Ärzt:in – Patient:in – MFA: ein gutes Beziehungsdreieck sichert die Therapietreue
Der Erfolg einer oralen Krebstherapie hängt maßgeblich von der Therapieadhärenz ab und diese wiederum vom erfolgreichen Nebenwirkungsmanagement. Die Fähigkeiten des Praxisteams sind hier ebenso gefragt wie ein genaues Augenmerk auf das Verträglichkeitsprofil des verwendeten Wirkstoffs.
Kernpunkte:
- Für die leitliniengerechte Behandlung von Patient:innen mit CLL steht mit Acalabrutinib (BTKi der 2. Generation) eine fortschrittliche Option als Mono- oder Kombinationstherapie zur Verfügung.
- Acalabrutinib ist einfach anzuwenden, setzt als orale Therapie aber auch eine entsprechende Eigenverantwortung der Patient:innen voraus.
- Mögliche Nebenwirkungen unter Acalabrutinib treten meist eher zu Therapiebeginn auf und nehmen in der Regel nach 3–9 Monaten wieder ab. Kardiale Nebenwirkungen wirken sich unter Ibrutinib häufig in relevantem Umfang therapielimitierend aus und werden unter Acalabrutinib weniger beobachtet.
- Bei adäquater Aufklärung, vertrauensvollem Ärzt:innen-Patient:innen-Verhältnis und enger Einbeziehung der MFAs sind die Therapieadhärenz und das Nebenwirkungsmanagement unter Acalabrutinib gut handhabbar.
Im Vergleich zur parenteralen Medikation bieten orale Krebsmedikamente sowohl für die Erkrankten als auch ihre Behandler:innen einige Vorteile, deren Relevanz gerade in der Pandemie-Situation noch zugenommen hat. Sie sind in der Regel einfacher anzuwenden und können bequem zuhause eingenommen werden, weshalb sie von vielen Patient:innen bei vergleichbarer Wirksamkeit gegenüber den parenteral zu applizierenden Therapieoptionen bevorzugt werden.1
Eine Option der ersten Wahl: orales Therapieregime mit BTKi
Umso begrüßenswerter ist es, dass heute anstelle der früher dominierenden Chemoimmuntherapie zunehmend orale Medikamente mit zielgerichtetem Ansatz und häufig überlegener Wirksamkeit einen zentralen Stellenwert im Behandlungsspektrum der CLL einnehmen. Die Monotherapie mit einem BTKi stellt sowohl in der Erstlinie als auch im Rezidiv einen leitliniengerechten Standard dar.2 In der Erstlinie können die aktuell verfügbaren BTKi (Acalabrutinib bzw. Ibrutinib) wahlweise mit einem Anti-CD20-Antikörper kombiniert werden.2
Der orale BCL-2-Inhibitor Venetoclax ist dagegen in der Erstlinie vorwiegend in Kombination mit einem CD20-Antikörper zugelassen, was insbesondere im Rahmen der aktuellen Covid-19-Pandemie nachteilig sein kann.2-4 Zudem muss bei der Anwendung von Venetoclax ein 5-wöchiges Aufdosierungsschema berücksichtigt werden, um die Tumorlast schrittweise zu verringern und die Gefahr eines Tumorlysesyndroms zu reduzieren.2-5 Für Ärzt:in und Patient:in bedeutet das einen erhöhten logistischen Aufwand durch multiple Terminabsprachen und Praxisbesuche.
Um die volle Wirksamkeit der oralen Krebstherapien ausschöpfen und die gewünschten Behandlungsergebnisse tatsächlich erzielen zu können, bedarf es einer hohen Adhärenz. Gerade bei älteren Patient:innen besteht die Gefahr einer mangelhaften Therapietreue, die dann aufgrund des beeinträchtigten Behandlungserfolgs mit einem erhöhten Rezidivrisiko, einer verringerten Lebensqualität und vermehrten Arztbesuchen sowie Krankenhauseinweisungen verbunden sein kann. Dabei sind nicht lebensbedrohliche, aber die Lebensqualität beeinflussende, andauernde Nebenwirkungen ein häufiger Grund für Therapieabbrüche.
Adhärenz erfordert besonderes Augenmerk des Praxisteams
Das behandelnde Praxisteam sollte deshalb der Therapietreue seiner Patient:innen besondere Aufmerksamkeit widmen, wobei deren Erfassung und Beurteilung durchaus herausfordernd sein können. Entsprechend steigen bei oralen Tumortherapien die Anforderungen an die Ärzt:innen und die qualifizierten MFAs, die Patienten:innen in ihrem Selbstmanagement und dem Erkennen, Einordnen und Mitteilen von Nebenwirkungen bestmöglich zu unterstützen – und sich durch geeignete Fortbildungsmaßnahmen auf dem aktuellen Stand zu halten (siehe Infobox).
