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Zyklus-Apps: Eine geeignete Verhütungsmethode?

Immer mehr Frauen nutzen Smartphone-Anwendungen, um damit ihre fruchtbaren Tage zu berechnen. Dabei denken viele, dass die Apps eine hormonfreie, preissparende Verhütungs- Alternative sind – ein gefährlicher Trugschluss.

Zyklusbeobachtung mit dem Smartphone 

Der Markt von Zyklus- und Fertilitäts-Apps boomt: Seit einigen Jahren kommen immer mehr Smartphone-Anwendungen auf den Markt, die ihren Nutzerinnen versprechen, durch die Beobachtung und Dokumentation des Zyklus eine Schwangerschaft planen oder verhindern zu können. Es wird ihnen der Eindruck vermittelt, mit Hilfe der Apps ein sicheres, modernes und oft kostengünstiges Verhütungsmittel gefunden zu haben – das ganz ohne Hormone auskommt. Damit greifen App-Entwickler und Anbieter die anhaltende „Anti-Hormon“-Bewegung auf, der unter vielen Patientinnen nach wie vor große Wellen schlägt und vermutlich einer der Gründe dafür ist, dass der Verkauf hormoneller Verhütungsmittel seit 2015 um über vier Prozent je Jahr zurückging. 

Zweifelhafte Messmethoden 

Das angepriesene Motto ist es, mehr zu sich finden und auf die Signale des eigenen Körpers zu hören. Das klingt für viele Frauen erst einmal sinnvoll und erstrebenswert – besonders in Zeiten, in denen hormonelle Verhütung in den Publikumsmedien und Social Media oft negativ dargestellt wird. Was die meisten Anwenderinnen jedoch nicht wissen: Die Apps sind längst nicht so fortschrittlich, wie sie erscheinen mögen. Denn viele von ihnen basieren auf jahrhundertealten Mess-Grundlagen, deren Sicherheit von Ärzten schon lange angezweifelt wird, etwa die Knaus-Ogino-Methode. Deren moderne Interpretation stellt sich folgendermaßen dar: Die Berechnung der fruchtbaren Tage basiert auf Durchschnittswerten der Zykluslänge, aus denen ein automatischer Algorithmus erstellt wird. Dieser Algorithmus ist die Grundlage für die Vorhersage von fruchtbaren und unfruchtbaren Tagen. Individuelle Faktoren wie Krankheit oder Stress, welche den Zyklus beeinflussen können, bleiben dabei jedoch außen vor. Erschwerend kommt hinzu, dass das Potential für Anwendungsfehler seitens der Anwenderin relativ hoch ist. Denn das Messen und Eintragen der Werte muss täglich und zur immergleichen Uhrzeit erfolgen. Da können kurze Nächte oder Reisen die Ergebnisse schnell verfälschen. 

Aktuelle Einschätzungen 

Die Studienlage für Zyklus-Apps ist unzureichend, da aktuell keine prospektiven und verlässlichen Untersuchungen vorhanden sind. Hinzu kommt, dass viele der vorhandenen Studien von den Unternehmen, welche die Apps herausgebracht haben, selbst durchgeführt und veröffentlicht werden. Die wissenschaftliche Validität ist in diesem Fällen also unbedingt kritisch zu hinterfragen. Stiftung Warentest hat sich dem Thema ebenfalls angenommen und den Anwenderinnen eine Einschätzung gegeben. Demzufolge wurden zwei Applikationen „Lady Cycle“ (für Android) und „MyNFP“ (für Android und iOS) als „gut“ eingestuft. Was diese Apps von anderen Zyklus-Apps unterscheidet: Sie stützen sich nicht nur auf statistischer Algorithmus-Berechnung, sondern auf sympto-thermalen Methoden der NFP (natürliche Familienplanung): Die App analysiert das fertile Fenster der Anwenderin durch die tägliche, kombinierte Dokumentation von Körpertemperatur, Zervix-Schleim und gegebenenfalls Veränderungen am Muttermund bzw. Gebärmutterhals. Die DGGGEF (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin e.V.)  äußert sich zur Sicherheit von Zyklus- bzw. Fruchtbarkeits-Apps ähnlich. Auch sie gibt die Einschätzung, dass allemal NFP-basierte Apps bei Bestimmung der fruchtbaren Tage sinnvoll sind, wenn die Berechnung der Fruchtbarkeitsphase auf einer kombinierten Messung und Auswertung von Körpersignalen basiert. Allerdings ist auch dabei Vorsicht geboten. Denn diese Messmethoden sind nur dann zuverlässig, wenn die Anwenderin geübt darin ist und sensibel mit ihrem Körper umgeht. Für junge Frauen und Frauen mit einem unregelmäßigen Tages-Rhythmus ist auch diese Methode nicht zu empfehlen. Auch der Bundesverband der Frauenärzte e.V. stimmt zu: Ungeeignet seien Apps, welche fruchtbare Tage aufgrund von vorgegebener Zykluslänge oder der täglichen Messung der Körpertemperatur oder anhand der LH-Messung errechnen – nur der beschriebene Methodenmix kann eine sinnvolle Maßnahme zur natürlichen Verhütung sein. 

