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Die Prämenstruelle Dysphorische Störung als schwerste Form des Prämenstruellen Syndroms

Dem prämenstruellen Syndrom (PMS) wird eine Vielzahl an Symptomen ohne verbindliche Kriterien zugeordnet. Immer noch zu wenig bekannt sind die mittlerweile allgemein anerkannten Diagnosekriterien für die schwerste Form des PMS, nämlich die PMDS (Prämenstruelle Dysphorische Störung), bei der die psychischen Symptome wie Gereiztheit, Niedergestimmtheit und Anspannung im Vordergrund stehen.

Definition

Dem prämenstruellen Syndrom (PMS) wird eine Vielzahl an Symptomen ohne verbindliche Kriterien zugeordnet. Immer noch zu wenig bekannt sind die mittlerweile allgemein anerkannten Diagnosekriterien für die schwerste Form des PMS, nämlich die PMDS (Prämenstruelle Dysphorische Störung), bei der die psychischen Symptome wie Gereiztheit, Niedergestimmtheit und Anspannung im Vordergrund stehen. Diese Kriterien finden sich seit 2013 im amerikanischen Diagnosesystem DSM-5, sind aber in der aktuellen ICD-10 nicht abbildbar. In der bereits gültigen, aber in deutscher Version noch nicht vorliegenden ICD-11 wird die PMDS unter den gynäkologischen Diagnosen erfasst1.

Häufigkeit

Etwa 75% aller Frauen im gebärfähigen Alter nehmen in der Luteal­phase körperliche und/oder psychische Veränderungen wahr. Dabei ist der Schweregrad sehr unterschiedlich, nicht alle Frauen fühlen sich dadurch beeinträchtigt. Das ist anders bei der PMDS, die sich bei etwa 3-8% aller Frauen im reproduktiven Alter findet2.

Auswirkungen

Besonders die typischen psychischen Symptome der PMDS (Reizbarkeit, Anspannung, Stimmungs­schwankungen, erhöhte Empfindlichkeit) führen nicht selten zu ausgeprägten Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich mit starken Konflikten und Streitigkeiten. Schwere depressive Verstimmungen bis hin zu regelmäßig wiederkehrenden lebensmüden Gedanken kommen ebenfalls vor. Die typischen Symptome sind im Folgenden aufgeführt, wobei diese in den Zyklen variieren können3.

Symptome (nach DSM-53)

Typische Symptome einer „Prämenstruellen Dysphorischen Störung“:

  1. Depressive Verstimmung, Hoffnungslosigkeit, Selbstherabsetzende Gedanken
  2. Ängstlichkeit / Anspannung
  3. Deutliche Stimmungsschwankungen
  4. Andauernde Reizbarkeit oder Wut
  5. Interesselosigkeit für übliche Aktivitäten
  6. Konzentrationsschwierigkeiten
  7. Leichte Ermüdbarkeit, Energieverlust
  8. Appetitveränderungen
  9. Schlafstörungen
  10. Gefühl des Überwältigtseins oder Gefühl, außer Kontrolle zu geraten
  11. Körperliche Symptome

Diagnosekriterien (nach DSM-53)

  1. Mindestens eines der oben genannten Symptome 1-4 war vorhanden. Während der Mehrzahl der Menstruationszyklen der vergangenen 12 Monate bestanden mindestens 5 der oben genannten Symptome in der Woche vor Beginn der Menstruation. Die Symptome klingen innerhalb weniger Tage nach ihrem Einsetzen ab.
  2. Deutliche Beeinflussung beruflicher Leistungen und sozialer bzw. familiärer Beziehungen.
  3. Die Symptome sind nicht Ausdruck einer anderen (psychischen) Störung.
  4. Eine tägliche Selbstbeobachtung über mindestens zwei Zyklen bestätigt die Störung.

