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Epidemiologie, Diagnostik und Therapie nosokomialer Pneumonien

Aktuell sind Delegierte der DGIM-Kommission „Leitlinien“ an über 100 Leitlinien der internistischen Schwerpunktgesellschaften beteiligt.

Das Update löst die Leitlinie aus dem Jahr 2017 ab. Die wesentlichen Erneuerungen sind in Infobox 1 zusammengefasst.
Eine im Krankenhaus erworbene Pneumonie (hospital acquired pneumonia, HAP)
liegt vor, wenn die ersten Infektionszeichen am 3. stationären Tag (48 Stunden nach Aufnahme) oder später auftreten. Bei der beatmungsassoziierten Pneumonie (ventilatoracquired pneumonia, VAP) handelt es sich um eine Pneumonie, die infolge einer maschinellen Beatmung entsteht, wenn vor der Pneumonie mindestens 3 Kalendertage eine Beatmung über einen Endotrachealtubus oder ein Tracheostoma stattgefunden hat.

Erreger

Aerobe und fakultativ anaerobe gramnegative Stäbchenbakterien (Enterobacterales und Pseudomonas aeruginosa) werden am häufigsten nachgewiesen. Bei den grampositiven Erregern dominieren Staphylococcus aureus und Streptococcus pneumoniae. Bis zu 30 % der nosokomialen Pneumonien werden durch Viren (Influenza, RSV, SARS-CoV-2) verursacht.
Als wichtigster Risikofaktor für multiresistente Erreger (MRE) bei der VAP wurde eine vorausgegangene intravenöse antimikrobielle Therapie innerhalb der letzten 30 Tage vor Pneumoniebeginn identifiziert. Daher wird empfohlen, bei Patienten mit Sepsis-assoziierter Organdysfunktion eine Initialtherapie, die potentielle MRE erfasst, durchzuführen.
Risikofaktoren für die Pneumonie durch ESBL-Bildner (ESBL = Extended-Spectrum β-lactamase) waren ein hoher SAPS-II-Score (Simplified Acute Physiology Score) bei Aufnahme und die Kolonisation mit Enterobacterales (nicht E. coli).

Infobox 1

Neuerungen der aktuellen Leitlinie

  • Neue Definition der therapierelevanten Risikofaktoren für
    multiresistente Erreger (MRE)
  • Stellungnahme zum Einsatz einer Multiplex-PCR
    im Rahmen der mikrobiologischen Diagnostik
  • Neue Empfehlung zur Diagnostik auf Aspergillus bei Patienten mit Risikofaktoren mittels Antigentest auf Galaktomannan aus bronchoalveolärer Lavage
  • Virologische molekulardiagnostische Untersuchung mindestens auf SARS-CoV2 und Influenza in Abhängigkeit von der epidemiologischen Situation
  • Keine kalkulierte Monotherapie mit Ceftazidim bei HAP/VAP
  • Monotherapie mit Meropenem bei Patienten mit septischem Schock ohne weiteren Risikofaktor für MRE möglich
  • Kombitherapie bei Patienten mit erhöhtem Risiko für MRE und septischem Schock
  • Tobramycin als einziges Aminoglykosid als Kombinationspartner empfohlen
  • Empfehlung zur Therapiedauer der HAP/VAP auf 7–8 Tage verkürzt
  • Empfehlung zur prolongierten Infusion der Betalaktam-Antibiotika bei kritisch kranken Patienten
  • Zusätzliche inhalative Antibiotikatherapie bei multiresistenten gramnegativen Erregern
  • Neue Empfehlungen zum Vorgehen bei Reevaluation der Therapie
  • Fokus auf Antibiotic Stewardship: Empfehlung zur Deeskalation und Fokussierung der Therapie sowie für Strategien zur Optimierung des Verordnungsverhaltens
  • Empfehlungen zur gezielten Therapie spezieller Erreger, inklusive Umgang mit neuen Reserveantibiotika

Als Risikofaktoren für Infektionen durch Carbapenem-resistente ramnegative Erreger (P. aeruginosa, Acinetobacter baumannii, Klebsiella pneumoniae, andere Enterobacterales) wurden eine vorherige Antibiotikatherapie, insbesondere mit Carbapenem, sowie ein Aufenthalt auf einer Intensivstation identifiziert.

