Gesunde Ernährung bei Rheuma – mehr als nur ein kleiner Baustein?! Logo of esanum https://www.esanum.de

Gesunde Ernährung bei Rheuma – mehr als nur ein kleiner Baustein?!

Zum Thema &bdquo;Rheuma und Ern&auml;hrung&ldquo; hagelt es f&uuml;r Betroffene Ratschl&auml;ge und Tipps von allen Seiten. Was davon l&auml;sst sich belegen und wo fehlt Evidenz? So lotsen Sie Ihre Patient:innen durch den Ern&auml;hrungs-Dschungel. <u>Eine Hilfestellung</u>

Die Ausprägung chronisch entzündlicher Erkrankungen hängt vom Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie der genetischen Prädisposition, Autoimmunität oder Umweltfaktoren ab. Zu den Umweltfaktoren gehört auch die Ernährung. Inwieweit kann sie den Krankheitsstatus bei rheumatischen Erkrankungen beeinflussen? Wir haben für Sie zusammengefasst, welche Lebensmittel Sie Ihren Patient:innen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen empfehlen können und wovon Sie abraten sollten.

Was können die Studien (nicht) leisten?

Einige Studien legen eine therapeutische Wirkung der Ernährung auf entzündliche rheumatische Erkrankungen nahe.1 Nährstoffe gehen im Körper komplexe Interaktionen ein, es lässt sich jedoch nur schwer ermitteln, welchen Einfluss sie tatsächlich nehmen. So können eventuell entscheidende Interaktionen weder in isolierten Systemen noch in Tierversuchen nachgewiesen werden, da diese entweder nicht beobachtet oder nur bedingt auf den Menschen übertragen werden können.1 Verfügbare Daten belegen allerdings, dass die Ernährung einen direkten Einfluss auf die Immunantwort nehmen kann, da Nährstoffe in verschiedenste Signalwege auf dem gastro-intestinalen und dem systemischen Level eingreifen.2 Außerdem bestimmt die Art der Ernährung die Zusammensetzung des Mikrobioms im menschlichen Darm.2 Das ist relevant, da das Darm-Mikrobiom das Immunsystem bedeutend modulieren kann.4

Ernährungsfaktoren im Detail: Was können Sie Ihren Patient:innen empfehlen, was nicht?

Omega-3-Fettsäuren:

Algen, Phytoplankton und andere marine Mikroorganismen synthetisieren langkettige Omega-3-Fettsäuren. Für Menschen sind fettreiche Salzwasserfische die Hauptquelle dafür. Ihr positiver Einfluss auf Entzündungsprozesse begründet sich durch die Konkurrenz von Eicosapentaensäure (Omega-3) und Arachidonsäure (Omega-6) als Substrat für die Cyclooxygenasen (COX) 1 und 2 und Lipoxygenasen (LOX).1 Die Eicosapentaensäure hemmt entweder die Produktion von Omega-6-Eicosanoiden oder induziert die Synthese von Omega-3-Eicosanoiden.1 Letztere haben schwächere proinflammatorische, prothrombotische und chemotaktische Effekte als die entsprechenden Omega-6 Fettsäuren.1 So erklärt sich der Zusammenhang von einem hohen Konsum fettreichen Fisches und einer reduzierten RA-Inzidenz in mehreren Studien. Beispielsweise reduzierte ein Fischkonsum von mindestens einmal pro Woche das Risiko, eine RA zu entwickeln um 29 % in einer schwedischen Kohortenstudie.1

Alkohol:

Diverse Studien, die sich mit dem Einfluss von Alkohol beschäftigten, haben paradoxerweise einen präventiven Effekt auf die Entwicklung einer RA gezeigt.2 Allerdings macht hier die Menge den Unterschied: Schwerer oder moderater Konsum kann die Entwicklung einer RA begünstigen, da die gastrointestinale Barriere und die Darmflora gestört werden.2 Eine Metaanalyse mit über 195.000 Teilnehmer:innen ergab eine negative Korrelation zwischen Alkoholkonsum und Entwicklung einer RA.3 Der Zusammenhang war dabei abhängig von Dosis, Dauer und Geschlecht.3 Bisher wurde vor allem die Wirkung von Resveratrol, enthalten in Rotwein, untersucht. In einer kleinen RCa-Studie konnte 1 g Resveratrol die DAS28-Werte und die Konzentration verschiedener biochemischer Marker senken.4 Trotzdem sollten RA-Betroffene nicht vermehrt Rotwein konsumieren, da das Risiko für Leberschäden durch eine RA-Medikation (Methotrexat, Sulfasalazin) zusätzlich erhöht sein kann.

Kaffee und Tee:

Beide Getränke werden weltweit in großen Mengen konsumiert. Sie beeinflussen die Gesundheit durch eine Vielzahl von Mechanismen.Phenole in Tee und Kaffee können die Methylierung der DNA modulieren, was wiederum Entzündungsfaktoren hemmen kann. Für Epigallocatechin-3-gallat (EGCG) aus grünem Tee konnten auch für RA-Fibroblasten schützende Effekte gezeigt werden. Unter anderem hemmt EGCG zusammen mit EGC (Epigallocatechingallat) die Produktion von inflammatorischen Interleukinen (IL-6, IL-8 und MMP-2).4

Der therapeutische Nutzen von Kaffee bei RA bleibt unsicher. Während es bei der Entwicklung von manchen Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose und Colitis ulcerosa schützend wirkt, scheint es die Entwicklung einer seropositiven RA zu begünstigen.4,5 Dies gilt nicht bei seronegativer RA und bei entkoffeiniertem Kaffee. Auch hier ist wahrscheinlich die Dosis entscheidend. In einer Querschnittsstudie war die Menge der getrunkenen Tassen direkt proportional zum Nachweis von Rheumafaktoren.4 Hier mag auch von Bedeutung sein, dass Koffein in mehreren Studien die Wirkung von Methotrexat, dem bei RA am häufigsten verordneten DMARDc, herabsetzte.4

Fruchtsäfte:

Bekannterweise ist Obst, besonders polyphenolreiche Sorten, aufgrund der antioxidativen und anti-inflammatorischen Eigenschaften, gesundheitsfördernd.4 So zeigte beispielsweise Granatapfelsaft, der eine hohe Polyphenolkonzentration aufweist, therapeutisches Potential bei RA. In einer kleinen Studie verbesserten sich bei RA-Patient:innen, die für acht Wochen Granatapfelsaft konsumierten, die Krankheitsaktivität (DAS28), Schmerz-Scores und die ESRb signifikant im Vergleich zur Kontrollgruppe.Carotinoide, die vor allem in Orangensaft vorkommen, können ebenso antioxidativ und somit schützend bei entzündlichen Krankheiten wirken.Betalain aus Roter Beete wirkt gegen oxidativen Stress und kann die Produktion proinflammatorischer Zytokine hemmen.4 Bei RA-Patient:innen mit Kniebeschwerden konnten mit Betalain die patient-related outcomes (PROs) verbessert werden. Auch Cranberrysaft ist für seine antioxidativen Effekte bekannt und zeigte in einer kleinen Studie eine Senkung im DAS28 und Anti-CCP Titer nach 90 Tagen.4

Gesüßte Softdrinks:

Der negative Einfluss von Zucker auf die Gesundheit ist hinreichend bekannt. Eine hohe Glukoseaufnahme verschlechterte den Autoimmunstatus in Mausmodellen.4 Ähnliche Effekte scheinen beim Menschen unter hohem Glukose- und Fruktosekonsum aufzutreten.4 Für Rheumaerkrankungen im Speziellen gibt es diesbezüglich keine ausreichende Evidenz. In der Nurses‘ Health Study (nur Frauen als Teilnehmer) war der regelmäßige Genuss von gesüßten Getränken mit einem höheren Risiko für die Entwicklung einer seropositiven RA assoziiert.1