Irreführende Zertifizierung

Einige Hersteller werben damit, dass sie TÜV-zertifiziert sind. Man könnte meinen, dass eine solche Zertifizierung ein Zeichen für die Sicherheit und Zuverlässigkeit einer App sei. Dennoch ist es so, dass das Zertifikat lediglich bestätigt, dass der Algorithmus in der App technisch einwandfrei funktioniert. Die Anwendbarkeit auf den individuellen Zyklus der Nutzerin werden dabei aber keinesfalls berücksichtigt. Der TÜV schreibt also keine Garantie für eine sichere Kontrazeption aus. Doch vielen Frauen fehlt das Wissen über die genaue Funktionsweise der Apps. Sie verlassen sich bei ihrer Einschätzung vor allem auf Online-Bewertungen anderer Nutzerinnen – die wiederum oft selber nicht ausreichend informiert sind. Gerade für jüngere Patientinnen kann das Verwenden solcher Apps Gefahren bergen: Fehlende Aufklärung, Wachstums- und Entwicklungsphase sowie ein unregelmäßiger Tages-Rhythmus steigern das Risiko für eine fehlerhafte Anwendung. Das Trügerische: TÜV-Siegel, CE-Klassifizierung oder die FDA-Zulassung einer Verhütungs-App basieren, nicht auf unabhängigen Studien, sondern Herstellerangaben. 

Kritische Fragen zur Prüfung 

Fakt ist, dass keine Smartphone-gesteuerte App jemals einen sichereren Schutz bieten kann, als die NFP-Methode, der sie zugrunde liegt – besonders dann nicht, wenn man sich an den europäischen Kontrazeptions-Standards orientiert. Wird die Benutzung einer Zyklus- oder Fertilitäts-App in Erwägung gezogen, muss ganz klar unterschieden werden, welchem Zweck die Anwendung dienen soll. Um besser einschätzen können, ob eine App für die Patientin geeignet sein könnte, sollten folgende Punkte genauer beachtet werden: 

Tipp für die Patientin: Reminder-Apps als clevere „Verhütungs-Helfer“

Neben Zyklus- und Fertilitäts-Apps, gibt es andere Applikationen, die durchaus einen Teil zur sicheren Verhütung beitragen können. Etwa solche, die an eine pünktliche Einnahme der Pille, an ein neues Rezept, oder den anstehenden Untersuchungstermin erinnern. Da zu erwarten ist, dass die App-Entwicklung und -Nutzung im Bereich der Frauengesundheit weiter zunehmen wird, haben Gynäkologen in diesen Zeiten eine besondere Verantwortung ihren Patientinnen gegenüber:  Die Prävention durch Aufklärung wird eine immer wichtigere Rolle spielen, wofür im Beratungsgespräch – vor allem mit jungen Patientinnen – unbedingt ausreichend Zeit eingeräumt werden sollte. 

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