Diagnostik

Für die Diagnose einer Sepsis-assoziierten Organdysfunktion bei HAP ist nach Sepsis-Leitliniendefinition ein Anstieg des quick-Sequential Organ Failure Assessment Scores zu verwenden.
Bei HAP nicht beatmeter Patienten werden insgesamt in 9,3 %, bei S. pneumoniae-Infektionen in 11,4 % positive Blutkulturen gefunden.
Bei VAP hatten 16 % eine positive Blutkultur. Die Blutkultur bleibt der Goldstandard für die Diagnose der bakteriämischen Pneumonie.
Der Nachweis einer Pneumonie durch Legionella spp. ist mit kulturellen Techniken langwierig. Bei HAP nicht beatmeter Patienten gehörte L. pneumophila nach S. pneumoniae zu den häufigen Erregern. Demgegenüber spielt dieser Erreger bei invasiv beatmeten Patienten eine untergeordnete Rolle. Der Urin -Antigentest selbst hat eine sehr hohe Spezifität (> 99 %), jedoch eine vergleichsweise niedrige Sensitivität (74 %). Ein negativer Legionellen- Antigentest schließt eine Legionellen-Infektion daher nicht aus.
Mit neuen molekularen Techniken lassen sich gleichzeitig Erreger und Resistenzgene nachweisen. Derzeit sind zwei Multiplex-PCR-Systeme zum Nachweis von bakteriellen Pneumonieerregern (inklusive Legionellen, Mykoplasmen, Chlamydien, Pneumocystis jirovecii) und einigen Resistenzgenen erhältlich: Das Unyvero Pneumonia Pannel von Curetis umfasst 20 Bakterien und Pneumocystis jirovecii sowie 16 Resistenzgene, der BioFire FilmArray Pneumonia von bioMerieux 18 Bakterien, 8 Resistenzgene sowie 9 Viren.
Die Diagnostik der invasiven pulmonalen Aspergillose (IPA) kann zur Herausforderung werden. Risikofaktoren für eine IPA bei intensivmedizinischen (ITS) Patienten beinhalten eine Steroidtherapie, COPD, Leberzirrhose, Malnutrition, Verbrennungen, Diabetes sowie eine schwere Influenza- oder COVID-19-Infektion. Das konventionelle Röntgen ist zur Differentialdiagnostik der IPA ungeeignet.
Daher wird eine CT des Thorax empfohlen. Beim Verdacht auf eine IPA bei ITS- Patienten sollte zum Nachweis von Aspergillus spp. eine Mikroskopie und eine Pilzkultur sowie ein Galaktomannan-Antigen-Test aus der BAL erfolgen. Alternativ stehen auch andere Methoden zur Verfügung, wie der Aspergillus-specific lateral flow device und der Aspergillus galactomannan lateral flow assay sowie
die PCR.
Viren sind eine wahrscheinlich unterschätzte Ursache der HAP. Die beste Evidenz zur Diagnostik viraler Atemwegsinfektionen bestehtfür molekulare Testverfahren, die simultan SARS-CoV-2, RSV und Influenzaviren nachweisen und sowohl am Point-of-Care als auch im Labor durchgeführt werden können. Neue Multiplex-PCRFormate erlauben den Nachweis von über 20 viralen und auch atypischen bakteriellen Erregern.
Eine digitale Bildgebung ist aus Qualitätsgründen unabdingbar. Falls die Röntgenthoraxaufnahme kein Infiltrat zeigt, sollte eine CT vorgenommen werden.

Therapie

Die Empfehlung, bereits bei Verdacht auf eine nosokomiale Pneumonie eine kalkulierte Antibiose zu beginnen, gilt uneingeschränkt für Patienten im septischen Schock. Die Empfehlungen zur kalkulierten antimikrobiellen Therapie folgen dem Vorliegen eines Risikos für MRE und P. aeruginosa. Die relevante Multiresistenz im grampositiven Bereich besteht aus Methicillin-resistenten S. aureus (MRSA).
Wenige Daten existieren zur Therapie der nosokomialen Pneumonie bei Patienten ohne invasive Beatmung. Es wurden Piperacillin/Tazobactam, Cephalosporine der Gruppen 3a und 3b, Carbapeneme und Moxifloxacin geprüft, ohne dass eine Substanz hinsichtlich Sterblichkeit oder klinischem Therapieerfolg überlegen war.
Folgende Bakterien bilden besondere Resistenzmechanismen: Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumanii. Die Evidenz für die Auswahl einer Therapieoption bei beatmungsassoziierter Pneumonie ist gering. Piperacillin/Tazobactam, pseudomonaswirksame Cephalosporine und Carbapeneme, Ciprofloxacin und Levofloxacin wurden einzeln und in Kombination geprüft, ohne dass eine Überlegenheit einer Substanz hinsichtlich der Letalität nachgewiesen wurde.
Im Hinblick auf Therapieversagen fanden sich in den meisten Studien keine signifikanten Unterschiede. Allerdings schnitt eine Ceftazidim-Monotherapie hinsichtlich des klinischen Ansprechens schlechter als Meropenem oder Piperacillin/Tazobactam ab. Die Substanz ist gegenüber S. aureus und Pneumokokken unzureichend aktiv und sollte daher nicht als Monotherapie verabreicht werden. Ceftazidim ist darüber hinaus unwirksam gegen ESBL-bildende Enterobakterien.
Bei Verdacht auf MRSA-Infektion sollten bei Vorliegen einer Sepsis oder eines septischen Schocks Vancomycin oder Linezolid zu MRSA-wirksamen Substanzen hinzugefügt werden. Bei bekannter ESBL und/oder multiresistenten gramnegativen (MRGN) Bakterien ist eine Therapie zu wählen, die die entsprechenden ESBL- und/oder MRGN-Erreger miterfasst.

Fazit

Zusammenfassend ergibt sich mit niedriger Qualität der Evidenz eine geringere Sterblichkeit und eine bessere klinische Heilung unter längerer Applikation von β-Laktam-Antibiotika. Daher wird empfohlen, bei Patienten mit Sepsis und septischem Schock eine prolongierte Infusion von β-Laktam-Antibiotika bevorzugt durchzuführen.
Bei Hinweis auf eine IPA sollte möglichst frühzeitig eine antimykotische Therapie eingeleitet werden. Als Erstlinientherapie wird Voriconazol, Isavuconazol oder liposomales Amphotericin B empfohlen.
Nur wenige Studien haben die Rolle von Atemwegsviren bei der nosokomialen Pneumonie untersucht. Zanamivir und Oseltamivir sind für Influenza zugelassene antivirale Medikamente. Die Wirksamkeit ist bei Immungesunden innerhalb von 48 Stunden nach Infektion am größten und nimmt danach deutlich ab.
Eine inhalative Antibiotikatherapie bei Patienten mit VAP hatte keinen Einfluss auf die Sterblichkeit und Behandlungsdauer.
Die vollständige Leitlinie ist hier verfügbar: