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Therapiewahl bei CLL: entscheidende Faktoren

Die Frage, ob eine Therapie der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) indiziert ist oder nicht, wird in den Leitlinien klar definiert. Dagegen kann die Auswahl der am besten geeigneten Therapie schwer fallen.<sup>1,2</sup>

Die Frage, ob eine Therapie der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) indiziert ist oder nicht, wird in den Leitlinien klar definiert. Dagegen kann die Auswahl der am besten geeigneten Therapie schwer fallen.1,2 Während die Chemoimmuntherapie lange Zeit Standard in der Behandlung der CLL war, stehen heute zielgerichtete Therapien im Fokus. Mit dem Therapiewandel haben sich auch die Faktoren geändert, auf deren Basis das therapeutische Vorgehen festgelegt wird. Da es sich bei der CLL um eine klinisch und biologisch sehr heterogene Erkrankung handelt, sollte jeder Patient und jede Patientin individuell betrachtet werden.2 Die Therapiewahl sollte sich dabei an folgenden Faktoren orientieren:

Therapiestatus des Patienten/der Patientin

Generell wird zwischen der Primärtherapie bei bisher unbehandelten PatientInnen und der Rezidivtherapie bei vorbehandelten PatientInnen mit rezidivierender/refraktärer CLL unterschieden. Die Wahl der Primärtherapie orientiert sich vor allem an Allgemeinzustand und genetischem Risikoprofil der PatientInnen.1,2 Bei der Wahl der Rezidivtherapie sind zudem vorausgehende Therapien ein ausschlaggebender Faktor, da sich die Biologie der CLL im Laufe einer Behandlung ändern kann. So können beispielsweise “Gain-of-Function“-Mutationen zu einer spontanen Steigerung der Genaktivität führen.3 Bei der Therapiewahl spielen hier deshalb neben Allgemeinzustand und Risikofaktoren die Art der Primärtherapie, die damit erreichte Remissionsdauer und die gegenüber der Erstdiagnose veränderten biologischen Eigenschaften der CLL, wie beispielsweise der Nachweis einer 17p-Deletion bzw. TP53-Mutation, eine entscheidende Rolle.2

Genetische Risikomerkmale

Die Mehrheit der CLL-PatientInnen weist bei Diagnose ein oder mehrere genetische Risikomerkmale auf (Abbildung 1).5-10 Zu diesen zählen TP53-Mutationen und/oder 17p-Deletionen, unmutierter IGHV-Status und komplexer Karyotyp (drei oder mehr chromosomale Aberrationen). Diese Merkmale sind prognostisch ungünstig und nachweislich mit einer geringeren Ansprechrate auf Chemoimmuntherapien assoziiert.4 Der TP53- und der del(17p)-Status können sich im Laufe der Erkrankung verändern und sollten daher vor jeder Therapieentscheidung getestet werden.4 Der IGHV-Status ändert sich dagegen während des Krankheitsverlaufs nicht und sollte daher einmalig vor der ersten Therapie bestimmt werden.4 Da sich Chemoimmuntherapien bei der Behandlung von PatientInnen mit genetischen Risikofaktoren als weniger effektiv erwiesen haben, gelten hier BTK-Inhibitoren als Mono- oder in Kombinationstherapie mit einem Anti-CD20 Antikörper bzw. Venetoclax in Kombination mit einem Anti-CD20 Antikörper als Therapie der Wahl.2


Abbildung 1: Inzidenz der nach aktueller Leitlinie definierten Hochrisikofaktoren 5-16

Körperlicher Zustand

Die Therapie sollte sich unter anderem am Allgemeinzustand der PatientInnen orientieren. Die intensive Chemoimmuntherapie aus Fludarabin plus Cyclophosphamid plus Rituximab (FCR) ist beispielsweise nicht für PatientInnen mit reduziertem Allgemeinzustand geeignet, während eine weniger intensive Chemoimmuntherapie wie Bendamustin und Rituximab oder Chlorambucil und Obinutuzumab geeignet wäre – allerdings nur bei PatientInnen ohne genetische Risikofaktoren.1,2 Zielgerichtete Therapien wie BTK-Inhibitoren sind hier im Vorteil, da sie für alle PatientInnengruppen geeignet sind, inklusive PatientInnen mit reduziertem Allgemeinzustand und gleichzeitig vorhandenen Risikofaktoren.2 Für PatientInnen mit schlechtem Allgemeinzustand steht die supportive Therapie an erster Stelle. Wenn der schlechte Allgemeinzustand wesentlich durch die CLL bedingt ist, ist der Einsatz antineoplastisch wirksamer Medikamente sinnvoll.2

Kalendarisches Alter

Die körperliche Belastbarkeit des einzelnen Patienten/der einzelnen Patientin und eine mögliche Exposition gegenüber verschiedenen Therapieregimen können unabhängig vom nummerischen Alter stark variieren.1 Die Therapiewahl sollte sich deshalb vor allem an Komorbiditäten, genetischen Risikofaktoren und Allgemeinzustand orientieren, weniger dagegen am kalendarischen Alter.1,2

Komorbiditäten

Komorbiditäten werden unter anderem durch den Cumulative Illness Rating Scale (CIRS) Score ermittelt. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Therapiewahl, da sie den körperlichen Allgemeinzustand mitbestimmen und den Therapieverlauf beeinflussen können (Abbildung 2). Ein CIRS ≥ 6 weist auf eine erhöhte Komorbidität hin, während PatientInnen mit CIRS < 6 als körperlich fit gelten. In den Leitlinien werden Komorbiditäten als Teil des Allgemeinzustands bei der Therapiewahl mit berücksichtig.2 Während die Chemoimmuntherapie nur bei PatientInnen mit reduziertem Allgemeinzustand ohne Risikofaktoren empfohlen wird, werden zielgerichtete Therapien wie BTK-Inhibitoren auch bei PatientInnen mit reduziertem Allgemeinzustand empfohlen, die gleichzeitig genetische Risikofaktoren aufweisen.1,2 Zielgerichtete Therapien können demnach an einem breiten Patientenkollektiv angewendet werden.2


Abbildung 2: Komorbiditäten und deren Einfluss auf die CLL-Therapie 17-21


Quellen

  1. S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit einerchronischen lymphatischen Leukämie(CLL). Online verfügbar unter https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/CLL/LL_CLL_Langversion_1.0.pdf (letzter Zugriff: 20.10.2020).
  2. Wendtner CM et al. Onkopedia-Leitlinie “Chronische Lymphatische Leukämie (CLL)”. Online verfügbar unter https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/chronische-lymphatische-leukaemiecll/@@guideline/html/index.html. Stand September 2020 (letzter Zugriff: 20.10.2020)
  3. Woyach AJ et al. N Engl J Med 2014; 370:2286-2294.
  4. https://www.mll.com/erkrankungendiagnostik/chronische-lymphatische-leukaemie-cll/chronische-lymphatische-leukaemie-cll.html (letzter Zugriff: 20.10.2020).
  5. Referenziert mit Erlaubnis der NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology (NCCN Guidelines®) für CLL/SLL. V.4.2020. © National Comprehensive Cancer Network, Inc. 2019. Aalle Rechte vorbehalten. Letzter Zugriff 01.08.20. Die aktuellste und vollständige Version der Guideline ist online zu finden unter NCCN.org. 2. International CLL-IPI working group. Lancet Oncol. 2016;17(6):779-790.
  6. International CLL-IPI working group. Lancet Oncol. 2016;17(6):779-790.
  7. Moreno C et al. [correction in Lancet Oncol. 2019 Jan;20(1):e10]. Lancet Oncol. 2019;20(1):43-56.
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