Interdisziplinärer Summit 2021: Blick über den Tellerrand
Beim interdisziplinären Summit für Rheumatologie, Gastroenterologie und Dermatologie Ende November 2021 wagte man den Blick über den Tellerrand hinaus: Beiträge von Experten weiterer Fachrichtungen bereicherten die Veranstaltung. Dabei ging es unter anderem um entzündliche neurologische und ophthalmologische Erkrankungen sowie Ernährungstherapie bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen.
Unter dem Motto „Lernen durch Herausforderungen – bereit für die Zukunft?“ fand der interdisziplinäre Summit für Rheumatologie, Gastroenterologie und Dermatologie bereits zum vierten Mal statt. Die hybride Veranstaltung brachte Experten der unterschiedlichen Fachrichtungen zu einem interdisziplinären Austausch zum Thema chronisch-entzündliche Erkrankungen zusammen. Dabei bereicherten auch Vorträge aus anderen Fachrichtungen die Veranstaltung und ermöglichten einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus.
Neues und Zukünftiges in der Behandlung der Multiplen Sklerose
Prof. Dr. Volker Limmroth, Klinik für Neurologie und Palliativmedizin, Klinikum Köln-Merheim richtete den Blick auf Aktuelles und Zukünftiges in der Behandlung der Multiplen Sklerose (MS). Dabei wies er zu Beginn seines Vortrages noch einmal darauf hin, vor einer Behandlung von Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis (RA) mit Tumornekrosefaktor (TNF)-Inhibitoren ein zerebrales MRT durchzuführen, wenn gleichzeitig ein Verdacht auf Uveitis vorliege. Eine Optikusneuritis sei bei etwa 30 % der Uveitis-Patienten feststellbar und könne ein erstes Symptom einer Demyelinisierung des ZNS bei einer MS sein, bei der ein TNF-Inhibitor kontraindiziert wäre.1
Das Jahr 2021 war, was die Therapie der MS betreffe, nicht langweilig: Gleich mehrere neue Therapieoptionen seien im vergangenen Jahr neu zugelassen worden und fänden in Kürze Einzug in aktuelle Leitlinienempfehlungen.2,3 Darunter zum Beispiel der monoklonale Antikörper Ofatumumab, der gegen die CD20-Rezeptoren auf B-Zellen gerichtet ist.4
Prof. Limmroth schloss seinen Vortrag mit einem kurzen Ausblick auf möglicherweise noch kommende neue Therapien, von denen sich zahlreiche in der klinischen Erprobung befänden. Besonders hob er dabei die Gruppe der BTK-Inhibitoren (Inhibitoren der Bruton-Tyrosinkinase) hervor.
Ernährungstherapie bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen
Kerstin Dobberstein, Ernährungswissenschaftlerin aus Frankfurt am Main, zeigte in ihrem Vortrag auf, welchen Einfluss die Ernährung als Risikofaktor aber auch auf das Management chronisch-entzündlicher Erkrankungen haben kann. Besonderes Augenmerk richtete Dobberstein auf chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED). Hier sei ein Zusammenhang zwischen bestimmten Ernährungsgewohnheiten und der Entstehung der CED zwar viel diskutiert, jedoch bisher nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Möglicherweise könnten aber eine ballaststoffarme und an Omega-6-Fettsäuren, raffinierten Kohlenhydraten und tierischem Protein reiche Ernährung Risikofaktoren für die Entstehung sein.5 Viel Obst und Gemüse sowie Omega-3-Fettsäuren könnten hingegen präventiv wirken.6 Besonders wichtig sei jedoch ein regelmäßiges Screening auf Mangel- bzw. Unterernährung bei CED-Patienten etwa alle 6 Monate, da insbesondere Patienten mit Morbus Crohn ein stark erhöhtes Risiko einer Mangelernährung haben.5 Das Ziel der Ernährungstherapie sei in erster Linie, Nährstoffdefiziten vorzubeugen und Mangelernährung zu reduzieren. Sie wies außerdem darauf hin, dass eine parenterale Ernährung als Therapie bei CED im Rahmen der „Ruhigstellung des Darms“ nicht wirksam sei.
