Die Rheuma-Reihe: Rheuma und Lunge
Organbeteiligungen kommen bei einem Großteil der Rheuma-Erkrankten vor. Erkrankungen der Bronchien und der Lunge zählen zu den wichtigsten Formen. Erfahren Sie mehr zu pulmonalen Komorbitäten bei Rheuma und zur Bedeutung für den Praxisalltag!
80 % der Patient:innen mit rheumatoider Arthritis (RA) leiden unter Komorbiditäten.1 Bei Betroffenen von axialer Spondyloarthritis (axSpA) und Psoriasis-Arthritis (PsA) ist die Häufigkeit von Begleiterkrankungen ähnlich hoch.1,2 Sie können den Krankheitsverlauf beeinflussen und Therapiemöglichkeiten einschränken.1,2 Erkrankungen der Bronchien und der Lunge gehören zu den wichtigsten Organbeteiligungen bei RA.3 Dabei sind vor allem obstruktive und interstitielle Lungenerkrankungen (ILD) klinisch bedeutsam.3 Das Risiko, an einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD) oder einem Bronchialkarzinom zu erkranken, ist bei RA-Patient:innen erhöht.3
PsA- und axSpA-Erkrankte sind ebenfalls vermehrt von Lungenfunktionsstörungen betroffen.4 Erhalten Sie einen Überblick über Lungenerkrankungen bei Rheuma!
Rheumatische Erkrankungen = systemische Erkrankungen
Eine oder mehrere Begleiterkrankungen treten bei der Mehrheit der RA-, axSpA- und PsA-Erkrankten auf.1,2 Komorbiditäten sind ihrerseits behandlungsbedürftig und beeinflussen die zugrundeliegende Grunderkrankung.1 Sie verändern Krankheitsverlauf, Outcome und Therapiewahl.1,4 Beispielsweise wird die Chance auf eine Remission pro Komorbidität geringer.5 Außerdem haben RA-Betroffene mit Begleiterkrankungen eine erhöhte Mortalität.4,6
Komorbiditäten sind entscheidend für den Krankheitsverlauf bei Rheuma: Die Wahrscheinlichkeit einer Remission nimmt bei RA-Patient:innen um 28% pro Komorbidität ab.5Auch bei PsA- und axSpA-Erkrankten reduzieren Begleiterkrankungen die Wahrscheinlichkeit einer Remission.6,7 Daher ist es essentiell, Begleiterkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Erfahren Sie in unserer Beitragsreihe ,,Die Rheuma-Reihe: Rheuma…“ mehr – zu den möglichen Beeinträchtigungen von Herz- und Nierenfunktion sowie zu psychischen Erkrankungen!
Lungenerkrankungen und Rheuma
Die Lunge ist im Rahmen von rheumatischen Erkrankungen häufig betroffen, eine Beteiligung ist in allen anatomischen Strukturen (Atemwege, Alveolen, Gefäßbett, Pleura) möglich.8 Jede rheumatische Erkrankung weist dabei spezifische Befallsmuster auf, die sich zum Teil überschneiden.8RA-, PsA- und axSpA-Patient:innen haben ein erhöhtes Risiko, Lungenerkrankungen zu entwickeln.3,4 Daher sollte jeder Rheuma-Patient und jede Rheuma-Patientin auf Lungenfunktionsstörungen getestet werden.8 Zudem ist eine Erfassung von extrapulmonalen Symptomen auch bei ILD-Patient:innen ratsam.8 Eine entsprechende Diagnostik erfolgt in der Praxis jedoch häufig nur unvollständig.8
Impfschutz bei Rheuma-Patient:innen
Patient:innen mit rheumatischen Erkrankungen haben aufgrund der Therapie mit beispielsweise Biologika sowie aufgrund der Erkrankung selbst ein erhöhtes Infektionsrisiko.3,9-13 Pulmonale Infektionen tragen wesentlich zur Morbidität und Mortalität bei, können in den meisten Fällen jedoch durch eine Impfung vermieden werden.12 Die STIKO empfiehlt allen Rheuma-Patient:innen einen ausreichenden Impfschutz, bevorzugt mit Totimpfstoffen.11,12 Die Empfehlung umfasst notwendige Auffrischimpfungen für Tetanus und Diphtherie sowie die empfohlenen Impfungen für Pneumokokken, Meningokokken und Influenza.11,12
Interstitielle Lungenerkrankungen bei RA
RA-Patient:innen sind häufig von Lungenerkrankungen betroffen: nach 15-jähriger Krankheitsdauer tritt bei etwa einem Viertel eine pulmonale Begleiterkrankung auf.14 ILD, COPD und Lungenkarzinome spielen dabei eine besondere Rolle.3
Die RA-ILD gehört zu den häufigsten Organmanifestationen und ist die einzige Organbeteiligung, die in den letzten Jahren an Häufigkeit zunahm.3 Risikofaktoren an einer RA-ILD zu erkranken sind hohes Alter, männliches Geschlecht sowie Rauchen.15 Außerdem ist die RA-ILD von der Dauer und Schwere der RA-Erkrankung abhängig.15 Die RA-ILD ist neben kardiovaskulären Erkrankungen und Infektionen eine der Haupttodesursachen bei RA und für 10-20 % aller Todesfälle von RA-Patient:innen verantwortlich.3
ILD sind eine heterogene Gruppe von nichtinfektiösen Erkrankungen des Lungenparenchyms mit variablen Mustern aus Entzündung und Fibrose.3 Eine ILD führt zum Rückgang von gesundem Lungengewebe.3 Als Folge treten Kurzatmigkeit und Husten bei Patient:innen auf.3 ILD werden in 4 Gruppen eingeteilt (Abb. 1).3 RA-ILD werden den ILD mit bekannter Ursache zugeordnet.16
Abbildung 1: Einteilung der interstitiellen Lungenerkrankung (ILD). Modifiziert nach 3,16.
