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Die Psyche als Schlüsselkomponente der Wechseljahre?

Für manche eine Qual, andere bemerken sie kaum: Die Wechseljahre sind für Frauen eine Phase der Umstellung in vielerlei Hinsicht: hormonell, körperlich, psychisch.

Wechseljahre als fälschlicher Sündenbock für alle Symptome

Beschwerden unterschiedlicher Art werden bei Frauen ab einem Alter von 40 Jahren häufig auf die Wechseljahre zurückgeführt oder als Form des postmenopausalen Syndroms gewertet.1 Dabei haben Studien gezeigt, dass sich ein Großteil der variierenden Symptome nicht allein auf die hormonellen Umstellungen zurückführen lässt, sondern vielmehr auf Faktoren wie generelle Altersprozesse oder bereits zuvor bestandene Komorbiditäten.1,2

Dazu zählen unter anderem Schlafstörungen, sexuelle Probleme, Gelenkbeschwerden und Stimmungsschwankungen. Beim Thema Scheidentrockenheit gibt es große Unterschiede in der Literatur, manche Studien haben einen Peak bei Frauen während der Wechseljahre beobachtet, andere eher im Anschluss an die Postmenopause und im fortgeschrittenen Alter.1,3-5

Einzig vasomotorische Symptome wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche treten Studien zufolge signifikant häufiger in der Zeit des Klimakteriums auf und werden auch in den Leitlinien als wichtigster klinischer Parameter für die Diagnose der Peri- und Postmenopause herangezogen.6-8

Weniger Hitzewallungen durch Tibolon

Als wirksamste Behandlung der vasomotorischen Symptome hat sich die Hormonersatztherapie (HRT) erwiesen. Bei nicht hysterektomierten Frauen sollte dabei immer auf Östrogen-Gestagen-Kombinationspräparate (EPT) zurückgegriffen werden, um eine östrogen-bedingte Endometriumsproliferation zu vermeiden. Für Frauen nach Hysterektomie wird eine Östrogen-Monotherapie empfohlen.6

Ein wirksames Präparat im Bereich der Östrogen-Monotherapie (ET) zur postmenopausalen Anwendung ist der Wirkstoff Tibolon (z.B. Tibolon Aristo®). Dieser weist östrogene, gestagene und androgene Wirkungen auf und zählt zu den sogenannten „Selective Tissue Estrogenic Activity Regulators“ (STEAR). Durch den Wirkstoff werden vasomotorische Beschwerden nachweislich reduziert, somit treten Hitzewallungen und Schweißattacken bei den betroffenen Frauen wesentlich seltener auf.6,9,10

Die empfohlene Tagesdosis für Tibolon beträgt 2,5mg und wird von den Patientinnen in Tablettenform zu den Mahlzeiten eingenommen.6

Angegriffene Psyche = mehr Wechseljahresbeschwerden

Bleiben noch die psychischen Symptome. Eine Studie von Toffol et al. hat gezeigt, dass Patientinnen mit angegriffener Psyche häufiger eine hormonelle Therapie erhalten als psychisch stabile Frauen.11 Eine gesunde Psyche nimmt daher in vielerlei Hinsicht Einfluss auf den Verlauf der Wechseljahre.

Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Ausprägung der Beschwerden von psychosozialen, psychologischen und soziodemografischen Faktoren abhängt. Zusammenfassend klagen alleinlebende, arbeitslose Frauen mit niedrigem Bildungsstand und geringem monatlichem Einkommen häufiger und intensiver über klimakterische Beschwerden als Frauen mit erfüllter Kinderwunschplanung und hoher Zufriedenheit im familiären und beruflichen Bereich.11-15 Die divergierende Wahrnehmung und Interpretation der somatischen und psychischen Beschwerden in Kombination mit der fehlenden Korrelation zur hormonellen Umstellung macht deutlich, welchen Einfluss die psychische Ausgangssituation und die Einstellung auf die Ausprägung der Symptome haben.

Depression als vorschnelle Diagnose bei Frauen über 40

Ein weiteres großes, immer wiederkehrendes Thema während der Wechseljahre sind depressive Verstimmungen. Aber: Wird die Diagnose Depression möglicherweise häufig zu schnell gestellt?