Abschießend gab die Expertin noch Tipps zur Ernährung bei rheumatischen Erkrankungen. Aufgrund des entzündungsfördernden Effekts von Arachidonsäure, eine ungesättigte Fettsäure, die zur Gruppe der Omega-6-Fettsäuren gehört, empfehle sich eine fleischarme, idealerweise vegetarische Ernährung. Zudem seien viel Obst und Gemüse, zweimal die Woche Fisch und ein Verzicht auf Alkohol und Nikotin vom Vorteil.
Augenerkrankungen: Häufig bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen
Prof. Dr. Carsten Heinz, leitender Arzt des Augenzentrums am St. Franziskus-Hospital Münster und außerplanmäßiger Professor der Medizinischen Fakultät der Universität Essen-Duisburg, beleuchtete die Schnittstellen zwischen chronisch-entzündlichen Erkrankungen und der Ophthalmologie. So seien mehrere Augenkrankheiten mit rheumatologischen Erkrankungen assoziiert in deren Folge es auch zu schweren Komplikationen bis hin zum dauerhaften Visus-Verlust kommen könne. Darunter seien zum Beispiel Benetzungsstörungen beim Sjögren Syndrom, vernarbende Schleimhautentzündungen (Pemphigoid) oder eine Skleritis. Außerdem wird die Uveitis oft bei Patienten mit Spondylarthropathien aber auch mit anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Sarkoidose, Juvenile idiopathische Arthritis (JIA) und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen diagnostiziert.7 Der Experte zeigte Daten, wonach bei rund 27 % der Patienten mit Spondylarthropathien mindestens ein Uveitis-Schub im Beobachtungszeitraum von fast 17 Jahren auftrat.8 Wie eine Studie bei JIA zeige, könne sich aber eine Therapie mit Methotrexat und den TNF-Inhibitoren Adalimumab und Etanercept protektiv auf die Entstehung einer Uveitis auswirken.9
Prof. Heinz schloss seinen Vortrag mit einem praktischen Hinweis: Da eine Uveitis nicht immer mit einem geröteten Auge einherginge, solle nach Ansicht des Experten insbesondere bei „Sehen von Punkten“, „verzerrtem Sehen“ und entrundeten Pupillen eine Vorstellung bei einem Ophthalmologen erfolgen.
- Limmroth, V et al. “Cerebral MRI is necessary in patients with rheumatoid arthritis and uveitis before undergoing therapy with TNF-alpha blocking agents.” Rheumatology (Oxford, England) vol. 44,11 (2005): 1373. doi:10.1093/rheumatology/kei158
- Hemmer B. et al., Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, S2k-Leitlinie, 2021, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 21.01.2022)
- Wiendl, H. et al. Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG): Positionspapier zur verlaufsmodifizierenden Therapie der Multiplen Sklerose 2021 (White Paper). Nervenarzt 92, 773–801 (2021). https://doi.org/10.1007/s00115-021-01157-2
- Fachinformation Kesimpta. Stand: 26. März 2021
- Bischof et al. (2014). S3-Leitlinie: Klinische Ernährung in der Gastroenterologie (Teil 4) – Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. AWMF-Register-Nr. 073/027.
- Forbes A. et al. ESPEN Guidline: Clinical nutrition in inflammatory bowel disease. Clin Nutr. 2017;36:321-347
- Becker, M D et al. “Was der Rheumatologe vom Augenarzt lernen kann” [What rheumatologists can learn from ophthalmologists]. Zeitschrift fur Rheumatologie vol. 77,6 (2018): 469-476.
- Frantz, C et al. “Acute anterior uveitis in spondyloarthritis: a monocentric study of 301 patients.” Clinical and experimental rheumatology vol. 37,1 (2019): 26-31.
- Tappeiner, C et al. “Risk Factors and Biomarkers for the Occurrence of Uveitis in Juvenile Idiopathic Arthritis: Data From the Inception Cohort of Newly Diagnosed Patients With Juvenile Idiopathic Arthritis Study.” Arthritis & rheumatology (Hoboken, N.J.) vol. 70,10 (2018): 1685-1694.