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Abrechnungsbetrug geht trotz Anti-Korruptionsgesetzes weiter

Lkw-Fahrer als Pfleger, überhöhte Rechnungen oder erfundene Pflegekurse - die Liste der KKH mit Fällen von Abrechnungsbetrug ist lang. 1,8 Millionen Euro Schaden bundesweit deckten die Ermittler der Kasse 2016 auf. Hilft künftig das neue Anti-Korruptionsgesetz?

Lkw-Fahrer als Pfleger, überhöhte Rechnungen oder erfundene Pflegekurse - die Liste der KKH mit Fällen von Abrechnungsbetrug ist lang. 1,8 Millionen Euro Schaden bundesweit deckten die Ermittler der Kasse 2016 auf. Hilft künftig das neue Anti-Korruptionsgesetz?

Trotz des neuen Anti-Korruptionsgesetzes im Gesundheitswesen hat die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) im vergangenen Jahr erneut Hunderte Betrugsfälle mit Millionenschaden aufgedeckt. Die höchste Schadensumme verursachten 2016 wie auch im Vorjahr Apotheken mit knapp 1,2 Millionen Euro, gefolgt von ambulanten Pflegediensten, teilte die KKH am Mittwoch in Hannover mit. Der Gesamtschaden bei 810 entdeckten Fällen summierte sich 2016 bundesweit auf 1,8 Millionen Euro. Im Jahr davor waren es bundesweit 287 Fälle mit einem Schaden von 1,4 Millionen Euro. Wie hoch der bundesweite Schaden aller Krankenkassen durch Abrechnungsbetrug ist, konnte der GKV-Spitzenverband nicht beziffern.

Unter den Betrugsfällen befand sich ein Pflegedienst, der mit frei erfundenen Pflegekursen für Angehörige die Kasse betrogen hat ebenso wie eine Apotheke, die 50 Mal so viele Blutzuckerteststreifen abrechnete, wie sie tatsächlich abgegeben hat. Auch betrieb ein Diabetesfachhandel Räumlichkeiten in einer Arztpraxis und verstieß dabei gegen das neue Anti-Korruptionsgesetz, das auch unzulässige Formen der Zusammenarbeit unter Strafe stellt. Darunter fiel auch der Fall eines Sanitätshauses, dass in einer Praxis Räume einrichtete und auf Zuruf Patienten gleich vor Ort versorgte. Das Sanitätshaus zahlte der Ärztin mehr oder weniger Miete - je nach Anzahl der verordneten Rezepte. Nach dem neuen Gesetz konnte die KKH diesen Fall anzeigen.

Da das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen erst im Juni 2016 in Kraft getreten sei, sei es für konkrete Aussagen über die Wirksamkeit noch zu früh, sagte KKH-Chef Ingo Kailuweit. "Wir freuen uns darüber, dass wir uns dank des Gesetzes jetzt intensiv mit Staatsanwaltschaften und Ärztevertretern über das Thema Korruption austauschen können." Auch Oberstaatsanwalt Christian Müller von der für diesen Bereich in Niedersachsen zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Celle sagte: "Die Ermittlungsbehörden sind durch die Regelung in der Lage, korrupte Verhaltensweisen im Gesundheitswesen konsequent zu ahnden."

Verstärkt fliegen durch die Betrugskontrollen der KKH auch illegale Geschäftspraktiken auf, die die Gesundheit der Patienten gefährden. So wurde ein Pflegedienst überführt, der für die Behandlung etwa von Wunden in großem Umfang unqualifiziertes Personal einsetzte und einen Schaden von 200 000 Euro verursachte. Um den Gewinn zu maximieren, setzen Pflegedienste häufig nicht qualifizierte Mitarbeiter und damit billige Arbeitskräfte ein. Ein krasser Fall flog kürzlich auf: Eine Wohngruppe mit bis zu zehn Schwerstpflegefällen mit einer 24-Stunden-Betreuung wurde von einer einzigen Person überwacht – einem ehemaligen Lkw-Fahrer, der nur kurz angelernt wurde.

Trotz der aufgedeckten Fälle bewege sich der Betrug bei 55 Millionen jährlichen Behandlungsfällen in Niedersachsen im Promillebereich, sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), Detlef Haffke. Dennoch überprüfe die KVN Abrechnungen auch selber und erstatte auch Anzeige. Außerdem gingen anonyme Hinweise bei der Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei der KVN ein. Seit Erlass des Anti-Korruptionsgesetzes habe es noch keine Gerichtsurteile zu strittigen Kooperationsformen gegeben, weshalb der Erlass von Richtlinien noch nicht möglich sei. "Da herrscht eine gewisse Unsicherheit auf Ärzteseite und bei den Anbietern von gesundheitlichen Dienstleistungen." Auch halte sich die Pharmaindustrie mit Zuwendungen zurück.