Definitiv. Das ist das Ergebnis einer Behandlungsstudie mit 144 Kind-Mutter-Paaren, die Dr. Thomas Jans von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg jetzt auf dem XXXV. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder-und Jugendpsychiatrie (DGKJP) vorgestellt hat. Offenbar profitieren die Kinder dabei bereits von einer begleitenden Beratung ihrer Mütter, eine medikamentöse Therapie der Mütter ist nicht notwendig.
Die Arbeit ist Teil eines größeren Forschungsverbundes zur Psychotherapie der ADHS und eines von vier Teilprojekten. Für die Studie arbeitete die Kinder-und Jugendpsychiatrie Würzburg mit den Studienzentren in Freiburg, Mannheim, Berlin und Homburg zusammen. "Kinder mit ADHS haben ein sehr herausforderndes Verhalten, im Spiel mit Gleichaltrigen, in der Schule und auch in der Familie. Müttern und Vätern fällt es ganz besonders schwer ruhig zu bleiben, positiv mit dem Kind umzugehen, angemessen Grenzen zu setzen um dem Kind die Strukturen zu geben, die es sich selbst nicht geben kann", erklärte Jans.
Psychotherapeutisches Elterntraining soll deshalb Eltern von ADHS-Kindern bessere Konfliktlösungen und Deeskalationsmodelle vermitteln. Mütter von Kindern mit ADHS sind häufig selbst von ADHS betroffen. Diese Mütter hätten so ein Training ganz besonders nötig, denn Eskalationen in einem solchen setting fallen oft – durchaus nachvollziehbar – heftiger aus, machte Jans deutlich. Verschiedene Studien haben nachgewiesen, dass die Effektivität von psychosozialen Verhaltenstherapien und therapeutischen Interventionen reduziert ist, wenn die Eltern selbst von ADHS betroffen sind. "Man müsste eigentlich erst die Eltern störungsspezifisch behandeln damit die Kind-Interventionen überhaupt wirken können. Unsere Hypothese war also, dass sich die Symptome der Kinder bessern, wenn die Mütter behandelt werden", berichtete Jans.
Eingeschlossen in die Studie waren 144 Mutter-Kind-Paare, die Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren mit der Diagnose einer ADHS gemäß DSM-IV. 65% der Kinder waren vor Studienbeginn mit Methylphenidat oder Amphetaminen behandelt worden. Die Mütter mussten körperlich gesund, zuvor nicht psychopharmakologisch oder psychotherapeutisch behandelt worden sein und es durfte keine komorbide Störung (z.B. major depression) vorliegen. Die teilnehmenden Mütter waren im Durchschnitt älter, Teilzeit oder Vollzeit beschäftigt oder in der Weiterbildung und das Kind war in der Regelschule statt in der Förderschule. "Eingeschlossen waren die Mütter, die sich aufgrund ihrer ADHS behandeln lassen wollten, also krankheitseinsichtig waren und die stabil genug waren, an der Studie teilzunehmen. Es war schon eine spezielle Subgruppe von Müttern, die sich da hat einschließen lassen", so Jans.
Die Mütter (n=72) wurden in zwei Gruppen eingeteilt und randomisiert auf Behandlung oder Kontrollgruppe. Die Behandlungsgruppe erhielt Methylphenidat (3 x wöchentlich 45 mg) und spezifische Gruppenpsychotherapie (6 bis 9 Mütter mit zwei Therapeuten) über zwölf Wochen. In der Gruppentherapie wurde geübt, Desorganisationsprobleme, Emotionsregulationsprobleme und Impulsivität in den Griff zu bekommen.
In der Kontrollgruppe wurden die Mütter wöchentlich über 20 Minuten durch einen Facharzt offen und non-direktiv beraten (clinical management), dh.es wurden keine ADHS-spezifischen Interventionen umgesetzt (clinical management). Nach einer dreimonatigen Phase der Mütterbehandlung erhielten alle Mutter-Kind-Paare das Elterntraining (THOP – Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten) über zwölf Wochen, allerdings nicht in der Gruppe sondern in Einzelsitzungen.
Danach folgte eine Erhaltungsphase von einem halben Jahr – die Methylphenidat-Behandlung und die Gruppentherapie der Mütter erfolgte dabei monatlich. Nachuntersucht wurde nach 12 und nach 24 Monaten. Für das Follow up nach 12 Monaten standen noch 126 Paare (88%), für das Follow up nach zwei Jahren noch 101 Paare (71%) zur Verfügung.
Wie hat sich die ADHS-Symptomatik der Mütter – in der Behandlungsgruppe und in der Kontrollgruppe - über die verschiedenen Messzeitpunkte hin verändert? Gemessen mit dem ADHS-Index gingen die ADHS-Symptomatik und die Begleitsymptomatik der Mütter in der Behandlungsgruppe (MPH und Gruppentherapie) kontinuierlich zurück. Eine ähnliche Response – wenn auch nicht ganz so ausgeprägt – fand sich für die Kontrollgruppe (Beratung durch Facharzt). Nach einem Jahr allerdings nähern sich die beiden Gruppen an, der Behandlungseffekt insgesamt bleibt erhalten.
Vom Behandlungseffekt der Mütter profitieren die Kinder deutlich. Zum oppositionellen Verhalten wurden Mutter und Kind befragt, zusätzlich dazu das Verhalten des Kindes beobachtet und aus allen Ergebnissen externale Symptome gebildet. "Dazu sieht man in beiden Gruppen eine deutliche Abnahme der externalen Symptomatik und zwar über die intensive Behandlungsphase der Mütter hinweg. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist nicht signifikant – die Kinder profitieren also in jedem Fall, gleichgültig ob die Mütter Gruppentherapie plus Methylphenidat erhalten haben oder eine Beratung. Zwei Jahre nach Studienbeginn waren die Effekte insgesamt stabil", so Jans.
Elterntraining hilft dem Kind, auch wenn die Mutter von ADHS betroffen ist. "Wir hatten nicht erwartet, dass der Effekt auch bei den Müttern, die nur eine Beratung bekommen haben, so stark ist. Um den Familien zu helfen scheint eine begleitende Beratung der Mütter ausreichend zu sein", so Jans. Generalisieren lässt sich das aber nicht: Die teilnehmenden Mütter suchten nach Hilfe und waren bereit, zunächst sich selbst helfen zu lassen. Das lasse sich so nicht auf alle Familien übertragen. Sind die an ADHS-erkrankten Mütter aber krankheitseinsichtig und motiviert, reicht eine Beratung über mehrere Wochen offenbar aus, um Kind und Eltern wirksam zu helfen.
Referenz:
XXXV. DGKJP Kongress, 22.- 25. März 2017, CCU Ulm
Vortragssymposium: ADHS, 23. März 2017, 13 – 14.30 Uhr