Ursachen

Die im Menstruationszyklus auftretenden hormonellen Schwankungen sind bei betroffenen Frauen nicht auffällig verändert. Das Neurotransmitter-System scheint jedoch hypersensibel auf diese Schwankungen zu reagieren4. Ob dafür eine Veränderung am GABA-Rezeptor mit verantwortlich ist, bleibt noch zu klären5. Zumindest für die schwerer ausgeprägte PMDS-Symptomatik mit deutlicher Reizbarkeit oder Depressivität muss von mitverursachenden biologischen Faktoren ausgegangen werden, wie etwa Besonderheiten im Hirnstoffwechsel (Serotonin-System)6. Zudem scheint es ein multifaktorielles Geschehen zu geben. Möglicherweise beteiligte Faktoren können neben einer familiären Belastung mit psychischen Er­krankungen oder einer eigenen Vorgeschichte mit Depressionen oder Ängsten z. B. Belastungen in der aktuellen Lebenssituation, Stress und Ernährungsstil sein.

Therapeutische Möglichkeiten

Bei leichteren Formen der PMDS wirken sich ebenso wie beim PMS Veränderungen des Lebens- und Ernährungsstils, Sport oder auch der Einsatz pflanzlicher Präparate zur Besserung der körperlichen Begleitsymptome oftmals positiv aus. Auch Ruhephasen und Stressreduktion können hilfreich sein7.

Oftmals klingen die Symptome bei Einnahme eines Kontrazeptivums (Pille) deutlich ab, treten aber entsprechend auch beim Absetzen der Pille nicht selten erstmals massiv auf. Am effektivsten wirkt die Einnahme im Langzyklus8.

Der Einsatz psychotherapeutischer Strategien kann hilfreich sein, wenn Umgebungs- und Verhaltens­faktoren zur Verstärkung der Symptome beitragen, auch wenn die Frauen in der akuten PMDS-Symptomatik oft nicht auf das Erlernte zurückgreifen können. Trotzdem können das Einüben von Entspannungsverfahren sowie von Methoden zur Stressreduktion und ein bewusster Umgang mit der Problematik entlastend wirken.

Helfen alle diese Strategien nicht, dann kann bei der PMDS, bei der die psychische Symptomatik mit Reizbarkeit, Anspannung oder Depressivität zu den oben beschriebenen Schwierigkeiten führt, eine medikamentöse Behandlung mit einem Antidepressivum in Erwägung gezogen werden. Eingesetzt werden Antidepressiva, vor allem Serotonin­wiederaufnahme-Hemmer (SSRI). Für Substanzen dieser Gruppe gibt es gut kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit untersucht haben. Dabei können diese Substanzen sowohl kontinuierlich während des gesamten Zyklus, wie auch intermittierend, also nur in der zweiten Zyklushälfte, angewandt werden9. Nach einer ausreichend langen Behandlungszeit (mindes­tens ½ Jahr) kann ein Absetzversuch vorgenommen werden. Die klinische Erfahrung hat gezeigt, dass dann oftmals so etwas wie „Beruhigung“ eingetreten ist, was zumindest ein vorübergehendes Aussetzen der Behandlung möglich macht. Dies kann vor allem deshalb sinnvoll sein, weil manche Frauen unter sexueller Unlust als Nebenwirkung der Antidepressiva vom SSRI-Typ leiden10.

In schweren Fällen kann auch die Kombination von Pille und Antidepressivum sinnvoll sein.

Unbedingt ein Zyklustagebuch führen lassen

Wie den Kriterien oben zu entnehmen ist, gehört die Zyklusdokumentation über mindestens 2 Monate zur Diagnostik dazu. Das Erkennen, wie die Beschwerden mit dem Menstruationszyklus oder auch anderen Einflussfaktoren zusammenhängen, hat für die Betroffenen psychoedukative Effekte. Für die behandelnde Ärztin/den Arzt ist es wichtig, so ein Zyklustagebuch auch „auslesen“ zu können, was durch gängige Zyklus-APPs oder eigene Dokumentation häufig nicht einfach ist. Zurzeit empfiehlt sich daher eine klassische Papier-Stift-Variante mit den spezifisch festgehaltenen Symptomen (s.u.).

Dieses Zyklustagebuch sollte auf jeden Fall auch während der Behandlung fortgeführt werden, um die Wirksamkeit wirklich beurteilen zu können.