RA-ILD können sehr früh im Krankheitsverlauf auftreten, werden jedoch häufig nicht erkannt.17,18
Unter anderem deshalb, weil der klinische Verlauf der RA-ILD sehr variabel ist.15 Beispielsweise treten nur bei einem Bruchteil der Betroffenen Symptome auf.3,15 Untersuchungen zeigten interstitielle Lungenveränderun-gen bei 60 % der RA-Patient:innen, klinisch symptomatisch war aber nur ein Zehntel.3 Auch die Progression der Symptome ist zwischen Patient:innen verschieden: RA-ILD- Symptome verschlechtern sich je nach Schwere der ILD mit unterschiedlicher Geschwindigkeit.15
Symptome der RA-ILD sind relevant und sollten gegenüber Nebenwirkungen von Basistherapeutika wie krankheitsmodifizierenden anti-rheumatischen Medikamente (z. B. DMARDs) abgegrenzt werden, um eine geeignete Therapiewahl zu ermöglichen.3 Daher sollten RA-Erkrankte bei Erstdiagnose und im Verlauf auf eine RA-ILD untersucht werden.3
Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung und RA
Etwa 10% aller RA-Patient:innen sind von einer COPD betroffen – oft auch schon vor Ausbruch oder in der frühen Phase ihrer rheumatischen Erkrankung.3,19 Das Risiko für RA-Patient:innen, im Laufe der Zeit an COPD zu erkranken, liegt mit 9,6 % deutlich über dem der Normalbevölkerung mit 6,2 %.19 In der Therapie der COPD ist auf eine eingeschränkte Anwendbarkeit von Inhalativa durch RA-bedingte Funktionsstörungen der Hände zu achten.3
Lungenkrebs bei RA-Erkrankten
Das Risiko für ein Bronchialkarzinom ist bei RA-Patient:innen erhöht.3,9,20 Bedingt durch Bronchi- alkarzinome haben RA-Patient:innen eine erhöhte Mortalität.3,9,20,21 Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Lungenkrebs sogar die häufigste durch Krebs verursachte Todesursache bei RA- Erkrankten ist.21
Risikofaktoren für Lungenkarzinome bei RA-Patient:innen sind hohes Alter, Rauchen, chronische Entzündungs-prozesse, sowie das Vorliegen einer ILD.21 Rauchen ist sowohl für Bronchialkarzinome als auch für RA ein Risikofaktor, und wird als Ursache für die erhöhte Inzidenz von Bronchialkarzinomen bei RA diskutiert.9,10,21 Eine RA-Therapie hingegen steht in keinem Zusammenhang mit dem Auftreten von Lungentumoren bei RA-Patient:innen.21
Lungenerkrankungen bei PsA und axSpA
PsA- und axSpA-Patient:innen haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Lungenerkrankungen.4 Im Vergleich zur RA, sind die Auswirkungen einer pulmonalen Komorbidität auf den Verlauf einer PsA- und axSpA-Erkrankung weniger gut verstanden.22 Einige Zusammenhänge konnten jedoch erschlossen werden:
Eine ILD im Rahmen einer PsA ist häufig und ihr klinisches Bild oft heterogen.23 Zudem scheint auch eine Verbindung zwischen dem Auftreten von COPD und PsA zu bestehen – so kommt eine COPD bei PsA ebenfalls häufig vor.24,25 Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Patient:innen mit frühem Krankheitsbeginn der PsA häufiger von COPD betroffen sind.25 Zusätzlich wird diskutiert, ob Entzündungsprozesse ursächlich für eine PsA sowie eine COPD sind und eine anti-entzündliche Therapie beide Erkrankungen verbessern könnte.24
Betroffene einer axSpA haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko, an COPD zu erkranken.26 COPD ist die dritthäufigste Begleiterkrankung bei axSpA-Patient:innen.22 Studienergebnisse deuten darauf hin, dass eine COPD die Krankheitsaktivität von axSpA-Patient:innen erhöhen kann.27
Praktisches für die Praxis
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Vorsorgeuntersuchungen bei Erstdiagnose und im Verlauf einer Rheuma-Erkrankung helfen dabei, pulmonale Komorbiditäten frühzeitig zu erkennen.3,8
- Eine ILD und COPD kommen bei RA-, PsA- und axSpA-Erkrankten vermehrt vor.3,4
- Bei allen Rheuma-Erkrankungen sollte ein Impfschutz gemäß STIKO stets berücksichtigt werden.11,12 RA-Patient:innen mit COPD können Inhalativa nur eingeschränkt anwenden.3
- Bei PsA-Erkrankten mit COPD könnte sich eine anti-entzündliche Therapie auch positiv auf die COPD auswirken.24
- Bei axSpA führt COPD zur Erhöhung der Krankheitsaktivität und sollte daher frühzeitig behandelt werden.27
axSpA: axiale Spondyloarthritis
COPD: chronisch obstruktive Atemwegserkrankung
DMARDs: krankheitsmodifizierende antirheumatische Medikamente
ILD: interstitielle Lungenerkrankungen
PsA: Psoriasis-Arthritis
RA: rheumatoide Arthritis
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