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Endometriose in Covid-19-Zeiten – Einfluss des Social Distancing auf die Schmerzen

Endometriose ist eine häufige Erkrankung, die sehr schmerzhaft ist und mit einem hohen Leidensdruck verbunden ist. Körper und Psyche spielen beim Schmerzerleben eng zusammen. Forschende aus Deutschland untersuchten, wie sich die Maßnahmen der sozialen Distanz im Corona-Lockdown auf die Schmerzen und das Schmerzempfinden auswirkten.

Endometriose ist weit verbreitet. Auch wenn es keine exakten Zahlen zur Häufigkeit dieser gynäkologischen Erkrankung gibt: Schätzungen gehen davon aus, dass 7 bis 15 Prozent aller Mädchen und Frauen im geschlechtsreifen Alter von einer Endometriose betroffen sind.1 Viele Frauen haben „stumme“ Endometrioseherde, die keine Symptome verursachen. Diese Frauen bemerken die Erkrankung daher oft nicht.

Bei Frauen mit stark schmerzhaften Regelblutungen gehen medizinische Fachleute jedoch davon aus, dass bis zu 50 Prozent von ihnen eine Endometriose haben.2 Starke Schmerzen sind also ein sehr häufiger Begleiter dieser Erkrankung. Die Schmerzen können abhängig oder unabhängig vom Menstruationszyklus auftreten und chronisch werden. In vielen Fällen betreffen sie nicht nur den Unterleib, sondern erfassen den gesamten Körper. Und das hat wiederum Auswirkungen auf die Psyche, Sexualität, Partnerschaft, das Sozialleben sowie den persönlichen Alltag und die Lebensqualität der betroffenen Frauen.

Komplexes Zusammenspiel zwischen Körper und Psyche

Zwar ist die Endometriose eine körperliche Erkrankung, aber sie steht in enger Verbindung mit der Psyche. Denn körperliche Prozesse wie das Wachstum und die Ausbreitung der Endometrioseherde, mechanischer Druck, Vernarbungen, Blutungen ins umgebende Gewebe, die Ausschüttung entzündlicher Substanzen und die Schmerzen setzen auch der Psyche zu.3 Die Folgen können eine verstärkte Wahrnehmung und falsche Bewertung von unangenehmen Empfindungen und Schmerzen sowie Ängste und Stress sein. Aufgrund dieses Zusammenspiels zwischen körperlichen und psychischen Prozessen kann sich schließlich der allgemeine Gesundheitszustand einer Frau verschlechtern.

Dazu kommt, dass das Krankheitsbild der Endometriose in der Gesellschaft, aber auch bei Fachleuten wie Ärztinnen und Ärzten oft noch zu wenig bekannt ist. Eine verspätete oder falsche Diagnose, nicht anerkannte Schmerzen, die häufige Rückkehr der Erkrankung oder mehrere Operationen können das Leiden zusätzlich verschlimmern.3

Endometriose kann Folgen für das Sozialleben haben

Die Endometriose kann viele psychosoziale Auswirkungen haben. Hier einige Zahlen3 dazu:

Viele Frauen erleben eine zunehmende soziale Isolation, wenn sie nicht arbeiten oder an gesellschaftlichen Aktivitäten teilnehmen können, etwa der Geburtstagparty, dem Treffen mit Freunden und Freundinnen oder einem Konzertbesuch. Kurzgefasst: Die Endometriose erfasst nahezu alle Bereiche des Lebens.

Endometriose und Covid-19-Pandemie – soziale Isolierung zeigt Effekte

Eine neue Studie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz4 untersuchte jetzt, welche Effekte die Covid-19-Pandemie in Zeiten des Lockdowns und der sozialen Isolierung auf Frauen mit einer Endometriose hatte. Denn bekannt ist, dass emotionale und soziale Faktoren auch die Schmerzen und das Schmerzerleben bei Endometriose beeinflussen können.3 Als das Sars-CoV-2-Virus weltweit zirkulierte, verhängten viele Länder Lockdowns, Quarantäne und Isolation, um das Coronavirus einzudämmen.

In Deutschland ergriff die Bundesregierung während des Lockdowns von Anfang bis Ende März 2020 Maßnahmen der sozialen Distanzierung, damit sich das Corona-Virus nicht weiter ausbreitete. Die Menschen in Deutschland durften sich nur noch mit einer sehr begrenzten Zahl anderer Personen treffen, arbeiteten teilweise im Homeoffice und waren den Großteil ihres Alltags weitgehend sozial isoliert. Die Forschenden wollten herausfinden, wie sich das Social Distancing bei Frauen mit Endometriose und chronischen Schmerzen auf die verschiedenen Aspekte der Schmerzwahrnehmung auswirkte.

