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Braucht Deutschland ein Antikorruptionsgesetz?

Die Bundesregierung will Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen künftig mit Geldstrafen und bis zu drei Jahren Gefängnis bestrafen. In besonders gravierenden Fällen sollen dem Gesetzent

Die Bundesregierung will Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen künftig mit Geldstrafen und bis zu drei Jahren Gefängnis bestrafen.

In besonders gravierenden Fällen sollen dem Gesetzentwurf zufolge sogar fünf Jahre Freiheitsentzug möglich sein. Das ist der Inhalt des so genannten Antikorruptionsgesetzes, das derzeit den Gesetzgebungsprozess in Bundestag und Bundesrat durchläuft.

Die Bundesregierung unter Federführung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz von Heiko Maas (SPD) argumentiert, dass “Korruption im Gesundheitswesen den Wettbewerb” beeinträchtige, “erhebliche Kostensteigerungen” verursache und “das Vertrauen der Patienten in eine von unlauteren Zuwendungen unbeeinflusste Gesundheitsversorgung” negativ beeinflusse.

Das Gesetz soll in zwei Richtungen wirken: Es stellt Bestechung von Ärzten und anderen Angehörigen eines Heilberufs wie Apotheker, Physiotherapeuten oder Pflegekräfte unter Strafe. Gleichzeitig machen sich diejenigen strafbar, die sich bestechen lassen.

Wie steht die Pharmaindustrie zu dem Gesetz? In einem Gastbeitrag argumentiert Anna Wierzchowski, Rechtsanwältin beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) e.V., dass der vorliegende Gesetzeentwurf neue Unsicherheit schaffe und Kooperationen der Unternehmen mit Ärzten unter einen Generalverdacht stelle. Sie vermisst klare Regelungen, was künftig noch erlaubt ist.


Gastbeitrag: “Antikorruptionsgesetz führt zu Rechtsunsicherheit”

Von Anna Wierzchowski (BAH)

Die Antwort auf die Frage: “Brauchen wir ein Antikorruptionsgesetz?” hat uns der Gesetzgeber, als er Anfang des Jahres 2015 den Referentenentwurf zum Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vorlegte, gegeben.

Interview mit Anna Wierzchowski (BAH)

Anna Wierzchowski (BAH)

Das “Bedürfnis” nach einem Gesetz, das Korruption im Gesundheitswesen sanktioniert, kam auf, als der Große Strafsenat im Bundesgerichtshof in einem Verfahren auf eine Gesetzeslücke hinwies, die es bis dato erschwerte, Bestechung/Bestechlichkeit im Gesundheitswesen zu bestrafen. Es war folgerichtig und geradezu notwendig, dass der Gesetzgeber der Aufforderung des Großen Strafsenats vom 29. März 2012 nachkam. Darüber hinaus setzten die Oppositionsparteien die Regierungen der letzten beiden Legislaturperioden diesbezüglich unter Handlungsdruck.

Einer möglichen Korruption im Allgemeinen und im Gesundheitswesen im Besonderen ist strikt vorzubeugen. Damit schließt sich der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) in die Reihe derer ein, die die Vorgehensweise des Gesetzgebers für konsequent erachten. Voraussetzung für eine wirksame Korruptionsbekämpfung sind in erster Linie jedoch klare rechtliche Regelungen und Vorgaben für die handelnden Personen und ein entsprechendes Bewusstsein dafür, dass Entscheidungen im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung, der Therapie, Versorgung und Beschaffung unbeeinflusst erfolgen müssen.

Die Gesetzesbegründung weist ausdrücklich darauf hin, dass Kooperationen, die forschungs- und gesundheitspolitisch wünschenswert sind, nicht unter einen Generalverdacht der Bestechlichkeit und Bestechung geraten sollen. Im nun seit Sommer vorliegenden Regierungsentwurf gibt es jedoch noch zu viele Rechtsunsicherheiten und Gefahren, die sehr wohl dazu führen könnten, dass Kooperationen zumindest unter einen Anfangsverdacht gestellt werden. Damit würde nicht nur leichtfertig das Vertrauensverhältnis des Patienten gestört, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den Angehörigen der Heilberufe und Dritten verhindert werden, die – wie bereits erwähnt – wünschenswert ist. Der Appell an den Gesetzgeber lautet daher von unterschiedlichen Seiten, den Wortlaut des § 299a StGB im Sinne des Bestimmtheitsgebots zu modifizieren/optimieren.

