Rote-Hand-Brief zu kombinierten hormonalen Kontrazeptiva
Das BfArM hat bereits 2014 eine Checkliste für Ärztinnen und Ärzte zur Verordnung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva herausgegeben. Zudem gibt es eine Informationskarte für Anwenderinnen. Ziel ist es, das Risiko für venöse Thromboembolien zu vermindern.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat nun erneut in einem neuen Rote-Hand-Brief auf die Risiken im Zusammenhang mit der Verordnung von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva (KHK) hingewiesen. Gynäkologen und Gynäkologinnen werden angehalten Präparate zu verordnen, die das niedrigste Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) bergen. Diese enthalten die Gestagene Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat. Vor jeder Verschreibung eines kombinierten hormonalen Verhütungsmittels sollen die unterschiedlichen Risiken des Präparates berücksichtigt und jenes mit dem geringsten Risiko ausgewählt werden. Diese Empfehlungen gelten besonders für Erstanwenderinnen und Frauen unter 30 Jahren.
Checkliste für Ärzte und Ärztinnen
Für Angehörige der Heilberufe, die kombinierte hormonale Kontrazeptive verschreiben, wurde vom BfArM eine Checkliste zu den besonderen Sicherheitsanforderungen entwickelt. Diese ist ein verpflichtender Teil der Zulassung und gilt als zusätzliche risikominimierende Maßnahme. Sie sollte bei jeder Beratung bezüglich der Verordnung eines KHK gemeinsam mit den jeweiligen Fachinformationen zur Anwendung kommen.
Wichtige Punkte aus dem behördlich genehmigten Schulungsmaterial sind im Folgenden zusammengestellt:
- Thromboembolien, z.B. die tiefe Beinvenenthrombose, Lungenembolie, Herzinfarkt und Schlaganfall, sind ein bedeutendes Risiko bei der Anwendung eines KHK.
- Das Risiko bei einer Anwenderin hängt auch von ihrem Grundrisiko für eine Thromboembolie ab. Bei der Entscheidung für ein KHK sind daher auch die Gegenanzeigen und Risikofaktoren der Anwenderin zu beachten, vor allem die individuellen Risikofaktoren für eine Thromboembolie.
- Das Risiko für eine Thromboembolie ist während des ersten Jahres der Anwendung sowie bei Wiederaufnahme der Anwendung nach einer Pause von vier Wochen oder mehr erhöht.
- Die Annahme ist, dass KHK mit Ethinylestradiol in Kombination mit Levonorgestrel, Norgestimat oder Norethisteron das geringste Risiko für eine venöse Thromboembolie besitzen.
- Die Entscheidung, ein anderes KHK als jenes mit einem niedrigen VTE-Risiko einzusetzen, sollten Sie erst nach einem Gespräch mit der Anwenderin treffen.
- In dem Gespräch mit der Anwenderin müssen Sie sicherstellen, dass sie folgende Informationen versteht: welches Risiko für eine Thrombose bei Anwendung ihres KHK besteht, welchen Einfluss ihre persönlichen Risikofaktoren auf ihr Risiko einer Thrombose haben und dass sie aufmerksam auf die Anzeichen und Symptome einer Thrombose achten sollte.
Die Checkliste mit Fragen zum Ankreuzen bietet Gynäkologen und Gynäkologinnen eine Orientierung, wann die Verordnung eines KHK nicht indiziert ist. Das gesamte PDF-Dokument ist auf der Website des BfArM (verlinken) oder hier „Checkliste zur Verringerung von Arzneimittel- und Anwendungsrisiken – Ärztinnen und Ärzte“ abrufbar.
Kombinierte hormonale Kontrazeptiva: Thromboembolie-Risiko im Überblick
Bei kombinierten hormonalen Kontrazeptiva beeinflusst die enthaltene Gestagenkomponente das Risiko für eine venöse Thromboembolie. Für die meisten Gestagene wurde dieses Risiko bereits 2014 im Rahmen des europäischen Risikobewertungsverfahrens eingestuft. Im Dezember 2018 ließ sich das Risiko für eine venöse Thromboembolie für die Kombination mit Dienogest auf der Grundlage der Ergebnisse einer Meta-Analyse bestimmen. Im Jahr 2020 konnte zudem das bisher unbekannte Thromboserisiko für das orale Kontrazeptivum Seasonique (Levonorgestrel-haltiges KHK im Langzyklus) auf Basis einer Kohortenstudie ermittelt werden. Die Tabelle bietet einen Überblick, wie hoch das Risiko innerhalb eines Jahres ist, eine venöse Thromboembolie zu erleiden:
Gruppe
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Anzahl
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Frauen, die keine hormonalen Verhütungsmittel verwenden und nicht schwanger sind
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Etwa 2 von 10.000 Frauen
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Frauen, die ein kombiniertes hormonales Kontrazeptivum verwenden, das Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat enthält
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Etwa 5-7 von 10.000 Frauen
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Frauen, die Seasonique verwenden, das Levonorgestrel im Langzyklus enthälta
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Etwa 5-15 von 10.000 Frauenᵇ
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Frauen, die ein kombiniertes hormonales Kontrazeptivum verwenden, das Etonogestrel oder Norelgestromin enthält
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Etwa 6-12 von 10.000 Frauen
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Frauen, die ein kombiniertes hormonales Kontrazeptivum verwenden, das Dienogest enthält
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Etwa 8-11 von 10.000 Frauen
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Frauen, die ein kombiniertes hormonales Kontrazeptivum verwenden, das Drospirenon, Gestoden oder Desogestrel enthält
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Etwa 9-12 von 10.000 Frauen
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Frauen, die ein kombiniertes hormonales Kontrazeptivum verwenden, das Chlormadinon oder Nomegestrol enthält
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Noch nicht bekannt
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a Seasonique (84 Tage 150 µg Levonorgestrel in Kombination mit 30 µg Ethinylestradiol danach 7 Tage 10 µg Ethinylestradiol)
ᵇ basierend auf dem 95% Konfidenzintervall des Hazard ratios (HR) und der Spannbreite der geschätzten Inzidenz für Levonorgestrel (5-7 pro 10.000 Frauen und Anwendungsjahr)
c Um das Risiko für diese Produkte einschätzen zu können, werden derzeit auf europäischer Ebene weitere Studien ausgewertet.
Informationskarte für Patientinnen
Auch für die Anwenderinnen gibt es behördliches Schulungsmaterial in Form einer Patientinnenkarte, die Informationen über das Risiko für Blutgerinnsel im Zusammenhang mit kombinierten oralen Kontrazeptiva bietet. Auch sie wurde als verpflichtender Teil der Zulassung erstellt und ist mit dem BfArM abgestimmt. Verschreibende Ärztinnen und Ärzte sollen die Anwenderinnen ausführlich über das Risiko für venöse Thromboembolien informieren und sie vorher darüber aufklären, wie sie selbst die Anzeichen einer Thrombose erkennen können. Zudem sollen sie persönliche Risikofaktoren für eine VTE mit den Anwenderinnen besprechen, zum Beispiel Rauchen oder Übergewicht. Dann gilt es, den Nutzen und die Risiken eines hormonalen Verhütungsmittels individuell abzuwägen.
Die Informationskarte gilt als zusätzliche risikominimierende Maßnahme und soll sicherstellen, dass Frauen mit den Besonderheiten bei der Anwendung eines KHK vertraut sind. Ziel ist es, das mögliche Risiko für Blutgerinnsel so weit wie möglich zu reduzieren. Im Folgenden finden Sie einige Auszüge aus der Patientinnenkarte, die die Anwenderin darauf hinweisen sollen, wann die Gefahr für Thromboembolien bei der Anwendung eines kombinierten hormonalen Kontrazeptivums am höchsten ist:
- im ersten Jahr der Anwendung oder bei der Wiederaufnahme nach einer Unterbrechung von vier oder mehr Wochen
- bei starkem Übergewicht
- bei einem Alter von 35 Jahren und aufwärts.
- bei Raucherinnen
- wenn nahestehende Angehörige in relativ jungem Lebensalter von ca. 50 Jahren ein Blutgerinnsel hatten: Gefäßverschlüsse im Bein (Thrombose), in der Lunge (Lungenembolie) oder anderen Organen, Schlaganfall oder Herzinfarkt
- bei einer Entbindung vor wenigen Wochen
In der Informationskarte für Frauen sind zudem die wichtigsten Symptome und Anzeichen für eine venöse Thromboembolie gelistet, die Frauen gut kennen sollten. Sie liefern den Anwenderinnen Anhaltspunkte, wann sie sofort ärztliche Hilfe suchen sollten. Die wichtigsten Warnsignale kurzgefasst:
- starke Schmerzen oder Schwellungen eines Beins
- plötzliche unerklärliche Atemlosigkeit/Atemnot oder schnelle Atmung
- Brustschmerz, der meist plötzlich auftritt
- Schwäche oder Taubheitsgefühl des Gesichtes, Arms oder Beins – meist auf einer Körperseite besonders ausgeprägt
Die Informationskarte für Anwenderinnen ist beim BfArM abrufbar.
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Rote-Hand-Brief zu kombinierten hormonalen Kontrazeptiva: Verordnung solcher mit dem niedrigsten Risiko für venöse Thromboembolien und Nutzung des behördlich beauflagten Schulungsmaterials, 30.9.2021, https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2021/rhb-khk.html (Abruf: 11.11.2021)
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Venöse Thromboembolien und kombinierte hormonale Kontrazeptiva, 8.10.2021, https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Themendossiers/Kombinierte-hormonale-Kontrazeptiva/_node.html (Abruf: 11.11.2021)