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Aktuelle Guidelines: Biomarkerdiagnostik mit Troponin und Copeptin im ACS

Rule-in1 mit kardialen Biomarkern im ACS organisiert von Thermo Fisher Scientific, BRAHMS GmbH Univ.-Prof. Dr.med. Martin Möckel, Charité Berlin, Leiter der Emergency und Chest Pain Unit geht in seinem Vortrag im Rahmen der 82.

Rule-in1 mit kardialen Biomarkern im ACS

organisiert von Thermo Fisher Scientific, BRAHMS GmbH

Univ.-Prof. Dr.med. Martin Möckel, Charité Berlin, Leiter der Emergency und Chest Pain Unit geht in seinem Vortrag im Rahmen der 82. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie auf Folgendes ein: die klinische Herausforderung der akuten Herzinfarktdiagnostik (AMI), sehr geringe Spiegel von Troponin bei Einlieferung, die Troponin Blind- und Grauzonen und hohe Spiegel von Troponin bei Einlieferung.

Die Herausforderung der AMI Diagnostik bestehe darin, dass viele Patienten mit “atypischen” Symptomen eingeliefert würden, i.e. keine (typischen) Brustschmerzen oder sogar schmerzfrei. Starke Brustschmerzen müssen zur Differentialdiagnostik an Aortendissektion denken lassen. Von allen Eingelieferten lag die Prävalenz von AMI lediglich bei 10%. Klinischer Verdacht beeinflusse die Symptominterpretation. Rule-Out sei das Wesentliche.2

Anhand eines Fallbeispiels zeigt er, dass es eine einzuhaltende Zeitspanne für Biomarker in der Diagnostik gibt (6 Std.): bei der ersten Blutentnahme werde nicht nur Troponin (Tn) bestimmt, sondern auch Copeptin. Eine zweite Blutentnahme erfolge nach einer Stunde, um “late risers” von “very early presenters” unterscheiden zu können. Es folge ein stündliches Tn-Protokoll über drei Stunden. Nach 6 Stunden erfolgt ein konventioneller Tn-Assay, das sei der gegenwärtige Standard. 20% der Fälle blieben unbestimmt. Sehr niedrige Level von Tn bei Einlieferung: unentdeckbares hochsensitives kardiales Troponin T (hs-cTnT) spiele hier eine Rolle, wie in einer Studie des Karolinska-Universitätsklinikums gezeigt werden konnte.3


Take-home messages:

  • Frühe Diagnose eines akuten Koronarsyndromes ist schwierig aufgrund der häufig atypischen Symptome.
  • Standardbiomarker entsprechend der Leitlinien ist das high sensitive Troponin, besimmt nach dem 0/3-Stunden Algorithmus bzw. – wenn validierter Assay vorhanden – nach dem 0/1-Stunden Algorithmus.
  • Ein sehr niedriges Troponin (unter dem Messbereich) ist mit einer niedrigen Ereignisrate assoziiert
  • Problem des Troponins: bis zu 50% der gemessenen Werte liegen innerhalb der sogenannten Grauzone. Diese Patienten müssen laut den Leitlinien beobachtet werden (Monitorbett, serielle Troponin- und EKG-Kontrollen).
  • Copeptin ist das C-terminale Ende eines Vasopressinvorläufers
  • Wird früh nach einer Myokardischämie ausgeschüttet mit einer inversen Freisetzungskinetik
  • Erhöhte Copeptinspiegel bei normalem Troponin sind mit einem schlechteren Outcome der Patienten verbunden. Dies kann bei dem Rule-in von Patienten mit berücksichtigt werden; (jedoch die Copeptin aufgrund der niedrigen Spezifität kein typischer Rule-in Marker). Hier müssen noch weitere Studien erfolgen.
  • Die kombinierte Messung von Copeptin und Troponin erhöht im Vergleich zu Troponin alleine den negativ prädiktiven Wert. Somit kann die frühe Ausschlussdiagnostik eines akuten Myokardinfarktes verbessert werden. Die kontrollierte Interventionsstudie BIC-8 hat gezeigt: basierend auf einem einzelnen kombinierten Test (Copeptin und Troponin) bei Aufnahme ist eine frühe Entlassung von Patienten mit niedrigem bis intermediärem Risiko sicher.
  • Diese Daten fanden Einzug in die aktuellen Leitlinien der ESC, welche eine gleichzeitige Bestimmung von Troponin und Copeptin als eine mögliche Alternative zum schnellen Rule-out erwähnen.
  • Auch bei vielen anderen Krankheitsbildern finden sich erhöhte Copeptinspiegel. Diese sind häufig wegweisend für eine schlechte Prognose, beispielsweise bei Sepsis, Schlaganfall. Aufgrund der niedrigen Spezifität ist Copeptin jedoch keine Hilfe bei der Diagnosefindung/Rule-in.

