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Wettstreit gegen die Zeit: Kinderwunschberatung bei Frauen über 30

Erst die Karriere, dann die Kinder – Familienplanung wird heutzutage häufig erst ab „30 plus“ ein Thema, dann soll (muss) es aber in der Regel schnell gehen.

Erst die Karriere, dann die Kinder – Familienplanung wird heutzutage häufig erst ab „30 plus“ ein Thema, dann soll (muss) es aber in der Regel schnell gehen. Die moderne Medizin macht das in vielen Fällen auch möglich, bleibt nur die zentrale Frage für die Paare und behandelnden Gynäkologen wie die zur Verfügung stehende Zeit am besten genutzt werden sollte: Wie lange ist es sinnvoll auf eine Spontankonzeption zu warten und ab wann sollte doch lieber eine Sterilitätstherapie begonnen werden?

Die Fertilität sinkt ab Mitte 20 ab: erst langsam, dann stark

Was vielen Frauen nicht bewusst ist: der Höhepunkt der Fruchtbarkeit liegt um das 25. Lebensjahr herum, danach nimmt die Fertilität bereits stetig ab. Bis zu einem Alter von 30 Jahren befindet sie sich noch auf einem relativ homogen hohen Level. Nach dieser Grenze sinkt die Fertilität bis zum 35. Lebensjahr zunächst leicht ab, danach deutlich stärker. Mit etwa 45 Jahren muss die Fruchtbarkeit quasi als gänzlich aufgehoben betrachtet werden.1 Anders ausgedrückt, nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Empfängnis kontinuierlich mit dem Alter ab. Bei gesunden Paaren mit Kinderwunsch und regelmäßigem Geschlechtsverkehr treten die meisten Konzeptionen innerhalb der ersten sechs Monate nach Beginn der Schwangerschaftsversuche ein. Während mit einem Alter von 30 Jahren durchschnittlich noch jeder vierte Zyklus erfolgreich ist, ist es mit 40 Jahren nur noch etwa jeder zehnte.2,3

Für die Familiengründung spielen für Paare jedoch häufig nicht allein die Konzeptionschancen einer ersten erfolgreichen Schwangerschaft eine relevante Rolle, sondern oft auch der Wunsch nach mehreren Kindern. Hierfür wurde von einer niederländischen Forschungsgruppe ein Modell entwickelt: Je nach Umfang der Familienplanung werden Paaren mit Kinderwunsch verschiedene Zeitpunkte (Alter der Frau) für den Beginn der Familiengründung empfohlen. Diese variieren, je nachdem, ob eine In-vitro-Fertilisation (IVF) für die betroffenen Paare in Frage kommt oder nicht. Ist dies der Fall, wird für den Wunsch nach einem Kind geraten, spätestens mit 35 Jahren mit der Familiengründung zu beginnen, um eine 90%ige Erfolgschance zu haben. Für zwei Kinder liegt der empfohlene Zeitpunkt bei 31 Jahren, für drei Kinder bei 28 Jahren. Wird die Option einer IVF von Vorneherein ausgeschlossen, sollte laut Autoren bei dem Wunsch nach einem Kind spätestens mit 32 Jahren mit der Familiengründung begonnen werden.4

Die Kostenübernahme der Behandlung richtet sich nicht nach dem Alter

Abwarten oder nachhelfen? Bislang gibt es keine empfohlene Altersgrenze, ab der ein bestimmtes Vorgehen empfohlen wird. Viele Studien beschäftigen sich daher mit dem Vergleich der Erfolgsaussichten einzelner Methoden und potenziellen Prognosefaktoren, die zur Einschätzung der individuellen Rest-Fruchtbarkeit dienen sollen. Aus rein ökonomischer Sicht ist man mittlerweile von einer Altersgrenze abgekommen, hier bestimmen einzig die Erfolgsaussichten der Behandlung die Entscheidung der Kostenübernahme. Laut der zugrunde liegenden Definition steht nach spätestens zwölf Zyklen ohne Schwangerschaft die altersunabhängige Chance für eine erfolgreiche Konzeption für jeden weiteren Zyklus bei < 10 %, Tendenz über die Dauer fallend. Dem gegenübergestellt wird die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft durch eine entsprechende Therapie von > 15 %. Damit ergibt sich ungeachtet des Alters der betroffenen Frau eine Behandlungsindikation für eine entsprechende Sterilitätstherapie. Nicht berücksichtigt wird bei diesem Modell allerdings – neben zahlreichen weiteren Faktoren – die nennenswerte Aussicht auf eine Spontankonzeption, auch von Paaren, bei denen bereits die Indikation für eine Sterilitätstherapie gestellt wurde.

IVF erhöht die Chancen einer Konzeption auf das 5-fache

Denn auch nach zwölf Zyklen mit unerfülltem Kinderwunsch und damit definitionsgemäß bestehender Subfertilität, ist eine spontane Schwangerschaft auf keinen Fall auszuschließen. In einer dänischen Studie kam es bei 16 % der Frauen < 35 und bei 10 % der Frauen > 40 innerhalb von 5 Jahren zu einer erfolgreichen Spontankonzeption. Im direkten Vergleich waren die Chancen nach Beginn einer Sterilitätstherapie jedoch signifikant größer. Im Durchschnitt waren die Erfolgsaussichten bei einer intrauterinen Insemination und ovariellen Stimulation um das 3-fache, bei einer IVF sogar um das 5-fache erhöht. Von den Autoren wird Frauen ab einem Alter von 35 Jahren daher kein abwartendes Verhalten empfohlen, gerade auch bei dem Wunsch nach mehreren Kindern.5,6

Aufklärung und Beratung erhöhen die Konzeptionswahrscheinlichkeit

Eine Sterilitätstherapie ist aber nicht die einzige Möglichkeit, die Erfolgsaussichten einer Schwangerschaft zu erhöhen. Gerade für jüngere Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch oder Paare, die eine entsprechende Behandlung ablehnen, kann zunächst auch eine Beratung hinsichtlich eines sogenannten fertilitätsoptimierten Verkehrs die Konzeptionschancen deutlich erhöhen.2,3 Dies beinhaltet neben der Empfehlung einer positiven Lebensstilanpassung mit Vermeidung fertilitätsreduzierender Faktoren, vor allem die Aufklärung über das fertile Fenster und geeignete Messmethoden zur Bestimmung des optimalen Zeitraumes für eine Empfängnis.

Nützliche Unterstützung im Alltag: der Ava Fruchtbarkeitstracker

Eine einfache und unkompliziert anzuwendende Unterstützung bietet hier beispielsweise der Ava Fruchtbarkeitstracker. Das dezente Sensorarmband verfügt über drei integrierte Messsensoren (Temperatur, Beschleunigung und einen Photoplethysmograph). Während des nächtlichen Tragens werden hierüber alle 25 Sekunden zyklusrelevante Parameter erfasst (Hauttemperatur, Ruhepuls, Herzfrequenzvariabilität, Durchblutung und Atemfrequenz). Durch einen speziellen Algorithmus kann so der Zeitraum der Menstruation und des fertilen Fensters präzise abgeschätzt und von der Anwenderin morgens über die zugehörige App bequem abgerufen werden. Anders als andere Methoden kann das Ava Sensorarmband so den genauen Beginn des fruchtbaren Fensters detektieren, wodurch die Chancen einer erfolgreichen Empfängnis erhöht werden. Die Sensitivität des Fruchtbarkeitstrackers liegt dabei bei 81 %, die Spezifität bei 93 %. Im Mittel werden 5 der durchschnittlich 6 fruchtbaren Tage einer Frau erkannt.7,8

Fazit

Die Fertilität der Frau ist ein komplexes Zusammenspiel aus Alter, der Summe der über den Lebenszeitraum zugeführten Einflüsse und genetischen Faktoren. Das macht generelle Empfehlungen zu bestimmten Methoden oder Altersgrenzen praktisch unmöglich. Dennoch ist der geeignete Zeitpunkt für die Familiengründung eines der zentralen Themen in der Kinderwunschberatung. Vielen Frauen ist nach wie vor nicht bewusst, ab wann sich ihre Fruchtbarkeit reduziert und häufig werden Probleme mit der Konzeption daher erst (zu) spät festgestellt. Das übergeordnete Ziel ist immer die Erfüllung des jeweiligen Kinderwunsches unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Zeitraumes und den individuellen Vorstellungen. Bei noch jüngeren Paaren ist es dabei durchaus vertretbar zunächst eine Spontankonzeption abzuwarten – idealerweise unter fertilitätsoptimierten Voraussetzungen. Führt dies nicht zum Erfolg oder ist die Frau bereits älter als 35 Jahre, empfiehlt es sich nicht zu spät mit einer entsprechenden Sterilitätstherapie zu beginnen. Für die Entscheidung kann es hilfreich sein, auch ein Expertennetzwerk mit einzubinden. Der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) und der Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands (BRZ) haben hierfür ein telemedizinisches Konsil für Gynäkologen entwickelt, um Paare mit unerfülltem Kinderwunsch mit zu betreuen (für mehr Informationen hier klicken).

Referenzen:

  1. Crawford NM, Steiner AZ. Age-related Infertility. Obstet Gynecol Clin North Am. 1. März 2015;42(1):15–25.
  2. Gnoth C, Godehardt D, Godehardt E, Frank‐Herrmann P, Freundl G. Time to pregnancy: results of the German prospective study and impact on the management of infertility. Hum Reprod. 1. September 2003;18(9):1959–66.
  3. Stanford JB, White GL, Hatasaka H. Timing intercourse to achieve pregnancy: current evidence. Obstet Gynecol. Dezember 2002;100(6):1333–41.
  4. Habbema JDF, Eijkemans MJC, Leridon H, te Velde ER. Realizing a desired family size: when should couples start? Hum Reprod. 1. September 2015;30(9):2215–21.
  5. Malchau SS, Henningsen AA, Loft A, Rasmussen S, Forman J, Nyboe Andersen A, u. a. The long-term prognosis for live birth in couples initiating fertility treatments. Hum Reprod Oxf Engl. 1. Juli 2017;32(7):1439–49.
  6. Woodward B, Tomlinson M, Kirkman-Brown J. Replacing IUI with IVF for initial treatment of unexplained infertility: why this NICE recommendation is cause for concern. Hum Fertil Camb Engl. Juni 2016;19(2):80–4.
  7. Goodale BM, Shilaih M, Falco L, Dammeier F, Hamvas G, Leeners B. Wearable Sensors Reveal Menses-Driven Changes in Physiology and Enable Prediction of the Fertile Window: Observational Study. J Med Internet Res. 2019;21(4):e13404.
  8. Shilaih M, Clerck V de, Falco L, Kübler F, Leeners B. Pulse Rate Measurement During Sleep Using Wearable Sensors, and its Correlation with the Menstrual Cycle Phases, A Prospective Observational Study. Sci Rep. 2. Mai 2017;7(1):1294.