Die wenig positiv stimmenden Ergebnisse der XPEDITION3-Studie, in der der Beta-Amyloid-Antikörper Solanezumab bei Patienten mit einer milden Alzheimererkrankung untersucht wurde – am 23. November 2016 veröffentlicht – haben Patienten weltweit sowie Eli Lilly als Auftraggeber der Studie enttäuscht. Die Demenzforschungsgemeinde hat sich allerdings verhältnismäßig phlegmatisch gezeigt. “Hätte man alle Glanzlichter der Studie aneinandergereiht präsentiert, wäre die Studie selbstverständlich positiv ausgefallen”, erklärte Lon Schneider vom California Alzheimer’s Disease Center. Die Verkündung der Studienergebnisse war enttäuschend, allerdings wenig überraschend. Die Resultate wurden am 8. Dezember auf den Clinical Trials on Alzheimer’s Disease Annual Meeting in San Diego, Kalifornien, präsentiert. Lilly verkündete vergangene Woche, dass man trotz der Tendenzen in Richtung Behandlungsvorzüge sowohl hinsichtlich des primären als auch des sekundären Endpunkts keine regelhafte Medikation von Patienten mit einer milden Alzheimererkrankung mit Solanezumab empfehlen würde. Ebenso wenig sei eine Ausdehnung dieser Medikation für die XPEDITION-, EXPEDITION2- und EXPEDITION3-Studie vorgesehen.
Solanezumab ist ein monoklonaler IgG1-Antikörper, der an eines der Epitope des monomeren Beta-Amyloids bindet und dessen Angriffspunkt lösliche, monomere, nicht fibrilläre Strukturen sind. EXPEDITION3 ist als Konfirmationsstudie am selben Patientengut – allerdings mit einem positiven PET-Scan auf zerebrales Amyloid – designt worden. Im Vorfeld hatten Subgruppenanalysen aus EXPEDITION und EXPEDITION2 nahegelegt, dass ausschließlich Patienten mit einer milden Form der Alzheimererkrankung profitieren würden. Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) wurde dafür kritisiert, auf eine Bestätigungsstudie zu bestehen, und es wurden Vorwürfe laut, Patienten würde man eine effektive Therapie vorenthalten; die Studienergebnisse geben allerdings der FDA Recht. Bis sich Patienten mit Symptomen der Alzheimererkrankung beim Arzt vorstellen, kann es bereits dafür zu spät sein, die Ablagerung des Amyloids im Gehirn zu unterbinden. “Sobald Amyloid in der Bildgebung zu sehen ist, kann man davon ausgehen, dass es bereits Jahrzehnte besteht”, erklärte dazu Samuel Gandy, Forscher am Mount Sinai Hospital in New York. Solanezumab wird derzeit als präventive Medikation in der Anti-Amyloid in Asymptomatic Alzheimer’s disease (A4)-Studie an symptomfreien Patienten im präklinischen Stadium der Erkrankung anhand von CCTs getestet. Ebenso kommt es in der Dominantly Inherited Alzheimer’s Network-Treatment Unit (DIAN-TU)-Studie bei Patienten mit einem genetischen Hochrisikoprofil zum Einsatz. Beide haben gemeinsam das Ziel, Amyloidablagerungen zu verhindern, bevor sich die Erkrankung manifestiert.
Damit ist man sicherlich noch nicht am Ende der Reise angelangt, was die Amyloidtheorie angeht. Und es laufen immer noch Studien zu anderen monoklonalen Antikörpern gegen das Beta-Amyloid – beispielsweise mit Aducanumab, das sich in frühen Studienphasen erfolgreicher zeigte als Solanezumab. Tatsächlich besteht ein Forschungsbedarf zu anderen Mechanismen (zum Tau-Protein und zur Neuroinflammation) ebenso wie ein Bedarf, gesammelte Erkenntnisse aus gescheiterten Studien nutzbar zu machen. Man sollte die Forschungsgruppe um Lilly zu ihrem offenen Umgang mit ihren Studiendaten beglückwünschen. Sie haben angekündigt, die Daten gemeinsam mit akademischen Kollegen auszuwerten, um so viel wie möglich aus der EXPEDITION3-Studie zu lernen. Derzeit gibt es noch keinen Einzelwirkstoff, der neurodegenerative Prozesse aufhalten könnte; in Tierstudien konnten schon erstaunliche Resultate erzielt werden, allerdings ist bisher keine Übertragung auf den Menschen gelungen. Nervenzellen können bislang nicht repariert werden. Das menschliche Gehirn und Nervensystem sind noch zu wenig verstanden.
Die Alzheimerforschung stellt Wissenschaftler immer wieder vor Herausforderungen – zum Teil aufgrund des heterogenen Bildes der Erkrankung und andererseits aufgrund technischer Limitationen. Der fließende Übergang zwischen Pathologien, die Alzheimer-Patienten und ältere Menschen ohne kognitive Einschränkung präsentieren, die Vielzahl an histopathologischen Neuerkenntnissen über die Erkrankung (zum α-Synuclein, TDP43 und vaskulären Veränderungen) und die Limitationen klinischer Diagnosestellung markieren das Bedürfnis an verlässlichen Messmethoden und an der Identifikation von Biomarkern im Liquor und Blut sowie die Notwendigkeit qualitativ hochwertiger Studien. Die Bildgebung ist das Schlüsselinstrument in der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Alzheimererkrankung – Schwierigkeiten bestehen nach wie vor im Bereich der entsprechenden Hard- und Software.
Ein Gebiet, das noch intensiv erforscht werden muss; weil es noch immer an einer adäquaten Therapie mangelt, ist die Prävention von dementiellen Erkrankungen unabdingbar. Die Finnish Geriatric Intervention Study to Prevent Cognitive Impairment and Disability (FINGER) zeigte vielversprechende Ergebnisse. In der Studie wurde mit einer Kombination aus Sport, Diät, kognitivem Training und der Behandlung kardiovaskulärer Einschränkungen bei Patienten mit dem Risiko, an Demenz zu erkranken, gearbeitet. Viele der beeinflussbaren Risikofaktoren für Alzheimer sind dieselben wie jene für kardiovaskuläre Erkrankungen; und Aufklärung schafft bekanntermaßen Resilienz. Die Interventionsfähigkeit auf diesen Gebieten ist definitiv ausbaufähig. Während man immer mehr Erkenntnisse über die Ätiologie und feine Details der Alzheimererkrankung gewinnt, sollte sich die Forschung auch der Arbeit mit sogenannten Lifestyle-Faktoren widmen. Das ist alles andere als trivial – damit könnten Leben gerettet werden.
Insbesondere Roche und Biogen sollen parallel an Wirkstoffen zur Behandlung von Alzheimer forschen.