(c) Dr. med. Janine Pöss, Universitäres Herzzentrum Lübeck

In einer Substudie wurde die Signifikanz von Copeptin als Biomarker untersucht.4 Eine Kohortenstudie von Anoop SV Shah et al. zu “high-sensivitity cardiac troponin I” wurde im Lancet 2015; 386: 2481-88 publiziert. Hier zeigte sich, dass eine Anhäufung von Todesfällen oder Herzinfarkten bei Patienten mit einer Tn Konzentration unterhalb der 99. Zentile vorkam (5 ng/l). Je höher der Tn-Wert lag, desto besser war der prädiktive Wert.

Als Interpretation präsentiert Prof. Möckel, 34,6% hs TnT < LoD in BIC-8 (geringes Risiko, CP, Grace 80, TIMI I), 62,8% hs TnT < LoD in Bandstein et al. (CP, wahrscheinlich das geringste Risiko), 61% hsTnI < 5 ng/L, 17% < LoD in HighSTEACS (20% MI + 6% “injury”). Wenn hsTn unterhalb des LoD läge helfe dieses, Gesunde zu identifizieren. Professor Möckel bemängelt, dass die Studienpopulation nicht schlüssig sei und keine kontrolliert-randomisierten Studien vorlägen. Die Definition der Troponin/Copeptin-Grauzone ist in den neuen NSTE-ACS- Guidelines publiziert.5 Hoher Tn-Spiegel bei Einlieferung: Kardiales Troponin (cTn) sollte als ein quantitativer Marker von Kardiomyozyten-Verletzungen interpretiert werden. Individualisierung der Therapie und des Risikos in der Tn-Grauzone weist Prof. Möcken als Perspektive auf.6, 7, 8

Der Routinegebrauch von POCT Tn, hsTn und Copeptin werde bei ihm in der Charité anhand einer Checkliste praktiziert. Die klinische Herausforderung der frühen AMI-Diagnose sei eng verknüpft an die anfängliche Präsentation (des Patienten). Sehr niedrige Tn-Spiegel könnten in Zukunft hilfreich sein bei der Differentialdiagnositk, jedoch fehlten bis jetzt wichtige Daten. Sobald ein zweites Tn-Schedule erforderlich sei, benötige der Patient einen Monitorplatz und ein weiteres Chestpain-Unit (CPU) work-up. Über 50% der Patienten würden in der “Grauzone landen” bei weiterer Beobachtung. Copeptin in Kombination mit hs-Tn ermögliche die sofortige Diagnose des Patienten vor einer Beschleunigung des Troponin-basierten Protokolls, welches folge, wenn der klinische Verdacht hoch sei oder Copeptin positiv. Bei hohen Spiegeln von Tn sei kein hs-Assay notwendig, resümiert Prof. Möckel.