Rotes Fleisch:

Der Konsum von rotem Fleisch ist schon länger als Risikofaktor für die Entwicklung von entzündlicher Polyarthritis bekannt: In der EPIC-Norfolk Studie wurde zwischen 1993 und 2002 der Ernährungsstatus von über 25.000 Teilnehmer:innen erfasst. In diesem Zeitraum wurde bei 88 Personen eine Polyarthritis diagnostiziert. Die Betroffenen hatten mehr rotes Fleisch konsumiert (p = 0.04) und ihr Vitamin C-Status war niedriger (p = 0.03) als in der Kontrollgruppe. Nach Anpassung der Faktoren (z.B. Kalorienaufnahme, Raucherstatus) ergab sich für die Personen mit dem größten Konsum von rotem Fleisch, Fleisch und Fleischprodukten ein erhöhtes Risiko, eine entzündliche Polyarthritis zu entwickeln.7

Spurenelemente:

Unter den Spurenelementen spielen bei Rheumatoider Arthritis Zink und Kadmium als Effektoren von Immunsystem, Entzündungen und Stoffwechsel eine Rolle: Schon lange ist bekannt, dass der Zinkspiegel im Blut von RA-Patient:innen erniedrigt ist. Als Cofaktor in über 3.000 Proteinen beeinflusst Zink viele Signalwege, die bei arthritischen Erkrankungen relevant sind.2 Kadmium dagegen beeinträchtigt die Aktivität von Zink, wird aber bei einem Zinkmangel vermehrt aufgenommen. Für die Aufnahme von Kadmium via Inhalation konnte nun gezeigt werden, dass dabei Makrophagen in einen proinflammatorischen Zustand aktiviert werden, was als Auslöser für eine spezifische Form nodularer RA vermutet wird.2 Es wird daher empfohlen, den Spiegel von Zink und Kadmium routinemäßig bei RA-Patient:innen zu beobachten.2

Vitamin D:

Eine Supplementation mit Vitamin D wird im Allgemeinen sehr kontrovers diskutiert. In Bezug auf entzündliche rheumatische Erkrankungen ergab eine Metaanalyse keine signifikante Reduktion der RA-Aktivität (DAS-28 oder Schmerz) durch eine orale Vitamin D-Supplementation.2 Dieses Ergebnis sollte aber auch durch die hochselektiven Einschlusskriterien mit Vorsicht interpretiert werden.2 Zumindest RA-Patient:innen mit einem Vitamin-D-Mangel sollten supplementiert werden, um muskuloskelettale Komplikationen zu vermeiden.2

Fazit:

Die Ernährung ist einer von vielen Faktoren, der eine chronisch entzündliche Erkrankung beeinflussen kann. Ein wichtiger Punkt dabei: Der Patient oder die Patientin kann diesbezüglich selbst aktiv an der Therapie mitwirken – dies kann durchaus motivierend wirken.

Weitere Informationen für Sie und Ihre Patient:innen finden Sie zum Beispiel auf den Seiten der Rheumaliga: Ernährung (rheuma-liga.de)

a RC: random controlled
b ESR: erythrocyte sedimentation rate
c DMARD: krankheitsmodifizierende Antirheumatika

Quellen

  1. Semerano L, et al. Joint Bone Spine. 2017 Oct;84(5):547552.
  2. Cutolo M, Nikiphorou, Nutrients 2022, 14, 888.
  3. Jin Z, et al. Ann. Rheum. 2013, 73, 1962–1967
  4. Dey M, et al. Nutrients. 2020 Oct 15;12(10):3155.
  5. Lee YH, et al. Clin. Rheumatol. 2014, 33, 1575–1583.
  6. Ghavipour M et al. Eur. J. Clin. Nutr. 2016, 71, 92–96.
  7. Pattison DJ, et al. Arthritis Rheum 2004;50:3804–12.

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