Online-Umfrage unter Frauen mit Endometriose während der Covid-19-Pandemie

Zwischen dem 6. und 27. April 2020 schalteten die Forscher der Johannes-Gutenberg-Universität auf verschiedenen Internetplattformen von Endometriose-Selbsthilfegruppen eine Online-Umfrage. Zum Einsatz kamen die Visuelle Analogskala (VAS), um die Schmerzintensität zu ermitteln, sowie der Pain Disability Index (PDI), um die Beeinträchtigungen aufgrund der Schmerzen festzustellen. Die Befragung erfasste rückblickend zunächst den Zeitraum vor dem Beginn der Social Distancing-Maßnahmen (VASP, PDIP).4

Forschungsgegenstand war die Entwicklung der Schmerzintensität und der dazugehörigen Beeinträchtigungen aufgrund der Schmerzen seit der Implementierung der sozialen Distanzierung (VASI, PDII). Das Schmerzerleben sowie die soziale Unterstützung durch andere Personen wurden anhand der 5-Punkte-Likert Skala eingeschätzt. 285 Teilnehmerinnen schlossen zumindest einen Fragenkomplex zu Schmerzintensität, Beeinträchtigungen, Schmerzerfahrung oder sozialer Unterstützung ab.

Die wichtigsten Ergebnisse:

Das Fazit der Studienautorinnen und -autoren: Der körperliche Schmerz und die Beeinträchtigungen aufgrund der Endometriose sowie die emotionale und soziale Schmerzerfahrung waren durch die Maßnahmen während der Covid-19-Pandemie in unterschiedlicher Weise beeinträchtigt. Das Social Distancing wirkte sich also sowohl positiv als auch negativ auf Frauen mit Endometriose aus.

Endometriose – wie zusätzlich die Psyche belastet ist

Auch wenn die Corona-Maßnahmen derzeit überall nahezu aufgehoben sind und ein Social Distancing nicht mehr vorgeschrieben ist – es gibt häufig einen Zusammenhang zwischen der Endometriose und psychischen Erkrankungen.3 Denn betroffene Frauen haben mit verschiedenen weiteren Problemen zu kämpfen, zum Beispiel

So ergab eine Untersuchung3,5 aus dem Jahr 2011, dass 16,7 % der befragten Frauen mit einer diagnostizierten Endometriose unter einer schweren bis moderaten Depression und 31,4 % unter einer schweren bis moderaten Angststörung litten. Mildere Symptome traten sogar noch öfters auf: 48,0 % litten unter depressiven Symptomen und 62% unter Angstsymptomen.

Eine Studie der Berliner Charité3 aus dem Jahr 2020 fand heraus, dass Frauen mit Endometriose überdurchschnittlich stark belastet sind. Diese Belastung war umso größer, wenn chronische Schmerzen vorlagen und je höher die schmerzbedingten Alltagsbeeinträchtigungen waren. Daher sollten bei der Behandlung der Endometriose nicht nur die Schmerzen und andere körperliche Symptome betrachtet werden, sondern auch eine psychologische Mitbetreuung sowie Beratungsangebote im Umgang mit der Endometriose angeboten werden.

Auch eine Studie aus Schweden6 aus dem Jahr 2020 wies einen Zusammenhang zwischen Endometriose und dem Auftreten psychischer Erkrankungen nach. Frauen mit Endometriose hatten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risiko für depressive Störungen, Angststörungen, stressbezogene Erkrankungen, Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit sowie ADHS. Auch für den umgekehrten Zusammenhang ließen sich Nachweise finden: Bei Frauen mit affektiven Störungen, depressiven Störungen, Angststörungen, stressbezogenen Erkrankungen, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen oder ADHS wurde häufiger später auch eine Endometriose diagnostiziert. Die Forschenden fordern daher ebenfalls einen multidisziplinären Ansatz bei der Endometriose, der neben der medizinischen Behandlung auch eine psychosoziale Betreuung beinhaltet.

Quellen

  1. Frauenärzte im Netz, https://www.frauenaerzte-im-netz.de/erkrankungen/endometriose/ (Abruf: 19.4.2022)
  2. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), https://www.gesundheitsinformation.de/endometriose.html (Abruf: 19.4.2022)
  3. Endometriose Vereinigung e.V., https://www.endometriose-vereinigung.de/psychische-auswirkungen.html (Abruf: 19.4.2022)
  4. Schwab R, Anić K, Stewen K, Schmidt MW, Kalb SR, Kottmann T, Brenner W, Domidian JS, Krajnak S, Battista MJ, Hasenburg A. Pain experience and social support of endometriosis patients during the COVID-19 pandemic in Germany - results of a web-based cross-sectional survey. PLoS One. 2021 Aug 25;16(8):e0256433. doi: 10.1371/journal.pone.0256433. PMID: 34432847; PMCID: PMC8386836.
  5. Schute, Lisa Katharina: Prävalenz von Depressionen und Angststörungen und ihre Einflussfaktoren bei Frauen mit Endometriose, https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/302?show=full (Abruf: 19.4.2022)
  6. Gao M, Koupil I, Sjöqvist H, Karlsson H, Lalitkumar S, Dalman C, Kosidou K. Psychiatric comorbidity among women with endometriosis: nationwide cohort study in Sweden. Am J Obstet Gynecol. 2020 Sep;223(3):415.e1-415.e16. doi: 10.1016/j.ajog.2020.02.033. Epub 2020 Feb 26. PMID: 32112731.