"Ärzte weltweit im Einsatz": Auf dem Internistenkongress in Mannheim wurden die Projekte "Feuerkinder", "Telemedizin in Afghanistan" und die Arbeit von "Ärzte ohne Grenzen" im Jemen vorgestellt.
"Feuerkinder" wurde vor 18 Jahren von Dr. Heinz Giering und der Kinderorthopädin Dr. Annemarie Schraml gegründet und hilft Kindern, die extreme Verformungen der Gliedmaßen aufweisen oder schwere Verbrennungen erlitten haben. Wie Schraml, ehemals Chefärztin an der Cnopf´schen Kinderklinik in Nürnberg, berichtet, werden im Nkoaranga-Hospital am Mount Meru bei Arusha unter einfachsten Bedingungen körperbehinderte Kinder und Jugendliche kostenlos operiert. Drei Schwerpunkte haben sich dabei entwickelt: die operativen Behandlungen von Verbrennungsopfern, von angeborenen Klumpfüßen sowie von schweren Knochenverbiegungen durch Mangel- oder Fehlernährung (Vitamin-D-Mangel, Fluorose).
In Tansania herrscht große Armut, Mangelernährung und Aberglauben. Auf dem Land gibt es keine Krankenversicherung, für medizinische Behandlung muss sofort bezahlt werden. Viele Kinder bekommen deshalb keine Therapie oder aber die Therapie erfolgt viel zu spät. In Tansania wird häufig über offenen Feuerstellen gekocht, Kleinkinder krabbeln um diese Feuerstellen und ziehen sich oft schrecklichste Brandwunden zu.
Eine ärztliche Erst- oder Weiterversorgung dieser Notfälle gibt es praktisch nicht. Die Folgen sind großflächige und entstellende Narbenbildungen, die zu Gelenkversteifungen führen und damit dauerhaft den Erwerb des Lebensnotwendigen erschweren oder gar unmöglich machen. Angeborene Klumpfüße sind keine Seltenheit, schlechte Ernährung und viel Fluor im Wasser führen schon bei den Kleinsten zu Fehlbildungen wie extrem verbogenen Beinen, die Laufen unmöglich machen.
Jährlich wird das Team vergrößert, nehmen die Aufgaben und Anforderungen zu. Die Zahl der Beschäftigten im Nkoaranga- Krankenhaus hat sich verdreifacht. Finanziert wird das Projekt durch Spenden aus zwei Stiftungen. Mittlerweile werden Kinder aus allen Landesteilen Tansanias ins Nkoaranga- Krankenhaus gebracht, häufig nehmen die Familien dafür 300, 1000 oder 4000 Kilometer lange Wege inkauf.
Zwischen 2000 und 2018 wurden 7234 Patienten ambulant behandelt und 2089 Operationen durchgeführt. Darunter Narbenkorrekturen nach Verbrennung, Klumpfußoperationen, Weichteiloperationen, Osteomien und Gipsbehandlungen.
Dr. Azim Mosafer, Oberarzt und Wirbelsäulenspezialist in Bad Berka bei Weimar, startete im November 2012 das Projekt "Telemedizin in Afghanistan". Mosafer und Kollgen schauen sich via Laptop Patientenakten an, die ihnen die Kollegen vom Hindukusch übermitteln. Zu sehen bekommen sie Kriegsverletzungen, Fehlbildungen, Folgen von Verkehrsunfällen und andere schwere Leiden. Am Wochenende werden ihnen einzelne Patienten auch direkt per Videoschaltung vorgestellt.
Wegen der zunehmend unsichereren Situation vor Ort und der wachsenden Zahl an Hilfebedürftigen kam Mosafer die Idee mit der Behandlung per Telemedizin. Die ist allerdings erst möglich, seitdem auch in Afghanistan das Mobilfunknetz einigermaßen funktioniert.
Mosafer, gebürtiger Afghane, der Anfang der 80er Jahre als Flüchtling nach Deutschland kam, reist selbst mehrmals jährlich in seine alte Heimat, um in Kabul oder Mazar e Sharif Fortbildungskurse in Untersuchungsmethoden und Sonographie durchzuführen oder um an wechselnden Krankenhäusern zu operieren.
Der Wirbelsäulenspezalist hat inzwischen ein ganzes telemedizinisches Netzwerk aufgebaut, 150 Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen aus Deutschland, Schweden, Österreich und USA, beteiligten sich an der Beantwortung der Anfragen aus Afghanistan. Unabhängig von Ort und Zeit können sie weltweit über das Internet auf die Software zugreifen.
Die Anfragen der afghanischen Ärzte erfolgen auf standardisierten Fragebögen für Anamnese und Befund. Über das Netzwerk sind inzwischen fünf Telemedizinzentren in Kabul, Mazar-i-Sharif, Herat, Jalalabad und Kandahar erreichbar. Ergänzt werden die Zentren durch kleinere Zellen in sechs Unterprovinzen. Die Untersuchungsräume sind mit Webcam ausgestattet und entsprechen einem sehr einfachen Arztzimmer. Für die Patienten ist die Behandlung in der Regel kostenlos. Bislang konnten 2832 Patienten via Telemedizin behandelt werden.
20 der 27 Millionen Jemeniten sind von humanitiärer Hilfe abhängig, über 3 Millionen Menschen dort sind intern Vertriebene, berichtete Dr. Tankred Stöbe von Ärzte ohne Grenzen. 14 Millionen Jemeniten haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, das führte zum schlimmsten Cholera-Ausbruch im Jemen mit über einer Million Erkrankten. Im Jemen-Konflikt wurden bislang mehr als 10.000 Jemeniten getötet und über 40.000 verletzt. Weniger als 45% der Gesundheitszentren sind noch intakt, berichtet Stöbe. Ärzte ohne Grenzen ist im Jemen mit 1000 Mitarbeitern im Einsatz, mehr als 3000 Tonnen medizinische Hilfsgüter wurden importiert. 7 Millionen Jemeniten sind vom Hungertod bedroht, darunter sind mangelernährte Kinder und Schwangere am stärksten gefährdet. 4,5 Millionen Kinder und stillende Mütter sind akut mangelernährt. Für die Menschen dort gebe es kein Entkommen, der Jemen-Konflikt ruft kaum das Interesse der internationalen Gemeinschaft hervor.
Quelle:
Ärzte weltweit im Einsatz. Forum junge Internisten. 16. April 2018, DGIM Mannheim