Otoferlin-Taubheit: die Hoffnung auf Gentherapie Logo of esanum https://www.esanum.de

Otoferlin-Taubheit: Auf dem Weg zur Heilung durch Gentherapie

Können Gentherapien zu einem Leben ohne Taubheit führen? Revolutionäre Ansätze und Fortschritte in der Behandlung von Otoferlin-Taubheit.

Genetischer Hörverlust - eine medizinische Herausforderung?

Genetische Hörverluste betreffen das Leben von Millionen Menschen weltweit. Besonders interessant ist die Otoferlin-Taubheit (DFNB9). Diese seltene Form des genetischen Hörverlustes wird durch Mutationen im OTOF-Gen verursacht, das für die Produktion des Proteins Otoferlin verantwortlich ist. Otoferlin spielt eine entscheidende Rolle bei der synaptischen Übertragung von Signalen im Innenohr.1 Trotz der Fortschritte in der medizinischen Versorgung gibt es derzeit keine wirksame pharmakologische Behandlungsmöglichkeit für  Patientinnen und Patienten mit Otoferlin-Taubheit. Hörgeräte und Cochlea-Implantate bieten zwar gewisse Unterstützung, können jedoch nicht die zugrunde liegende Ursache des Hörverlustes behandeln.1, 2 

Das OTOF-Gen: Schlüssel zur Hörfähigkeit 

Otoferlin ist ein wichtiges Protein für die Übertragung auditiver Signale im Innenohr, insbesondere in der synaptischen Verbindung zwischen Haarzellen und Nervenzellen. Mutationen im OTOF-Gen haben schwerwiegende Auswirkungen auf die Hörfähigkeit. Die meisten Mutationen im OTOF-Gen führen zu einem Funktionsverlust oder einer verminderten Aktivität von Otoferlin. Dies wiederum stört die synaptische Übertragung im Innenohr, was zu einem schweren bis vollständigen Hörverlust führen kann. Die Auswirkungen von OTOF-Genmutationen zeigen sich typischerweise als angeborener oder frühkindlicher Hörverlust, der oft bilateral und sensorineural ist.3

Revolutionäre Fortschritte: klinische Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse

In den letzten Jahren hat die Gentherapie für Otoferlin-Taubheit große Fortschritte gemacht. Präklinische Studien an Tiermodellen (z.B. Mäuse) zeigten, dass die Behandlung der Otoferlin-Expression durch Gentherapie zu einer teilweisen oder vollständigen Wiederherstellung der Hörfähigkeit führen kann. Diese Studien umfassen verschiedene Ansätze zur Gentherapie, darunter die Verwendung der AAV1-hOTOF-Gentherapie. In diesem Fall werden die menschlichen OTOF-Codesequenzen durch ein dual-Adeno-assoziiertes Virus 1 (AAV1) getragen und ihre Expression wird durch den haarzellspezifischen Promotor Myo15 gesteuert.4

Darüber hinaus wurden auch erste klinische Studien zur Gentherapie bei Otoferlin-Taubheit durchgeführt. Somit konnte im Rahmen einer amerikanischen und chinesischen Studie das erste Mal die Otoferlin-Taubheit bei Betroffenen geheilt werden.1, 7 In der chinesischen Studie wurde die Sicherheit und Wirksamkeit der Gentherapie für Kinder (1-18 Jahre) mit Otoferlin-Taubheit getestet. Im Rahmen dieser Studie konnte bei fünf Kindern das Hörvermögen und die Sprachwahrnehmung verbessert werden. Die AAV1-hOTOF-Gentherapie erwies sich als sicher und wirksam für die Behandlung der Otoferlin-Taubheit bei Kindern.1

Gentherapie für Otoferlin-Taubheit: Herausforderungen und vielversprechende Ansätze

Die Gentherapie für Otoferlin-Taubheit steht vor verschiedenen Herausforderungen und Limitationen. Dazu gehören technische Schwierigkeiten, um einen effizienten und sicheren Transport des gesunden OTOF-Gens in das Innenohr zu gewährleisten. Zudem ist es notwendig, individualisierte Therapieansätze für die Vielzahl von Otoferlin-Mutationen zu entwickeln.8 Eine bedeutende Herausforderung bei der Gentherapie liegt in der begrenzten Transportkapazität von Vektoren wie Adenoviren. Um dieses Problem zu umgehen, wurden zwei AAV-Vektoren verwendet, um das OTOF-Gen zu übertragen. Dazu wurde das Gen auf die beiden AAV-Vektoren aufgeteilt und später wieder zusammengeführt.5, 6  In der chinesischen Studie wurde erstmals gezeigt, dass die beiden Genfragmente im menschlichen Körper erfolgreich zu einem funktionsfähigen Gen rekonstruiert werden können. Diese Ergebnisse legen den Grundstein für die Weiterentwicklung von Gentherapien in dem Bereich der Taubheit und zeigen Potential für eine effektivere Behandlung.1

Zwischen Erfolgen und Herausforderungen: Therapie der Otoferlin-Taubheit

Die Gentherapie zeigt vielversprechende Ergebnisse, in präklinischen Studien und auch in ersten klinischen Versuchen. Hierbei konnten bereits erste Heilungserfolge bei Betroffenen festgestellt werden. Dennoch stehen Forschende vor technischen Schwierigkeiten, wie der Suche nach der effektivsten Transportmethode für das OTOF-Gen, sowie der Notwendigkeit individualisierter Ansätze, um die Behandlung verschiedener Otoferlin-Mutationen zu ermöglichen. Zudem ist ein besseres Verständnis von möglichen Nebenwirkungen, wie Immunantwort oder Langzeitauswirkungen, dringend erforderlich. Hierüber ist noch wenig bekannt, besonders in der Anwendung beim Menschen. Die derzeitige Forschung und geplante klinische Studien werden entscheidend sein, um diese Wissensdefizite zu decken.8

Referenzen:
  1. Lv J. et al. (2024). AAV1-hOTOF gene therapy for autosomal recessive deafness 9: a single-arm trial. The Lancet, 403(10430), 113-122.
  2. Zheng D, Liu X. Cochlear Implantation Outcomes in Patients With OTOF Mutations. Front Neurosci. 2020;14:447.
  3. Vona B, Rad A., Reisinger E. The Many Faces of DFNB9: Relating OTOF Variants to Hearing Impairment. Genes (Basel). 2020;11(12):1411.
  4. Zhang L.et al. Preclinical evaluation of the efficacy and safety of AAV1-hOTOF in mice and nonhuman primates. Mol Ther Methods Clin Dev. 2023;31:101154.
  5. Al-Moyed H. et al. A dual-AAV approach restores fast exocytosis and partially rescues auditory function in deaf otoferlin knock-out mice. EMBO Mol Med. 2019;11(1):e9396.
  6. Holt JR, Geleoc GS. Split otoferlins reunited. EMBO Mol Med. 2019;11(1):e9995.
  7. National Institute of Mental Health (Hrsg.). (2024). Otoferlin Gene-mediated Hearing Loss Natural History Study. https://www.clinicaltrials.gov/study/NCT05572073
  8. Amariutei AE. et al. Recent advances and future challenges in gene therapy for hearing loss. R Soc Open Sci. 2023 Jun 14;10(6):230644.