Den erfolgsrelevanten Unterschied bei der längerfristigen Unterstützung der Adhärenz macht ein gut funktionierendes, auf Vertrauen und Verständnis basierendes Beziehungsdreieck, in dem Patient:innen von den Interaktionen mit Ärzt:innen und MFAs und deren optimal abgestimmter Zusammenarbeit profitieren.
Die Ärzt:in
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Kommunikation:
- Schlechte ärztliche Kommunikationsfähigkeiten erhöhen das Risiko für Nicht-Adhärenz der Patienten:innen um 19 %.6
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Therapiewahl:
- Unter dem Erstgenerations-BTKi Ibrutinib machten sich mit längerer Nachbeobachtungszeit vermehrt klinisch relevante Toxizitäten wie Vorhofflimmern (11–16 %) und Bluthochdruck (20–26 %) bemerkbar.7,8 Im Behandlungsalltag bricht fast jeder vierte Patient (23 %) eine Ibrutinib-Therapie aufgrund von unerwünschten Ereignissen vorzeitig ab.9
- Unter Acalabrutinib waren aufgrund eines anderen Nebenwirkungsprofils die meisten Nebenwirkungen – außer Kopfschmerzen und Husten (meist temporär, vor allem zu Behandlungsbeginn) in einer Vergleichsstudie seltener zu beobachten als unter Ibrutinib.
- Im direkten Vergleich (ELEVATE RR-Studie) trat Vorhofflimmern/-flattern aller Grade bei bereits vorbehandelten Patienten:innen mit CLL unter Acalabrutinib signifikant seltener auf als unter Ibrutinib (9 % vs. 16 %, p = 0,02).10 Therapieabbrüche aufgrund von unerwünschten Ereignissen waren im Acalabrutinib-Arm seltener zu beobachten als im Ibrutinib-Arm (14,7 % vs. 21,3 %).10
- Die umfassende Betreuung und Aufklärung der Patienten:innen ist für die Therapietreue entscheidend. Das gilt insbesondere zu Beginn der Behandlung, da Nebenwirkungen, die zu Therapieabbrüchen führen, in der Regel in den ersten 6–9 Monaten auftreten (Ausnahme: kardiovaskuläre Ereignisse).
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Nebenwirkungsmanagement:
- Die Aufklärung muss u. a. den Sinn der Dauertherapie (Krankheitskontrolle) und das Wahrnehmen und Einordnen von Nebenwirkunken thematisieren. Aus Patientensicht haben klinisch relevante Nebenwirkungen häufig einen niedrigeren Stellenwert als Nebenwirkungen, die die Lebensqualität betreffen und in der Folge zu einer niedrigen Adhärenz führen können.
- Eine frühzeitige Intervention kann, je nach Art der Nebenwirkung, einerseits eine schwerwiegende Ausprägung verhindern und andererseits zur Aufrechterhaltung der Therapietreue bzw. Vermeidung eines Therapieabbruchs beitragen.
- Die Einbindung von Angehörigen kann sinnvoll sein, um die Alltagssituation der Patient:innen realistischer einschätzen zu können und ihr Selbstmanagement zu unterstützen.
- Eine sorgfältige Prüfung und Beachtung der Komorbiditäten und der Komedikation (Polypharmazie) ist mit Blick auf mögliche Wechselwirkungen einerseits und die Compliance andererseits von essenzieller Bedeutung.
Die MFAs:
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Schnittstellenfunktion:
- Die MFAs können den Arzt /die Ärzt:in in den o. g. Punkten unterstützen.
- Ihnen kommt in der Schnittstellenfunktion zwischen Ärzt:in und Patient:in eine wichtige Rolle im Kontext der oralen Tumortherapie zu, etwa bei der Einschätzung des Performance-Status, und insbesondere beim Nebenwirkungsmanagement.
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Kommunikation und Nebenwirkungsmanagement:
- Oft haben die Patient:innen auch nach einem sehr ausführlichen Arztgespräch noch sehr viele Fragen. Die MFAs sind für sie auch dafür wichtige Ansprechpartner:innen. Vor allem das wiederholte Durchsprechen der korrekten Einnahme kann essenziell für den Therapieerfolg sein.
- Die MFAs haben zu den Patient:innen in der Regel einen häufigeren und engeren Kontakt als der Arzt oder die Ärzt:in (z. B. bei Blutabnahmen). Für etliche Patient:innen ist die Kommunikationshemmschwelle (für Fragen, Beschwerden, Rückmeldungen etc.) gegenüber den MFAs niedriger als gegenüber dem Arzt/der Ärzt:in.
