Kardiale Transthyretin-Amyloidose: verschiedene Puzzleteile ergeben das Bild
Hinter der kardialen ATTR-Amyloidose steckt meistens kein einzelnes Symptom und kein einzelner Befund – für die gesicherte Diagnose ist die Beachtung vieler, teilweise unspezifischer Symptome und Befunde notwendig.<sup>1 </sup>Deshalb ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit ausschlaggebend für eine frühzeitige Diagnose.<sup>1</sup>
In einem Experten-Panel diskutieren Fachärzte über die Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit bei dem vielschichtigen Krankheitsbild der Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie (ATTR-CM):
- Prof. Dr. Benjamin Meder (Leiter des Instituts für Cardiomyopathien, Heidelberg)
- PD Dr. Daniel Messroghli (Oberarzt, Schwere Herzinsuffizienz und Kardiomyopathien, Deutsches Herzzentrum Berlin)
- Prof. Dr. Wilhelm Haverkamp (Facharzt für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung Kardiologie, Berlin)
- Dr. Jan Lokies (Hausarzt und Facharzt für Innere Medizin, Berlin)
- Prof. Dr. Christoph Rischpler (Oberarzt, Klinik für Nuklearmedizin, Essen)
Die ATTR-CM ist eine Erkrankung, die durch Amyloid-Ablagerungen im Herzen verursacht wird.1,2 Für die frühzeitige Diagnose der ATTR-CM als Ursache einer Herzinsuffizienz sind die sogenannten „Red Flags“ wichtige Warnsignale in der täglichen Praxis.1
Prof. Dr. Wilhelm Haverkamp betont:
„Die kardiale Amyloidose ist ein Puzzle. Es sind die einzelnen Puzzleteile, die man wissen muss, und dann kann man die kardiale Amyloidose auch erkennen. So muss auch schon der Chirurg achtsam sein, „Red Flags“ zu erkennen, wie z. B. das Karpaltunnelsyndrom als extrakardiale Manifestation der ATTR-CM. Da muss der Groschen fallen!“
Der Beginn der Diagnosesicherung startet beim Verdacht. Dr. Jan Lokies, selbst Hausarzt, verdeutlicht seine Rolle im Rahmen der Diagnose:
„Die Basisdiagnostik bei diesen Patient:innen ist die gründliche Anamnese: Welche Symptome und welche klinischen Befunde hat der Patient? Das ist meine Aufgabe als Hausarzt, diese entscheidenden Fragen zu beantworten, um schließlich die weiteren diagnostischen Schritte einleiten zu können.“
Erfahren Sie hier mehr über die Rolle der Hausärztin/des Hausarztes:
Es lohnt sich, auch bei Herzinsuffizienz-Patient:innen mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFpEF) immer an eine ATTR-CM zu denken. Denn Studiendaten zeigen, dass
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etwa 50 % der Herzinsuffizienz-Patient:innen eine HFpEF haben3,4
- bei bis zu 13 % der Patient:innen mit HFpEF eine ATTR-CM nachgewiesen werden konnte5
Dieser hohe Anteil legt nahe, dass diese Entität bei HFpEF-Patient:innen berücksichtigt werden sollte, und unterstreicht nochmals die Notwendigkeit der Durchführung einer Echokardiografie.5
PD Dr. Daniel Messroghli betont:
„Für uns Kardiolog:innen ist es wichtig, dass möglichst viele Befunde, die es schon gibt, überhaupt bei uns ankommen. Wir komplettieren dann alles, was noch nicht gemacht wurde, und führen weitere bildgebende Diagnostikmaßnahmen durch, wie z. B. das kardiale MRT und die Echokardiografie, die eine zentrale Rolle bei Verdacht auf ATTR-CM hat.“
Bei Verdacht auf ATTR-CM und nach Ausschluss einer AL-Amyloidose über Serum- und Urinuntersuchungen sollte zusätzlich eine nuklearmedizinische Praxis eingebunden werden, um mittels Skelettszintigrafie mit Tracern, die hohe Affinität zu ATTR-Amyloidfibrillen haben, die Amyloidablagerungen im Herzmuskel sichtbar zu machen.6
Prof. Dr. Christoph Rischpler führt die Vorteile der Skelettszintigrafie auf:
„Der Stellenwert der Skelettszintigrafie ist hoch, denn sie wird auch in der ESC-Leitlinie als hochspezifische Maßnahme empfohlen. Wir können den Patient:innen die Angst nehmen, denn bei der Skelettszintigrafie handelt es sich um eine nicht invasive Methode.“
Neben den diagnostischen Maßnahmen bei Verdacht auf kardiale Amyloidose sind auch die kardialen und extrakardialen „Red Flags“, die Alarmglocken der ATTR-CM und der kardialen AL-Amyloidose, in die ESC-Leitlinien für die Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz eingegangen. Hier sind einige davon:6
Kardiale „Red Flags“ (ATTR- und AL-Amyloidose)6
- Normotonie bzw. Hypotonie bei vorhergehender behandlungsbedürftiger Hypertonie
- Auffälligkeiten im EKG (z. B. relative Niedervoltage, Pseudoinfarktmuster, AV-Block)
- NT-proBNP im Verhältnis zum Grad der Herzinsuffizienz überproportional erhöht
- Herzinsuffizienz mit linksventrikulärer Herzwandverdickung ≥ 12 mm
Extrakardiale „Red Flags“ (ATTR-Amyloidose)6
- Bilaterales Karpaltunnelsyndrom
- Spinalkanalstenose
- Bizepssehnenruptur
- Polyneuropathie
Extrakardiale „Red Flags“ (AL-Amyloidose)6
- Hauteinblutungen
- Makroglossie
- Polyneuropathie
Prof. Dr. Benjamin Meder schließt die interessante Paneldiskussion mit einer Take-Home-Message ab:
„Die Verzahnung von niedergelassenen Ärzt:innen, Spezialzentren und weiteren Fachdisziplinen ist für die frühzeitige Diagnose der ATTR-CM ausschlaggebend, um anschließend die Kausaltherapie einleiten zu können.“
Eine möglichst frühe Diagnose kann für die Patient:innen mit ATTR-CM relevant sein, denn mittlerweile kann diese Erkrankung kausal behandelt werden. Seit Februar 2020 ist Tafamidis freie Säure (Vyndaqel® 61 mg) für die Behandlung bei ATTR-CM zugelassen.7,8
Fazit: Damit die einzelnen Puzzleteile das Gesamtbild ATTR-CM ergeben, sind die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Kommunikation ausschlaggebend:
- In der hausärztlichen Praxis können EKG- und Laborbefunde und „Red Flags“ aus der Anamnese wie Normotonie bzw. Hypotonie bei vorhergehender behandlungsbedürftiger Hypertonie auffallen.6
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Kardiologie (u. a. Durchführung einer Echokardiografie: LV-Herzwandverdickung ≥ 12 mm)6
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Nuklearmedizin (Durchführung der Skelettszintigrafie)6
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Hämatoonkologie (Ausschluss einer AL-Amyloidose)6
Weitere Kurzvideos der einzelnen Fachbereiche und Teilnehmer finden Sie unter der Rubrik „Mediathek“.
- Maurer MS et al. Circulation 2017;135(14):1357–1377.
- Sekijima Y et al. Curr Pharm Des 2008;14(30):3219–3230.
- Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz – Langfassung, 3. Auflage, 2019, Version 3. doi: 10.6101/AZQ/000482. leitlinien.de/herzinsuffizienz
- Vasan RS et al. JACC Cardiovasc Imaging 2018;11(1):1–11.
- González-López E et al. Eur Heart J 2015;36(38):2585–2594.
- McDonagh TA et al. Eur Heart J 2021;42(36):3599–3726.
- Vyndaqel® 61 mg, Fachinformation nach aktuellem Stand.
- Maurer MS et al. N Engl J Med 2018;379(11):1007–1016.