Rule-out Protokolle mit kardialen Biomarkern im ACS, E.Giannitsis (Heidelberg)

Prof. Dr. med. Evangelos Giannitsis MD, FESC, Universitätsklinikum Heidelberg erklärt, es gäbe einen erhöhten Bedarf an beschleunigten diagnostischen Protokollen. Er gibt einen Überblick über Serien- oder single-cardiacs Troponin-basierte Protokolle zum Rule-Out.2 Im weiteren geht er auf eine duale Biomarker-Strategie ein (Copeptin + cTn//hsTn/POC) zum sofortigen Rule-Out und sicheren Entlassung des Patienten. Den Wert der Serien-Copeptin-Messung, der pre-hospital Copeptin Messung und Leitlinienempfehlungen beschreibt er abschließend.

Die Einweisung wegen Brustschmerzen habe in den letzten Jahren entschieden zugenommen, bei abnehmender Angina pectoris- oder Herzinfarktrate. Die Brustschmerz-Einheiten in den Kliniken seien überfüllt. Eine verbesserte diagnostische Perfomance gäbe es seit der Verwendung sensitiverer Troponin-Assays. 2014 seien von der AHA/ACC Guidelines herausgegeben worden zum Management von Patienten mit non-ST-Elevation Acute Coronary Syndrom mit Überblicken über frühe Rule-Out Protokolle. Zu den beschleunigten diagnostischen Protokollen sei zu sagen: Rule-in des Myokardinfarkts (MI) sei das Thema, wie in verschiedensten Studien gezeigt werden konnte (APACE, ASPECT, ADAPT e.a.). Bei APACE spiele der hs-cTnT 1h-Algorithmus eine Rolle.9 Eine Multicenter-Evaluation eines 0-Stunde/1-Stunde Algorithmus zur Diagnose von Myocardinfarkten mit hscTn wurde 2016 von Müller et.al publiziert.10

In den ersten 30 Tagen zeigte sich eine erhöhte Sterblichkeit bei der Rule-In und Observationsgruppe, im Verlauf von 365 Tagen jedoch war die geringste Sterblichkeit bei der Rule-Out-Gruppe zu verzeichnen. Body führte eine Studie durch, die den raschen Ausschluss eines HI bei Patienten mit unentdeckbarem Troponin mittels eines high-sensitivity Assays untersuchte.11 Copeptin, der c-terminale Teil des Vasopressin Prohormons und seine Zeitverlaufs-Kinetik vor, während und nach einem hämorragischen Schock untersuchten Morgenthaler et al.12 In ihrer CHOPIN-Studie zeigten Maisel et al., dass Copeptin beim frühen Erkennen von MI-Patienten hilft.13

In der BIC-8-Studie untersuchten Möckel et al. die Copeptin-Evidenz bei ACS (acute coronary Syndrome) zum schnellen Rule-Out. Wenn Troponin und Copeptin negativ seien, könnten die Patienten entlassen werden.14 In einer Pilotstudie wiesen Vafaie et al. nach, dass Copeptin die diagnostische Performance des Point-of-Care-Testings (POCT) verbessere für kardiales Troponin T (cTnT) beim frühen Rule-Out bei MI.15 In der CHOPIN-Studie zeigten Marston et al, dass die Serienuntersuchung der Copeptin-Spiegel die Diagnostik und die Risiko-Stratifizierung verbessere. 16 Zur Diagnose gäbe es noch andere Optionen, so Giannitsis, wie zum Rule-Out eines AMI: 2h-ADP (TIMI risk score + EKG + 0h/2h hs-cTn) sowie cTn + Copeptin und beim frühen Re-Infarkt die CK-MB. Unter der Vielzahl von zusätzlichen Biomarkern scheinen nur Copeptin und CK-MB eine klinische Relevanz zu haben, resümierte Prof. Giannitsis.

Zusammenfassend ließe sich sagen, dass großer Bedarf für den schnellen und sofortigen Ausschluss eines NSTEMI bestünde, insbesondere in Zentren mit hohem Patientendurchlauf. Hochsensitives Troponin sei der biochemische Goldstandard mit 0-3 h diagnostischem Algorithmus als Standard. Es bestünden mehrere diagnostische Optionen: 1. Serielle Diagnostik mit 0-1 h rule-out (und rule-in) und 0-2 h rule-out (und rule-in) und 2. Single value bei Aufnahme: < LoD und normales hsTn (<99Perzentile) + normales Copeptin (<10pmol/L) mit resultierender früher und sicherer Entlassung. Daten zum Nutzen serieller Copeptinmessungen in der cTn neg/Cop pos-Gruppe seien diskordant. Es gäbe erste Hinweise auf die Nutzung einer frühen Copeptinmessung im Notarztwagen.

