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HRT kann Einfluss auf das Lungenkrebsrisiko nehmen

Lungenkrebs ist bei Frauen seit vielen Jahren auf dem Vormarsch. Mehrere neue Studien deuten darauf hin, dass die Hormonersatztherapie (HRT) einen gewissen Schutz vor Lungenkrebs bieten könnte. Auch die Mortalität fällt geringer aus.

An Lungenkrebs erkranken seit Ende der 90er Jahre immer mehr Frauen, während die Zahlen bei den Männern rückläufig sind. Im Jahr 2017 erhielten etwa 21.500 Frauen neu die Diagnose „Bronchialkarzinom“, berichtet das Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert Koch-Instituts (RKI)1. Der Hauptgrund ist, dass Frauen seit Ende des letzten Jahrhunderts verstärkt rauchen und damit die Männer schrittweise „einholen“.

Lungenkrebs ist eine der gefährlichsten Krebsarten, die viele Frauen (und Männer) das Leben kostet. Die relative 5-Jahres-Überlebensrate liegt für Frauen bei 21 Prozent. Nach zehn Jahren sind nur noch 16 Prozent am Leben. Knapp 16.400 Frauen starben an ihrer Lungenkrebserkrankung. Diese Zahl ist ungefähr mit den Sterbefällen aufgrund von Brustkrebs vergleichbar. Fast 18.400 Frauen überlebten die Brustkrebserkrankung nicht.

Dennoch liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei Frauen mit Brustkrebs etwa um den Faktor 4 höher als beim Lungenkrebs – nämlich laut RKI bei 87 Prozent1. Deswegen ist es wichtig, Lungenkrebs bei Frauen rechtzeitig zu entdecken und zu behandeln oder dessen Entstehung schon im Ansatz zu verhindern.

Lungenkrebs-Screening kommt bald

Im Gegensatz zum Brustkrebs gibt es derzeit in Deutschland noch kein flächendeckendes Screening auf Lungenkrebs. Allerdings haben sich Experten2 kürzlich positiv zur Einführung eines Screenings auf das Lungenkarzinom hierzulande geäußert. Mehrere Studien hatten einen Überlebensvorteil der Früherkennung mittels serieller Niedrig-Dosis-Dünnschicht-CT ergeben.

Lungenfunktion und Menopause hängen zusammen

Ein relativ neuer Ansatz für Frauen zur Primärprävention von Lungenkrebs, aber auch für ein besseres klinisches Outcome beim Lungenkarzinom könnte die Hormonersatztherapie bieten. Denn neuere Studien aus den letzten Jahren kamen zu dem Schluss, dass sich die Morbidität und Mortalität aufgrund von Lungenkrebs womöglich durch die HRT um bis zu 20 Prozent reduzieren lässt3.

Dieser Zusammenhang scheint zunächst überraschend zu sein. Aber Forschende wissen, dass die Menopause auch mit der Lungenfunktion zusammenhängt. Die Lungenvitalkapazität nimmt nach der Menopause fast im gleichen Ausmaß ab wie durch das tägliche Rauchen von 20 Zigaretten über zehn Jahre. Als Grund gelten vermehrte Entzündungsprozesse in der Lunge durch den 17ß-Estradiol-Mangel3.

HRT beeinflusst das Lungenkrebsrisiko und die Mortalität

Wie sich die HRT auf das Lungenkrebsrisiko und die Mortalität auswirkt, untersuchte die PLCO-Studie4 aus dem Jahr 2020. An dieser nahmen insgesamt 77.971 Frauen zwischen 55 und 74 Jahren teil, die zu Beginn der Studie keinen Lungenkrebs hatten. 50.248 Frauen wendeten die HRT schon vor der Studienteilnahme an, die anderen 27.663 nicht. Die Forschenden fanden heraus, dass Frauen mit einer vorherigen HRT besser vor Lungenkrebs geschützt zu sein scheinen als Frauen, die sie niemals angewendet hatten (HR für Anwendung versus Nichtanwendung der HRT 0,876; 95% CI 0,783-0,981; P = 0,022). Zudem scheint die vorherige Nutzung der HRT auch einen gewissen Schutz davor zu bieten, an Lungenkrebs zu sterben (HR für Anwendung versus Nichtanwendung der HRT 0,814; 0,709-0,934; P = 0,003).