Was ist erlaubt und was nicht?

Das im Grundrecht verankerte Bestimmtheitsgebot verlangt, dass alle staatlichen Aktionen ein Minimum an Messbarkeit und Voraussehbarkeit aufweisen. Dem Einzelnen muss anhand des Gesetzestextes deutlich werden, was erlaubt ist und was nicht.  Dies gilt für den Tatbestand und ebenso für die Rechtsfolge.

Bezogen auf die neuen Straftatbestände der §§ 299a, b StGB wird das eben erwähnte Gebot vermisst. Es ist anhand des Gesetzeswortlauts eben nicht erkennbar und vorhersehbar, welche Tathandlung strafrechtlich sanktioniert wird. Dies folgt unter anderem dem Umstand, dass der Wortlaut im Gesetz auf Berufsordnungen der Heilberufler Bezug nimmt.

Da bundesweit unterschiedliche Berufsordnungen existieren, die sowohl je Berufsstand (Arzt, Apotheker, etc.), aber auch innerhalb des Berufsstandes (Ärztekammer Nordrhein, Ärztekammer Niedersachsen) unterschiedliche Rechte, Pflichten und Obliegenheiten statuieren, ist nicht ersichtlich, welches Verhalten zu einer Strafbarkeit führen könnte.

Sicherlich ließen sich grobe Verstöße gegen die heilberufliche Unabhängigkeit des Arztes mit einhergehendem Bestechlichkeitsnachweis als strafbares Verhalten einstufen. Was ist jedoch, wenn der Arzt regelmäßig zu einem Kongress eingeladen wird, auf dem neue Behandlungsmethoden etc. vorgestellt werden? Macht er sich dann durch seine Teilnahme strafbar, wenn die Teilnahme- und Reisekosten von einer Firma getragen werden? Dieser Tatbestand könnte aufgrund unterschiedlicher Berufsordnungen in den einzelnen Bundesländern zu divergierenden Antworten führen. In der Konsequenz bedeutet das auch, dass die Berufsordnungen maßgeblich  entscheidend sein könnten, ob ein Tatbestand strafbar ist oder nicht. Im Ergebnis wird in einem Bundesgesetz ein strafrechtlicher Flickenteppich geschaffen, der kaum zu kontrollieren ist.

Rechtsunsicherheiten birgt zudem der Umstand, dass Berufsausübungspflichten dynamische Regelwerke sind, die einer ständigen Modifizierung unterliegen und von Selbstverwaltungsgremien geschaffen werden. Die Regelwerke bilden untergesetzliche Normen, die nun darüber entscheiden sollen, ob eine Strafbarkeit angenommen wird oder nicht. Damit würden Interessenvertreter der Heilberufe im Rahmen ihrer Selbstverwaltung darüber entscheiden, ob und in welcher Form die Zusammenarbeit zwischen Angehörigen der Heilberufe und Dritten strafbar ist oder nicht. Dies ist verfassungsrechtlich bedenklich, da Strafrecht an das Berufsrecht gekoppelt wird und damit die Normsetzung durch Selbstverwaltungsgremien entscheidend auf die Strafbarkeitsvoraussetzungen der §§ 299a, b StGB Einfluss nehmen.

Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage kann daher nur heißen: “Wir brauchen ein rechtssicheres Antikorruptionsgesetz. Erst dann kann sichergestellt werden, dass erwünschte und bewährte Kooperationen zwischen der Industrie und den Heilberufsträgern ohne Ängste und Sorgen weiterverfolgt werden können.”

Text: Anna Wierzchowski / Koordination: vt

Fotos: BAH, PeJo / Shutterstock.com