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Buchrezension

Das neue Lehrbuch „Orale Präventivmedizin. Eine interdisziplinäre Herausforderung“ ist unter den vielen human- und zahnmedizinischen Lehrbüchern in gewisser Weise ein Unikat.

„Orale Präventivmedizin. Eine interdisziplinäre Herausforderung“
R. Sanderink, H. Renggli, U. Saxer
Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2022

Das neue Lehrbuch „Orale Präventivmedizin. Eine interdisziplinäre Herausforderung“ ist unter den vielen human- und zahnmedizinischen Lehrbüchern in gewisser Weise ein Unikat, da es in bislang nicht gekannter Weise die Schnittpunkte und gegenseitigen Wechselwirkungen von allgemeiner/systemischer und oraler Gesundheit tiefgründig beleuchtet. Damit werden in gleicher Weise Humanmedizin und Zahnmedizin angesprochen und miteinander verknüpft. Viel zu lange haben sich Allgemeinmedizin und Zahnheilkunde mit sich selbst beschäftigt und die mannigfaltigen Interaktionen zwischen beiden Systemen nicht oder nur am Rande berücksichtigt. Genau hier setzt das Lehrbuch an. Es vermittelt wissenschaftlich fundierte Grundlagen der gegenseitigen Beeinflussung von systemischer und oraler Gesundheit, zeigt zudem aber auch konkrete Ansätze für die praktische Umsetzung dieser Erkenntnisse auf.

Was ist die wissenschaftliche Basis für diese bidirektionale Interaktion zwischen systemischer und oraler Gesundheit, wo finden sich Erklärungsansätze? Eine zentrale Rolle spielt zweifellos das oro-gastrointestinale Mikrobiom, das von vielen Einflussfaktoren determiniert wird. Dieses lange Zeit vernachlässigte Organ stellt quasi die Schnittstelle zwischen Genetik, Umwelt und menschlichem Organismus dar und reguliert entscheidend das Immunsystem. Ein gesundes oro-gastrointestinales Mikrobiom zeichnet sich durch eine hohe Diversität aus. Ein gestörtes Mikrobiom (Dysbiose) wirkt sich negativ auf das Immunsystem aus und kann zu vielen Erkrankungen wie z. B. Allergien, chronischen Entzündungen, Autoimmunerkrankungen, Adipositas, Diabetes und organischen wie auch psychischen Erkrankungen führen. Wegen der gegenseitigen Beeinflussung ist es dabei noch weitgehend unklar, ob dysbiotische Veränderungen Ursache oder Folge einer Erkrankung sind. Beides erscheint möglich. Im engen Kontext stehen hierzu chronische Entzündungsprozesse, seien sie lokal orodigestiv oder systemisch. Die Interaktionen zwischen beiden Systemen werden systematisch analysiert und die Auswirkungen auf die Gesundheit nachvollziehbar skizziert. Ein Beispiel sei angeführt. Parodonditiden können systemische Gesundheitsstörungen und Erkrankungen nach sich ziehen, umgekehrt können sie auch Folge Letzterer sein.

Auf fast 500 Seiten findet der interessierte Leser fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse zum Wechselspiel von allgemeiner und oraler Gesundheit und dem krankheitsfördernden Potenzial bei Imbalancen dieser Systeme. Der Titel suggeriert die Fokussierung auf präventive Aspekte, das Buch enthält aber ebenso „therapeutische“ Ansätze, wenn bereits Gesundheitsstörungen aufgetreten sind. Sie lassen sich in einem Appell zusammenfassen. Zahnmediziner und Humanmediziner sind gemeinsam aufgefordert, integrative, präventive und therapeutische Behandlungskonzepte zu entwickeln und sich eng wissenschaftlich und patientenorientiert auszutauschen. Insofern spricht dieses Buch eine große Zielgruppe an: Zahnärzte, Allgemeinärzte, Internisten, Psychiater, Ernährungsmediziner und andere mehr. Es eröffnet sich hier eine Perspektive, die allgemeine und individuelle Gesundheit nachhaltig positiv zu beeinflussen. Den Autoren gebührt ein großes Lob für die stimulierenden Erkenntnisse und Gedanken.

Autor

Professor Dr. med. Dr. med. habil Wolfgang Fischbach
Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Aschaffenburg em. CA Medizinische Klinik II und Klinik für Palliativmedizin
Klinikum Aschaffenburg-Alzenau
Akad. Lehrkrankenhaus der Universität Würzburg