Verlauf

Beginnen kann ein PMS in jedem Alter nach Einsatz der ersten Periode; die ausgeprägte PMDS-Sympto­matik beginnt oft später. In Behandlung kommen vor allem Betroffene zwischen 30 und 40 Jahren. Die Verschlimmerung mit zunehmendem Alter oder nach einer Entbindung ist nicht ungewöhnlich; möglicher­weise spielen dabei die geringeren Rückzugsmöglichkeiten bzw. erhöhte Belastungen durch die familiäre und berufliche Situation eine Rolle. Auch kann die langjährige Einnahme einer Pille eine PMDS maskieren, so dass nach Absetzen der Medikamente die Symptome erstmals in dieser Schwere wahrgenommen werden. Die Symptome verschwinden gewöhnlich mit Einsetzen der Wechseljahre.

Weiterführende Informationen

Ein Zyklustagebuch als PDF zum kostenlosen Download für Ihre Patientinnen finden Sie unter www.pmds.team dort finden Sie auch aktuelle Beiträge in der Presse und Sozialen Medien.
Dorn A, Schwenkhagen A, Rohde A. (2022) PMDS als Herausforderung. Die Prämenstruelle Dysphorische Störung

Quellen

  1. Schwenkhagen A, Dorn A, Rohde A, Schaudig K (2022) Hormonsprechstunde. Sie fragen – Experten antworten. Frauenarzt (5), 328-234
  2. Dennerstein L, Lehert P, Heinemann K. (2012) Epidemiology of premenstrual symptoms and disorders. Menopause Int. 18(2), 48–51.
  3. APA (American Psychiatric Association) Diagnostisches und Statisches Manual psychischer Störungen DSM-5. Deutsche Ausgabe. Herausgegeben von Falkai P, Wittchen H-U et al. (2020). 2. Korrigierte Auflage. Hogrefe Göttingen
  4. Schmidt PJ, Martinez PE, Nieman LK, Koziol DE, Thompson KD, Schenkel L, Wakim PG, Rubinow DR. (2017) Premenstrual Dysphoric Disorder Symptoms Following Ovarian Suppression: Triggered by Change in Ovarian Steroid Levels But Not Continuous Stable Levels. Am J Psychiatry. 174(10):980-989.
  5. Hantsoo L, Epperson CN. Allopregnanolone in premenstrual dysphoric disorder (PMDD): Evidence for dysregulated sensitivity to GABA-A receptor modulating neuroactive steroids across the menstrual cycle. Neurobiol Stress. 2020 Feb 4;12:100213. doi: 10.1016/j.ynstr.2020.100213. PMID: 32435664; PMCID: PMC7231988.
  6. Marjoribanks J, Brown J, O'Brien PM, Wyatt K (2013) Selective serotonin reuptake inhibitors for premenstrual syndrome. Cochrane Database Syst Rev.; (6):CD001396. doi: 10.1002/14651858.CD001396.pub3. 
  7. Rapkin AJ, Lewis EI (2013) Treatment of premenstrual dysphoric disorder. Womens Health (Lond); 9(6):537-56.
  8. de Wit AE, de Vries YA, de Boer MK, Scheper C, Fokkema A, Janssen CAH, Giltay EJ, Schoevers RA. Efficacy of combined oral contraceptives for depressive symptoms and overall symptomatology in premenstrual syndrome: pairwise and network meta-analysis of randomized trials. Am J Obstet Gynecol. 2021 Jul 2:S0002-9378(21)00774-2. doi: 10.1016/j.ajog.2021.06.090. Epub ahead of print. PMID: 34224688.
  9. Yonkers KA, Kornstein SG, Gueorguieva R, Merry B, Van Steenburgh K, Altemus M. Symptom-Onset Dosing of Sertraline for the Treatment of Premenstrual Dysphoric Disorder: A Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry. 2015 Oct;72(10):1037-44. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2015.1472. PMID: 26351969; PMCID: PMC4811029.
  10. Rohde A, PMS und PMDS – Behandlungsmöglichkeiten in der Frauenarztpraxis, wenn die psychischen Symptome im Vordergrund stehen. Gyne. 2019(2):30-36. Online unter https://dgpfg.de/blog/https-dgpfg-de-wp-content-uploads-2019-05-gyne-2-19-pdf/