In einer Studie vom Robert-Koch-Institut (RKI) wurde der Zusammenhang zwischen Depressionen, Lebensalter und Bildungsstand untersucht. Dabei wurden Männer und Frauen in unterschiedlichen Altersgruppen hinsichtlich zweier Aspekte miteinander verglichen. Zum einen wurde erfasst, wie oft die Diagnose „Depression“ durch den behandelnden Hausarzt gestellt wurde, zum anderen wurde ein aktueller Test mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass Depressionen von Hausärzten am häufigsten bei Frauen im Alter zwischen 45 und 64 Jahren diagnostiziert wurden. Die Auswertung der parallel durchgeführten Befragungen ergab hingegen, dass vor allem junge Frauen zwischen 18 und 29 Jahren depressive Symptome angegeben hatten.16

Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass junge Frauen zum einen seltener zum Arzt gehen, zum anderen, dass eine entsprechende Diagnostik bei älteren Frauen meist früher eingeleitet wird. Insgesamt ergab die Studie, dass nicht die Wechseljahre Hauptrisikofaktor für die Entwicklung einer Depression sind, sondern die Bildungsschichten. Personen mit niedrigem Bildungsstand leiden dreimal häufiger an depressiven Verstimmungen als Menschen mit höherer Bildung.16

Der Fokus der Leitlinien liegt auf der Therapie und nicht der Ursache

Unabhängig davon, welche Einflussfaktoren nun ursächlich für die psychischen Beschwerden bei Frauen in den Wechseljahren sind – sie müssen behandelt werden. Ein ähnlicher Ansatz geht auch den Empfehlungen der kürzlich aktualisierten Leitlinien voraus.

Demnach sollen beispielsweise Depressionen während des Klimakteriums genauso therapiert werden wie in anderen Lebensphasen. Die Wirksamkeit der zur Verfügung stehenden Medikamente wird durch die hormonelle Umstellung nicht beeinflusst.6

Beim Auftreten von Schlafstörungen, Erschöpfungszuständen und Stimmungsschwankungen kann eine Abklärung der vasomotorischen Symptome im Sinne eines Dominoeffekts sinnvoll sein. Durch eine entsprechende Behandlung mit einer Östrogen-Gestagen-Kombinationstherapie kann damit oftmals auch eine Verbesserung der psychischen Beschwerden erzielt werden.6

Treten depressive Symptome unabhängig von Hitzewallungen und Schweißattacken auf, hat sich die kognitive Verhaltenstherapie als wirksam erwiesen.6

Der Grundstein wird im Arzt-Patienten-Gespräch in der gynäkologischen Praxis gelegt

Womöglich lassen sich manche Beschwerden aber auch ohne medikamentöse Therapieschemata behandeln. Als erster Ansprechpartner für die meisten Frauen haben Gynäkologen die Möglichkeit, bereits frühzeitig auf den Verlauf der Wechseljahre Einfluss zu nehmen.

Für viele Patientinnen gehen die Wechseljahre mit großer Verunsicherung einher. Aus Schamgefühl oder Angst werden die Wechseljahre aber beim Arztbesuch nicht angesprochen. Ein proaktives Vorgehen seitens des Gynäkologen kann hier ein erster erfolgreicher Schritt der Behandlung sein, wie eine Studie zeigt. Darin gaben über 80% der befragten Frauen an, sich ein offenes Ansprechen durch den Arzt zu wünschen. Gerade bei Patientinnen, die noch vor dem Eintritt in die Wechseljahre stehen, besteht ein hoher Informationsbedarf bezüglich der Symptome und entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten inklusive der Nutzen und Risiken einer solchen Therapie.17

Auch – oder gerade – die nicht hormonell bedingten Veränderungen sollten im Arzt-Patienten-Gespräch thematisiert werden. Im Idealfall lassen sich gemeinsam geeignete Coping-Strategien für die Betroffenen entwickeln. Diese reichen von der Mobilisierung zur Verfügung stehender Ressourcen über Änderungen des Lebensstils durch Sport und Ernährung bis hin zur Reduzierung zusätzlicher Belastungen im Alltag. Hier steht das Gespräch an sich im Mittelpunkt der Behandlung.18

(Mehr Informationen finden Sie in unserem Ratgeber „Wechseljahre“ für Patientinnen)

Gemeinsame Entscheidung gefragt

Die Bandbreite der Therapieoptionen ist groß, am Ende muss die Entscheidung für oder gegen eine entsprechende Behandlung vom Arzt und der Patientin gemeinsam getroffen werden. Dafür ist es Aufgabe des Arztes, die Patientin zu informieren und über das gesamte Therapie-Spektrum aufzuklären – von komplexen medikamentösen Schemata in Kombination mit symptomfokussierten kognitiven Verhaltenstherapien bis hin zum „Nichtstun“. Die Tatsache, dass es sich bei den Wechseljahren nicht um eine Erkrankung, sondern um eine natürliche Umstellung des Körpers handelt, die von allein wieder vergeht, kann gerade bei Frauen mit geringem Leidensdruck schon eine Hilfestellung sein. Andere Frauen wiederum benötigen deutlich mehr Unterstützung.18

Eine solche individuell abgestimmte Beratung und Betreuung erfordert ein hohes Maß an Flexibilität seitens des Gynäkologen oder der Gynäkologin, birgt auf der anderen Seite jedoch auch ein großes Potenzial, Beschwerden im Rahmen der Wechseljahre schon frühzeitig zu behandeln oder manche Symptome sogar ganz zu verhindern.