Klinische Relevanz unterschiedlicher Copeptin-Konzentrationen T.Keller (F.a.M.)

Dr. Till Keller, Goethe Universität F.a.M. präsentiert eine Studie zur prognostischen Signifikanz der hypothalamisch-pituär-adrenalen Achsenhormone in Stadien früher Sepsis. Copeptin sei assoziiert mit Sterblichkeit bei Patienten mit akuter intrazerebraler Hämorrhargie (Christian Zweifel et al). Copeptin sei auch assoziiert mit Organ-Dysfunktion und Tod auf Intensivstationen mit Herzstillstand nach Krankenhausentlassung (FinnRESCUSCI Study Group). 17 Copeptin und N-terminale proBNP Konzentrationen bei Herzschwäche-Patienten und Mortalität untersuchten Alehagen U et al. Keller präsentiert ein anschauliches Fallbeispiel, Aufnahme in seiner Unit mit folgenden Laborergebnissen: Troponin I: 0,035 ng/ml, 5,44 ng/ml nach 3 Std. und 32,95 ng/ml nach 6 Std. ; Copeptin: 36,2 pmol/L, 54,5 pmol/L nach 3 Std. und 17,4 pmol/L nach 6 Std. Seine Schlussfolgerung nach Präsentation von vielen wissenschaftlichen Studien lautet, dass erhöhte Copeptin-Spiegel prognostische Informationen zur Behandlung von AMI-Patienten böten. Bei Patienten mit nicht-koronarem Brustschmerz böte Copeptin nur bescheidene prognostische Information. Spezifische Differentialdiagnosen des AMI seien assoziiert mit hohen Copeptin-Spiegeln. Hier könne Copeptin bei der Risikoeinschätzung helfen. Bei Patienten, bei denen eine “Trivial”-Diagnose nicht ausgeschlossen werden könne, könne Copeptin helfen, eine weitere Diagnostik zu veranlassen.

Definition Begrifflichkeiten und Quellen:

1 Rule-In: Begriff in der Medizin, zu entscheiden, dass etwas eine Möglichkeit ist oder dass es definitiv passieren wird

2 Rule-Out: Begriff in der Medizin eingesetzt, mit der Bedeutung, etwas von der Überlegung zu beseitigen oder auszuschließen, in etwa: Differentialdiagnose

3 Bandstein N, Ljung R, Johansson M, Holzmann MJ., JACC 2014

4 Vafaie M, Slagman A, Möckel M et al., AJM 2015 (Epub ahead of print)

5 European Heart Journal doi: 1 0.1093/eurheart/ehr236

6 Troponin T Levels and Risk of 30-Day Outcomes in Patients with the Acute Coronary Syndrome: Prospective Verification in the GUSTO-IV Trial James S et al. AJM, 2003; 115:178-184

7 Wallentin L et al. Circulation 2014; 129: 293-303

8 Heart 2012; 98:558-565. doi:10.1136/heartjnl-2011-301269

9 Reichlin T. et al. Arch Intern Med 2012

10 Mueller C, et al. Ann Emerg Med 2016

11 Body R, et al. JACC 2011

12 Morgenthaler NG, et al. Shock 2007

13 Maisel A, et al. JACC 2012

14 Moeckel et al. 2014, EHJ, BIC-8 interventional process study: clinical pathways for rule-out

15 Vafaie M, et al. Int J Cardiol 2015

16 Nicholas A Marston et al. Emerg Med J 2016; 33:23-29

17 Zhang Q et al., Intensive Care Med, 2014, Zweifel et al., BMC Neurology 2010, Ristogno et al., Critical Care, 2015

18 Alehagen U et al., JAMA 2011

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