Ein ähnlicher Effekt ließ sich für Frauen nachweisen, die erst zum Zeitpunkt des Eintritts in die Studie eine HRT anwendeten, sie also früher nicht genutzt hatten: HRT scheint vor der Entwicklung von Lungenkrebs zu schützen (HR für derzeitige Anwendung versus Nichtanwendung der HRT 0,842; 0,743-0,954; P = 0.007). Auch die Lungenkrebs-Mortalität fiel niedriger aus (HR für derzeitige Anwendung versus Nichtanwendung der HRT 0,800; 0,686-0,932; P = 0,004). Das Fazit der Forschenden: Die HRT-Anwendung zum Zeitpunkt der PLCO-Studie scheint mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von Lungenkrebs und dem Tod aufgrund dieser Krebsart verbunden zu sein. Die biologischen Mechanismen hinter dieser Beobachtung müssten allerdings noch genauer beleuchtet werden, so die Wissenschaftler.

Metaanalyse bestätigt niedrigeres Lungenkrebsrisiko

Interessante Erkenntnisse lieferte auch eine Metaanalyse5 aus dem Jahr 2019, die 13 Kohortenstudien umfasste. Eingeschlossen waren 968.440 Teilnehmerinnen aus den USA, China, Singapur, Canada, Japan und Italien. Sie wurden über fünf bis 30 Jahre lang beobachtet. 11.391 Probandinnen erhielten in diesem Zeitraum die Diagnose „Lungenkrebs“.

Die Analyse bestätigte, dass Frauen mit der Nutzung der HRT ein geringeres Lungenkrebsrisiko als Frauen hatten, welche die HRT nie angewendet hatten (RR: 0.95, 95% CI: 0.91-0.99). Acht der 13 Studien untersuchten zudem den Zusammenhang zwischen dem Lungenkrebsrisiko und der Dauer der HRT. Die meisten konnten keinen Trend für die Dauer der HRT ausmachen.

Frauen mit HRT: Niedriges Risiko für nicht-kleinzelliger Lungenkrebs

Auch eine prospektive Studie6 aus dem Jahr 2020 nahm die HRT hinsichtlich des Lungenkrebsrisikos unter die Lupe. An der Studie nahmen 75.587 Frauen zwischen 50 und 74 Jahren teil, die durchschnittlich über 11,5 Jahre beobachtet wurden. 1147 dieser Frauen entwickelten einen nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC). Die HRT wendeten 49,4 Prozent der Frauen zum Studienzeitpunkt an, 17 Prozent der Frauen hatten die HRT früher genutzt und 33,6 Prozent hatten sie noch nie anwendet.

Auch in dieser prospektiven Studie kamen die Forschenden zu dem Schluss, dass Frauen mit einer HRT ein geringeres Risiko für das NSCLC hatten als jene Frauen, die diese Behandlung niemals angewendet hatten (HR 0.80; 95% Konfidenzintervall, 0.70-0.93; P = .009). Die HRT war jedoch nicht mit signifikanten Unterschieden bei der Gesamtsterblichkeit oder der krankheitsspezifischen Sterblichkeit verbunden. Die HRT lasse einen schützenden Effekt auf die Entwicklung von NSCLC bei Frauen vermuten. Diese Ergebnisse beeinflussen möglicherweise die zukünftige Diskussion rund um die HRT bei Frauen, so das Fazit der Wissenschaftler.

Quellen:

  1. Zentrum für Krebsregister Daten des Robert Koch-Institut (RKI), https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Lungenkrebs/lungenkrebs_node.html und https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Brustkrebs/brustkrebs_node.html (Abruf: 10.11.2021)
  2. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), https://www.iqwig.de/projekte/s19-02.html (Abruf: 10.11.2021)
  3. 3) Wenderlein, J. Matthias: HRT und Lungenkrebs-Risiko, Frauenarzt, 09/2021, Seite 647
  4. Abdel-Rahman O. Lung cancer incidence and mortality in relationship to hormone replacement therapy use among women participating in the PLCO trial: a post hoc analysis. Int J Clin Oncol. 2020 May;25(5):885-891. doi: 10.1007/s10147-020-01615-y. Epub 2020 Jan 9. PMID: 31919692.
  5. Jin C, Lang B. Hormone replacement therapy and lung cancer risk in women: a meta-analysis of cohort studies: Hormone replacement therapy and lung cancer risk. Medicine (Baltimore). 2019 Dec;98(51):e17532. doi: 10.1097/MD.0000000000017532. PMID: 31860945; PMCID: PMC6940050.
  6. Titan AL, He H, Lui N, Liou D, Berry M, Shrager JB, Backhus LM. The influence of hormone replacement therapy on lung cancer incidence and mortality. J Thorac Cardiovasc Surg. 2020 Apr;159(4):1546-1556.e4. doi: 10.1016/j.jtcvs.2019.10.070. Epub 2019 Nov 5. PMID: 31866083.