrate ist als Korrelat der Langlebigkeit bekannt. Kalorienrestriktion, die zudem zwangsläufig mit einer Winterruhe einhergeht, ist unabhängig davon in vielen Studien mit einer längeren Lebensdauer in Verbindung gebracht worden.

Ergebnisse relevant für Anti-Aging-Forschung und Medizin

Frühere Arbeiten ließen bereits vermuten, dass Prozesse, die die Übergänge zwischen den Energiesparperioden und den kurzen Aufwachperioden steuern, die Unterdrückung der Alterung verursachen. Einige der physiologischen Stressoren, denen Individuen während des Winterschlafs ausgesetzt sind, ähneln denen des Alterns, und daher könnten die molekularen und physiologischen Prozesse, die ein Individuum für einen erfolgreichen Winterschlaf benötigt, auch das Altern aufhalten. 

Die UCLA-Forschenden sehen hierin eine Erklärung dafür, warum die durchschnittliche Lebensspanne eines Murmeltiers länger ist, als man aufgrund seines Körpergewichts erwarten würde. "Die Tatsache, dass wir diese reduzierte Alterung während des Winterschlafs in einer Wildpopulation nachweisen können, bedeutet, dass die Wirkung des Winterschlafs auf die Verlangsamung der Alterung wirklich stark ist", sagt einer der Leiter des Labors, Prof. Daniel T. Blumstein.1

Die Forschenden sehen potenzielle biomedizinische Vorteile darin, einen solchen Winterschlaf-Zustand bei Menschen oder menschlichen Zellen herbeizuführen – zum Beispiel bei Organtransplantationen. Ein weiteres Feld des Interesses sind Langzeit-Weltraummissionen. Ob es hypothetischen Astronauten2, die in therapeutischer Hypothermie und mit abgesenkter Stoffwechselrate, abgeschirmt von Stressoren, sechs Monate zum Mars reisen, dann auch so erginge, wie den Freiwilligen im Film "Interstellar" oder in Brian Mays Song "39", bleibt abzuwarten (sie kehren nach langer Zeit zurück und ihre Bezugspersonen sind älter geworden oder gestorben und in ihrer Heimat ist nichts mehr so, wie es war, während sie selbst nicht gealtert sind). Es gibt außerdem bereits Evidenz von Nagetieren und humanen Zellen dafür, dass der Winterschlaf vor Strahlenschäden schützt.

Das Team hofft auch, durch weitere Arbeiten detaillierte Erklärungen dafür zu finden, warum manche Individuen schneller altern als andere und Biomarker für Alterung zu identifizieren. 

Referenzen: