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Können hormonelle Kombipräparate die sportliche Leistung verbessern?

Hormonelle Kontrazeptiva sind beliebt bei vielen Frauen und besitzen mehrere Vorteile. Doch können sie sich auch auf die sportliche Leistung auswirken? Mehrere Studien fanden Antworten darauf.

Mit der Menstruation verlieren Frauen jeden Monat einiges an Blut: Im Schnitt sind es rund 60 Milliliter,1 bei starken Blutungen auch mehr als 80 Milliliter. Rechnet man mit 450 Menstruationszyklen bis zur Menopause kommen insgesamt 22 bis 30 Liter Blut zusammen.2 Mit dem Blutverlust ist jedoch auch ein Verlust an Eisen verbunden. Die Folge kann ein Ferritinmangel – und damit eine schlechtere Versorgung der Muskulatur mit Sauerstoff sein. Vor allem für Sportlerinnen könnte dieser Zusammenhang eine Rolle spielen, weil gut gefüllte Eisenspeicher die Kontraktionsfähigkeit der Herzmuskulatur und somit auch die Herzleistung verbessern. Frauen, und besonders die, die viel Sport treiben, sollten daher auf ihre Eisenversorgung achten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE)3 empfiehlt die Aufnahme von 15 Milligramm Eisen pro Tag.

Auch die Nutzung hormoneller Kontrazeptiva könnte eine Möglichkeit sein, um die Eisenverluste zu verringern.2 Beispiele für häufig eingesetzte hormonelle Verhütungsmittel sind die Pille, Minipille oder der Verhütungsring. Hormonelle Kombipräparate könnten eventuell dazu beitragen, dass der Blut- und entsprechend der Eisenverlust und damit die Leistungsminderung beim Sport geringer ausfallen. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Präparate im sogenannten Langzyklus – also für einige Monate ohne Unterbrechung und damit ausbleibender Blutung – eingenommen werden.

Geringeres Verletzungsrisiko durch die Pille?

Auch auf einem anderen Gebiet könnten Sportlerinnen von hormonellen Kontrazeptiva profitieren – nämlich was ihr Verletzungsrisiko angeht. Forschende aus den USA4 wollten wissen, ob hormonelle Kontrazeptiva das Verletzungsrisiko oder die Beschaffenheit des Weichteilgewebes wie Sehnen und Bänder beeinflussen. Dafür analysierten sie drei Studien. Frauen erleben ungefähr achtmal öfters Kreuzbandverletzungen beim Sport als Männer, die die gleiche Sportart ausüben. Durch die Anwendung der Pille ließe sich dieser „Nachteil“ ausgleichen, so das Fazit der Forschenden. Orale Kontrazeptiva senkten das Risiko für Verletzungen des vorderen Kreuzbandes. Auch die „Schlaffheit“ dieses Kreuzbandes verminderte sich unter der Anwendung der Hormone. Die genauen Zusammenhänge seien allerdings noch unklar und müssten weiter erforscht werden.

Eine zweite Studie des gleichen Forscherteams5 untersuchte im Tierversuch den Einfluss von oralen Kontrazeptiva in verschiedenen Dosierungen und Zusammensetzungen auf die Beschaffenheit und Stärke des vorderen Kreuzbandes. Die Studie ergab, dass die Nutzung von Kombinationspillen das vordere Kreuzband stärkte. Dieser Effekt war bei einer höheren Dosierung der Pille ausgeprägter als bei niedrigeren Hormonmengen. Eine Erklärung der Forscher: Es werde eventuell vermehrt Kollagen gebildet.

Sportlerinnen: Kombinationspräparate besser als Gestagenpillen?

Für Sportlerinnen spielt vielleicht auch die Art des angewendeten hormonellen Kontrazeptivums eine Rolle – ob Kombinationspille mit Östrogenen und Gestagenen oder ein reines Gestagenpräparat. Eine britische Studie,6 an der 430 Profi-Sportlerinnen teilgenommen hatten, gibt hier näheren Aufschluss. Die Athletinnen beantworteten einen Fragenbogen, in dem sie Angaben zur hormonellen Verhütung, den Gründen zur Nutzung oder Nichtanwendung und den erlebten Nebenwirkungen machten. 49,5 % Frauen nahmen zum Studienzeitpunkt ein hormonelles Verhütungsmittel ein und 69,8 % hatten die Pille früher schon einmal angewendet.

Die meisten Probandinnen (68,1 %) wendeten kombinierte orale Kontrazeptiva an, 30 % ein reines Gestagenpräparat. Bei Anwenderinnen von Gestagenpräparaten waren unerwünschte Nebenwirkungen deutlich häufiger (39,1 %) als bei jenen Frauen, die kombinierte Präparate nutzten (17,8 %). Außerdem gaben die Sportlerinnen mit den „Kombipillen“ an, positive Auswirkungen auf ihre sportliche Leistungsfähigkeit zu verspüren.2 Hierbei könnten jedoch auch die verbesserten Ferritinwerte von körperlich aktiven Frauen eine Rolle spielen. Bei Frauen, die Kombinationspillen anwenden, sind sie höher als bei Frauen,2 die keine Pille nutzen.

Pillen mit androgenen Effekten für eine starke Muskulatur?

Manche Pillenpräparate besitzen androgene Wirkungen. Können sie womöglich die Muskelkraft verbessern und auf diese Weise die sportliche Leistungsfähigkeit erhöhen? Dieser Frage hat sich eine US-Studie7 gewidmet. An der Untersuchung nahmen 31 Frauen teil, die sich einem speziellen Trainingsprogramm über zwölf Wochen unterzogen. 13 von ihnen nahmen kombinierte orale Kontrazeptiva ein, 18 nutzten keine hormonellen Verhütungsmittel und dienten als Kontrollgruppe. Bei allen Teilnehmerinnen war nach dem Sportprogramm eine Verbesserung der Kraft und Drehkraft nachweisbar. Das Fazit der Forschenden: Pillen mit androgenen Effekten können die Muskelkraft wahrscheinlich nicht steigern.

Bei einem aeroben Training könnte sich die Kombination aus Ethinylestradiol und Gestagen jedoch positiv auf dem Muskelstoffwechsel und damit auf die körperliche Leistungsfähigkeit auswirken. Auch die Fettverbrennung nimmt offenbar zu, während die Oxidation von Kohlenhydraten reduziert wird. Zu diesem Schluss kommt eine Metaanalyse,8 die athletische Leistungen in Verbindung mit der oralen hormonellen Kontrazeption untersucht hatte. Allgemeine Aussagen lassen sich jedoch nicht treffen, so die Studienautoren, denn die Arten und Dosierungen der in den Studien untersuchten Pillen seien zu verschieden gewesen.

Pille bietet Vorteile für sportliche Frauen

Drei Forscherinnen aus Australien hatten schon vor vielen Jahren in einer Metastudie9 die Effekte oraler Kontrazeptiva bei Sportlerinnen untersucht. Die Frauen hatten die hormonellen Präparate in erster Linie zur Schwangerschaftsverhütung eingesetzt, aber auch um den Zyklus zu verschieben oder prämenstruelle Beschwerden zu kontrollieren. Die Hormone wurden meist verschrieben, um Zyklusschwankungen bei Athletinnen zu behandeln. Ein möglicher Effekt sei die Verbesserung der Knochengesundheit, so die Autorinnen. Ob orale Kontrazeptiva auch das Risiko von Stressfrakturen oder Weichteilverletzungen beeinflussen, lasse sich aus den Studien aber nicht ableiten. Ebenfalls unklar sei der Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Manche Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich die körperliche Leistung eventuell durch die reduzierten prämenstruellen Symptome und den verminderten Blutverlust erhöhen könnte.

Das Fazit: Insgesamt überwiegen bei sportlich aktiven Frauen offenbar die Vorteile der Pille die potenziellen Nachteile.

Wie die Gesundheit vom Sport profitiert

Regelmäßige körperliche Aktivität besitzt nachgewiesenermaßen10 viele gesundheitlich positive Wirkungen. Besonders günstig ist Ausdauersport wie Wandern, Schwimmen, Radfahren oder Skaten. Die wichtigsten Effekte im Überblick.

Quellen

  1. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), https://www.gesundheitsinformation.de/starke-regelblutung.html (Abruf: 22.4.2022)
  2. Wenderlein, Matthias: „Pille und Sport – Aufklärung erforderlich“, gynäkologie + geburtshilfe, 2022; 27 (1)
  3. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/eisen (Abruf: 22.4.2022)
  4. Konopka J A et al: Effect of Oral Contraceptives on Soft Tissue Injury Risk, Soft Tissue Laxity, and Muscle Strength: A Systematic Review of the Literature. Orthop J Sports Med 2019;7:2325967119831061
  5. Konopka J A et al: The Effect of Oral Contraceptive Hormones on Anterior Cruciate Ligament Strength. Am J Sports Med 2020;48:85–92
  6. Martin D et al. Period Prevalence and Perceived Side Effects of Hormonal Contraceptive Use and the Menstrual Cycle in Elite Athletes. Int J Sports Physiol Perform 2018;13:926–32
  7. Nichols A W et al. Effects of combination oral contraceptives on strength development in women athletes. J Strength Cond Res 2008;22:1625–32
  8. Rechichi C et al. Athletic performance and the oral contraceptive. Int J Sports Physiol Perform 2009;4:151–62
  9. Bennell K et al. The oral contraceptive pill: a revolution for sportswomen? Br J Sports Med 1999;33:231–8
  10. Internisten im Netz, https://www.internisten-im-netz.de/vorsorge/gesund-leben/aktiv-leben/positive-auswirkungen.html (Abruf: 22.4.2022)