Autor: Chiara Grabmann

Referenzen:

  1. A universal menopausal syndrome? - PubMed [Internet]. [zitiert 12. Oktober 2020]. Verfügbar unter: https://pubmed-ncbi-nlm-nih-gov.emedien.ub.uni-muenchen.de/16414325/
  2. Bastian LA, Smith CM, Nanda K. Is this woman perimenopausal? JAMA. 19. Februar 2003;289(7):895–902.
  3. Management of menopause-related symptoms - PubMed [Internet]. [zitiert 20. Oktober 2020]. Verfügbar unter: https://pubmed-ncbi-nlm-nih-gov.emedien.ub.uni-muenchen.de/15910013/
  4. Are women with urogenital atrophy symptomatic? - PubMed [Internet]. [zitiert 20. Oktober 2020]. Verfügbar unter: https://pubmed-ncbi-nlm-nih-gov.emedien.ub.uni-muenchen.de/12592244/
  5. Dennerstein L, Dudley E, Burger H. Are changes in sexual functioning during midlife due to aging or menopause? Fertil Steril. September 2001;76(3):456–60.
  6. AWMF - Peri- und Postmenopause: Diagnostik und Interventionen [Internet]. Verfügbar unter: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-062l_S3_HT_Peri-Postmenopause-Diagnostik-Interventionen_2020-01_1.pdf
  7. Menopausal syndrome limited to hot flushes and sweating a representative survey study - PubMed [Internet]. [zitiert 19. Oktober 2020]. Verfügbar unter: https://pubmed-ncbi-nlm-nih-gov.emedien.ub.uni-muenchen.de/28351196/
  8. Symptoms during the perimenopause: prevalence, severity, trajectory, and significance in women’s lives - PubMed [Internet]. [zitiert 19. Oktober 2020]. Verfügbar unter: https://pubmed-ncbi-nlm-nih-gov.emedien.ub.uni-muenchen.de/16414323/
  9. Formoso G, Perrone E, Maltoni S, Balduzzi S, Wilkinson J, Basevi V, u. a. Short-term and long-term effects of tibolone in postmenopausal women. Cochrane Database Syst Rev. 12. Oktober 2016;10:CD008536.
  10. Kimmig R, Hillemanns P, Hepp H. Tibolon – eine Alternative zur Östrogensubstitution? Gynäkol. 1. Juni 2000;33(6):408–15.
  11. Associations between psychological well-being, mental health, and hormone therapy in perimenopausal and postmenopausal women: results of two population-based studies - PubMed [Internet]. [zitiert 20. Oktober 2020]. Verfügbar unter: https://pubmed-ncbi-nlm-nih-gov.emedien.ub.uni-muenchen.de/23277355/
  12. Age-related complaints in women and their determinants based on a representative community study - PubMed [Internet]. [zitiert 20. Oktober 2020]. Verfügbar unter: https://pubmed-ncbi-nlm-nih-gov.emedien.ub.uni-muenchen.de/15541859/
  13. Stress, psychological distress, psychosocial factors, menopause symptoms and physical health in women - PubMed [Internet]. [zitiert 20. Oktober 2020]. Verfügbar unter: https://pubmed-ncbi-nlm-nih-gov.emedien.ub.uni-muenchen.de/19167176/
  14. [Peri- and postmenopausal changes--body awareness, sexuality, and self- image of the middle-aged and older woman] - PubMed [Internet]. [zitiert 20. Oktober 2020]. Verfügbar unter: https://pubmed-ncbi-nlm-nih-gov.emedien.ub.uni-muenchen.de/14556118/
  15. Vivian-Taylor J, Hickey M. Menopause and depression: is there a link? Maturitas. Oktober 2014;79(2):142–6.
  16. RKI. Depressive Symptomatik bei Erwachsenen in Deutschland. 2017 [zitiert 20. Oktober 2020]; Verfügbar unter: http://edoc.rki.de/docviews/abstract.php?lang=ger&id=5309
  17. Schumann C, Beckermann M, Lehmann C, Möller I, Tormann D. „Es hat nichts gefehlt“ – Wechseljahre 2010 in der psychosomatischen Praxis. 2011;8.
  18. Weidner K, Schumann C, Beckermann M. Wecheljahre: Welchen Einfluss hat die Psyche? Verfügbar unter: https://www.springermedizin.de/welchen-einfluss-hat-die-psyche/17270356