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Orale Tumortherapie: Arzt und Patient profitieren von geschulten MFA

Mit der Zunahme oraler Tumortherapien wächst das Bedürfnis der PatientInnen nach Unterstützung. Eine Pflegesprechstunde durch geschultes, nichtärztliches Praxispersonal kann den Arzt entlasten und das klinische Ergebnis verbessern.

Die orale Tumortherapie mit zielgerichteten Wirkstoffen nimmt im onkologischen Behandlungsspektrum einen immer größeren Raum ein. Beispielhaft für die hohe Fortschrittsdynamik stehen aktuell der Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor (BTKI) Acalabrutinib und der Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Osimertinib:

Bedarf nach hoher Therapieadhärenz und Früherkennung von Nebenwirkungen erfordern stärkere Einbeziehung von qualifizierten MFA

Orale Therapien erlauben im Gegensatz zu intravenösen die praktische Einnahme zuhause, ihr Erfolg ist jedoch maßgeblich von der Mitarbeit des Patienten abhängig. Entsprechend steigen bei oralen Tumortherapien die Anforderung an das Praxisteam, die PatientInnen in ihrem Selbstmanagement und der Therapieadhärenz bestmöglich zu unterstützen. Ohne die stärkere Einbeziehung einer qualifizierten onkologischen Fachassistenz ist dieser Bedarf in der Praxis kaum zu decken. Den medizinischen Fachangestellten (MFA) und Pflegekräften kommt in der Schnittstellenfunktion zwischen Arzt und Patient eine wichtige Rolle im Kontext der oralen Tumortherapie zu, etwa bei der Einschätzung des Performance Status, bei der Abstimmung zum adäquaten Vorgehen für die molekulare Diagnostik und insbesondere beim Nebenwirkungsmanagement.

Auch wenn sich der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin ausführlich Zeit für das Erstgespräch nimmt, haben die PatientInnen danach häufig noch sehr viele Fragen. Denn die Informationsaufnahme durch die PatientInnen ist häufig eingeschränkt, insbesondere wenn diese durch die neue Situation verunsichert oder ängstlich sind. Deshalb empfiehlt sich das Angebot einer onkologischen Pflegesprechstunde.

Patientenschulung stärkt Therapieadhärenz und reduziert Nebenwirkungen

Den Einfluss eines zusätzlichen Coaching-Gespräches durch nichtärztliches Personal bei PatientInnen in einer Erstliniensituation einer oralen Chemotherapie wurde in der prospektiven, cluster-randomisierten Studie PACOCT untersucht, an der bundesweit 28 Onkologie-Praxen aus dem WINHO-Netzwerk teilnahmen.7 Von 178 PatientInnen, deren Daten ausgewertet wurden, erhielten nach der üblichen ärztlichen Aufklärung 122 Patienten aus 17 Praxen im Interventionsarm zusätzlich eine Patientenschulung nach MOATT durch speziell dafür geschultes Praxispersonal. In einem dreimonatigen Beobachtungszeitraum pro PatientIn wurde in der Interventionsgruppe seltener über Nebenwirkungen (Hautausschlag, Schmerzen, Fatigue, Übelkeit, Erbrechen) berichtet, während in der Kontrollgruppe häufiger als im Interventionsarm die Therapie ohne Mitteilung an den/die BehandlerIn unterbrochen wurde (25 % vs. 14 %).8

Wie die Autoren der PACOCT-Studie, darunter der Hämato-Onkologe Dr. Manfred Welslau (Aschaffenburg) in ihrer Auswertung betonen, ist ein PatientInnen-Monitoring aufgrund der zu beobachtenden großen Schwankungen gerade am Anfang einer oralen Tumortherapie sinnvoll. Die standardisierte Pflegeschulung funktioniert unter Alltagsbedingungen und fördert die Patientenkompetenz, wodurch das therapiebezogene Wissen erhöht, die Adhärenz verbessert und das Auftreten von Nebenwirkungen vermindert werden.8-10

In der eigenen Praxis bemerkte Welslau spürbare Fortschritte schon einige Monate nach Einführung eines zweiten Gesprächstermins für die PatientInnen, den erfahrene und interessierte PraxismitarbeiterInnen übernahmen: „Wir bemerkten, dass die Dinge seltener entgleisten, weniger überraschende Notfalltermine nötig wurden, es weniger Rückfragen an den Arzt gab.“11 Die Patienten fühlten sich besser aufgeklärt – trotz der Begrenzung des ärztlichen Erstgesprächs auf 15 Minuten, um eine kommunikative Überforderung zu vermeiden. Dass diese Vorgehensweise auch dabei hilft, die Nebenwirkungsrate zu senken, wollte Welslau „zunächst nicht richtig glauben“.11

Die Rolle der Onko-Nurse wird immer wichtiger

Die Funktion der „oncology nurse“, die vor allem im angloamerikanischen Raum als Fachdisziplin schon lange etabliert und organisiert ist, wird mit dem Fortschritt der onkologischen Versorgung weiter an Bedeutung gewinnen.12,13 Mittlerweile findet sich auch im deutschsprachigen Raum der Begriff der „Onko-Nurse“ immer häufiger. Die 1987 gegründete Konferenz Onkologischer Kranken- und Kinderkrankenpflege (KOK) ist heute die mitgliederstärkste Arbeitsgemeinschaft in der Deutschen Krebsgesellschaft.14 Eine Umfrage von DGHO, BNHO und der KOK zur Machbarkeit einer Pflegesprechstunde für die orale Tumortherapie ergab:

Ein schweizerischer „Leitfaden für die Entwicklung und Implementierung einer onkologischen Pflegesprechstunde“ sieht (abrechenbare) Konsultationen zu folgenden vier Zeitpunkten vor:

Die Evidenz für den klinisch relevanten Nutzen entsprechender Angebote wächst kontinuierlich: So bestätigt auch eine kürzlich publizierte Arbeit, dass PatientInnen von einer effektiven Schulung für die orale Tumortherapie profitieren, weil sie die erhaltenen Informationen besser verstehen und ihre Behandlung einschließlich der Nebenwirkungen besser handhaben können.17

AstraZeneca bietet Fortbildungen für MFA an:
Take Care – Zielgerichtete Therapien in der Hämatologie und Onkologie am 29.-30.10.2021 in Hamburg oder am 12.-13.11.2021 in München

Zielgerichtete Therapien beim Lungenkarzinom und bei der CLL, Nebenwirkungen und ihre Behandlung, geriatrische Aspekte, OTT-Sprechstunde und Förderung der eigenen Resilienz – diese Themen gehören zum Take Care-Fortbildungsprogramm für MFA, das AstraZeneca in einer zweitägigen Veranstaltung anbietet.

Mit der Vermittlung von wichtigem Grundlagenwissen und der Möglichkeit zum Austausch untereinander werden die teilnehmenden MFA in ihrer zentralen Rolle bei der Betreuung von PatientInnen in der onkologischen Praxis unterstützt.

Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Die Veranstaltung richtet sich ausschließlich an Medizinische Fachangestellte aus den Bereichen Hämatologie und Onkologie. Weitere Informationen erhalten Sie bei der Agentur SÜDWEST PRESSE + Hapag-Lloyd Reisebüro GmbH & Co. KG, Ines Neubronner, Tel.: 0731/1445-92, Fax: 0731/1445-11, anmeldung@swphl.de


Referenzen

  1. Fachinformation Calquence®, Stand: November 2020
  2. Wendtner CM et al. Onkopedia-Leitlinie Chronische Lymphatische Leukämie (CLL). Stand: September 2020. Online verfügbar unter https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/chronische-lymphatische-leukaemie-cll/@@guideline/html/index.html (Zugriff: 06.10.2021)
  3. Fachinformation Tagrisso®; Stand Mai 2021
  4. Griesinger F et al. Onkopedia Leitlinien. Lungenkarzinom, nicht-kleinzellig (NSCLC). Stand: Juli 2021
  5. ESMO. eUpdate – Early and Locally Advanced Non-Small-Cell Lung Cancer (NSCLC) Treatment Recommendations. Stand: 01 September 2021
  6. National Comprehensive Cancer Network (NCCN). Non-Small Cell Lung Cancer. Version 5.2021 — June 15, 2021. NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology (NCCN Guidelines®)
  7. Riese C et al. Patientenkompetenz in der oralen Krebstherapie – PACOCT. Onkologische Pflege 2015;2:24-8
  8. Welslau M et al. Patients´ competence in oral cancer therapies. J Clin Oncol 2016;34(15_suppl):6517
  9. Riese C et al. Patientenkompetenz in der oralen Krebstherapie - Projekt im Nationalen Krebsplan. Dialog Versorgungsforschung NRW; 22. Februar 2017
  10. Riese C et al. Effectiveness of a standardized patient education program on therapy-related side effects and unplanned therapy interruptions in oral cancer therapy: a cluster-randomized controlled trial. Support Care Cancer 2017;25(11):3475-83
  11. Lenzen-Schulte M. Ambulante Onkologische Therapie: Fachkräfte als Coach für Patienten – ein Erfolgsmodell. Dtsch Arztebl 2017;114(24):[30]
  12. Cummings GG et al. The evolution of oncology nursing: Leading the path to change. Can Oncol Nurs J 2018;28(4):314-7
  13. Hermes-Moll K et al. Zukunft der Onkologie – Patientenorientierung bei zunehmender Komplexität. InFo Hämatologie + Onkologie 2020;23(1-2):12-5
  14. https://www.krebsgesellschaft.de/arbeitsgemeinschaften/kok.html (Zugriff am 16.09.2021)
  15. Kaiser F et al. Feasibility of Nurse Consultation in Oral Tumor Therapy: A Web-Based Survey among Physicians and Nonmedical Specialists. Oncol Res Treat 2019;42(9):448-57
  16. Sivanathan M, Kaufmann-Molnár I. Leitfaden für die Entwicklung und Implementierung einer onkologischen Pflegesprechstunde. Onkologiepflege Schweiz, 2021. https://www.onkologiepflege.ch/fachwissen/leitlinien-fuer-die-praxis/leitfaden-fuer-die-entwicklung-und-implementierung-einer-onkologischen-pflegesprechstunde/ (Zugriff am 16.09.2021)
  17. Tolotti A et al. Patients' and Nurses' Perceptions of the Effectiveness of an Oral Cancer Agent Education Process: A Mixed-Methods Study. Cancer Nurs 2021;44(3):E151-62

Abkürzungen

BNHO = Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen

EGFR = epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor (Epidermal Growth Factor Receptor; Rezeptor-Tyrosinkinase) bzw. dessen Gen

MASCC = Multinational Association for Supportive Care in Cancer

MOATT = MASCC Oral Agent Teaching Tool

WINHO = Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen

DE-39806/21