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Automatische Substitution von Biosimilars: Aus Fehlern lernen

Bereits im Sommer 2022 könnte dem Vorbild der Aut-idem-Regelung bei Generika folgend eine verpflichtende Substitution in der Apotheke von Biosimilars und ihren Referenzprodukten eingeführt werden. Aus Sicht von Walter Röhrer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars, braucht es das nicht. Er befürchtet sogar eine Verschlechterung der Versorgungslage mit Biologika.

Bereits im Sommer 2022 könnte es so weit sein: Dem Vorbild der Aut-idem-Regelung bei Generika folgend soll eine automatische Substitution in der Apotheke von Biosimilars und ihren Referenzprodukten verpflichtend werden. Die Grundlage bildet das 2019 verabschiedete Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), das schon heute die Umstellung von Biologika-Referenzprodukten auf Biosimilars, den sogenannten Switch, über eine entsprechende ärztliche Verordnung fördert.1,2 Doch welche Folgen hätte ein automatischer Austausch in der Apotheke? Aus Sicht von Walter Röhrer, Associate Director Market Access Biosimilars Biogen GmbH und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars braucht es die Substitution nicht. Er befürchtet sogar eine Verschlechterung der Versorgungslage mit Biologika.

Biosimilars haben alle gesundheitspolitischen Ziele schon heute erreicht

Auch ohne exklusive Rabattverträge haben Biosimilars die Ausgaben für die betreffenden Wirkstoffe bereits jetzt massiv gesenkt. Biosimilars sind dabei nicht nur günstiger als die Referenzprodukte, sie sorgen auch dafür, dass die Preise des Referenzprodukts sinken. Das wird deutlich beim Blick auf die Wirkstoffe Adalimumab und Etanercept: Im Jahr 2020 haben die gesetzlichen Krankenkassen durch den Einsatz von Biosimilars bei diesen Wirkstoffen mehr als 500 Millionen Euro eingespart.3 Und das, obwohl die Anzahl verordneter Tagestherapiedosen bei Adalimumab um 29 Prozent (+ 5 Mio. Tagestherapiedosen) gestiegen ist. Da die Kosten pro Tagestherapiedosis aber sinken – bei Adalimumab seit der Verfügbarkeit von Biosimilars ab 2018 um etwa ein Drittel – sanken die Kosten der Kassen um 110 Mio. Euro (Abb. 1).3 So ist eine Versorgung von mehr Patient*innen möglich, ohne die Gesundheitsausgaben stärker zu belasten.3 Schon heute sind zudem 85 Prozent aller Biosimilars unter Rabattvertrag.3

Abb. 1: Dank Biosimilars können mehr Menschen bei sinkenden Kosten versorgt werden.3

Das führt dazu, dass Biosimilars aktuell mehr als die Hälfte aller Verordnungen ausmachen – mit steigender Tendenz. Und dank der wachsenden Erfahrungen der Ärzt*innen mit Biosimilars durchdringen diese den Markt nach ihrer Einführung auch immer schneller.3 Walter Röhrer ist sich daher sicher: „Alle Ziele, die durch die automatische Substitution erreicht werden sollen, sind schon heute Realität. Das derzeitige System funktioniert, entlastet das Gesundheitssystem und steht für Versorgungssicherheit. Das alles sehe ich durch eine automatische Substitution in Apotheken gefährdet.“

Diversifizierte Produktionsstandorte sichern die Versorgung

Biosimilars stehen heute für maximale Versorgungssicherheit. Das liegt vor allem an einer stark diversifizierten Produktionslandkarte. Etwa 56 Prozent der in Deutschland auf dem Markt erhältlichen Biosimilars stammen aus Produktionsstätten in Europa.3 Und auch in Amerika und Asien steigt die Zahl der Standorte. So konnten bisher auftretende vorübergehende Lieferengpässe problemlos von anderen Herstellern ausgeglichen werden. „Diese Vielfalt der Produktionsstandorte ist ein Garant für resiliente Lieferketten und eine verlässliche Versorgung der Patientinnen und Patienten“, so Röhrer.

Aus Fehlern lernen: Entwicklungen wie beim Generikamarkt vermeiden

„Was passiert, wenn Exklusivverträge zu Quasi-Monopolen führen, sehen wir heute schon auf dem Generikamarkt“, gibt Röhrer zu bedenken. „Hier hat der Kostendruck zur Abwanderung der Produktion nach China und Indien geführt. Es sind globale Lieferketten entstanden, die immer effizienter und dabei immer störanfälliger wurden. Das ist gefährlich für die Versorgungssicherheit.“ So kam es in der Vergangenheit bereits häufiger zu Lieferengpässen, die teilweise sogar zu Versorgungsengpässen geführt haben. Heute diskutiert die Politik bereits, dieser Entwicklung bei Generika entgegenzuwirken und die Produktion einzelner Medikamente wieder zurück nach Deutschland zu holen. Röhrer gibt zu bedenken: „Mit der geplanten automatischen Substitution bei Biologika macht man nun beim Biosimilar-Markt den gleichen Fehler, statt daraus zu lernen. Die Entscheidung sollte unbedingt noch einmal auf den Verhandlungstisch.“


Quellen

  1. Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Online verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/G/GSAV_bgbl119_S.1202_150819.pdf. Letzter Zugriff: 09.12.2021.
  2. Arzneimittel-Richtlinie: Austausch von biotechnologisch hergestellten biologischen Arzneimitteln – § 40a. Online verfügbar unter: https://www.g-ba.de/beschluesse/4430/. Letzter Zugriff: 09.12.2021.
  3. Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars. Acht Gründe, warum es die automatische Substitution nicht braucht. Online verfügbar unter: https://probiosimilars.de/aktuelles/warum-die-automatische-substitution-unnoetig-ist/ Letzter Zugriff: 19.11.2021

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