- Die MFAs können die Patient:innen ergänzend (und ggf. wiederholend) aufklären, bei nachlassender Motivation entgegenwirken und bei Anzeichen einer Therapiemüdigkeit den Arzt/die Ärztin vorwarnen.
- Die MFAs können Fragen, Auffälligkeiten oder Nebenwirkungen aufnehmen und an den Arzt oder die Ärzt:in weiterleiten. Sie sollten systematisch in das Nebenwirkungsmanagement einbezogen werden.
Die Patient:innen:
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Präferenzen:
- Häufig werden Nebenwirkungen durch die Patient:innen anders eingeordnet als durch ihre Ärzt:innen – insbesondere, wenn sie die Lebensqualität stark beeinflussen.
- In einer Studie wurde gezeigt, dass Patient:innen mit CLL einen signifikanten Verlust an Wirksamkeit (hier PFS) in Kauf nehmen würden, wenn es dafür seltener zu schweren unerwünschten Ereignissen kommt.13
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Adhärenz und Selbstmanagement:
- Wichtige Gründe für eine abnehmende Therapietreue sind ein mangelndes Therapieverständnis und das Auftreten von Nebenwirkungen.
- Weitere Herausforderungen bestehen in der Abnahme der für die Motivation der Patient:innen nutzbaren Kontrolltermine im Behandlungsverlauf und in einer möglichen Therapiemüdigkeit, die sich häufig nach 1–2 Jahren einstellt. Diese resultiert nicht selten aus dem fehlenden Bewusstsein, dass es sich bei dem BTKi-Regime um eine Dauertherapie handelt.14,15
- Patient:innen, die von Ärzt:innen und MFA ausführlich, verständlich und empathisch über mögliche Nebenwirkungen und deren Umgang aufgeklärt wurden, können unerwünschte Ereignisse aufmerksamer wahrnehmen und einordnen sowie angstfreier damit umgehen, ohne stillschweigend die Therapie auszusetzen. Im Rahmen einer individuellen Betreuung sollten Patienten regelmäßig die Möglichkeit haben, gemeinsam mit dem Arzt/der Ärztin und/oder dem/der MFA auftretende Beschwerden zu bewerten und das Nebenwirkungsmanagement zu besprechen.
Fazit: Die initial hohe Therapiemotivation sollte nachhaltig gefördert werden!
- Die orale Therapie mit BTKi erfolgt bei ausbleibendem Progress und akzeptabler Verträglichkeit dauerhaft.
- Die meisten CLL-Patient:innen haben grundsätzlich kein Problem mit der Adhärenz unter einer solchen Dauertherapie, da sie sich der Ernsthaftigkeit ihrer Erkrankungen bewusst sind und die einfache Tabletteneinnahme beim BTKi-Regime schätzen.
- Die initial hohe Therapiemotivation der Patient:innen und ihre Kompetenz für das Selbstmanagement sollten durch das Praxisteam nachhaltig gefördert werden.
- Für das therapielimitierende Nebenwirkungsprofil von Ibrutinib sind vermutlich Off-Target-Effekte mitverantwortlich. Daher hat sich der Zweitgenerations-BTKi Acalabrutinib mit seiner höheren Selektivität bei vergleichbarer Wirksamkeit in kurzer Zeit als eine bevorzugte Therapieoption bei CLL etabliert.
- Das Einnahmeschema der Therapie mit Acalabrutinib (zweimal täglich) ist dabei kein Hindernis: Ob ein orales Medikament einmal täglich oder zweimal täglich eingenommen werden muss, scheint für die Therapietreue im Alltag keine Rolle zu spielen.12
„Take care“ und „Care Compact“ 2022
Im Jahr 2022 bietet AstraZeneca weitere Fortbildungen der Reihe „Take Care“ zur Rolle der MFAs in der oralen Krebstherapie in folgenden Gebieten an:
- 16.–17. September: Nord (Bremen, Hannover, Hamburg)
- 02.–03. Dezember: Ost (Dresden, Magdeburg, Leipzig)
Außerdem besteht die Möglichkeit, regionale Veranstaltungen der Reihe „Care Compact“ wahrzunehmen, um sich nach individuellen Bedürfnissen des Praxisteams schulen zu lassen.
Sie wünschen weitere Informationen? Dann nehmen Sie bitte Kontakt zu Ihrem/Ihrer AstraZeneca-Außendienstmitarbeiter:in oder unserer Service-Zentrale auf.
Weitere Publikationen zum Thema finden Sie auch hier im Infocenter in der Rubrik Servicematerial.
- Mislang AR et al. Adherence to oral cancer therapy in older adults: The International Society of Geriatric Oncology (SIOG) taskforce recommendations. Cancer Treat Rev 2017;57:58-66
- Wendtner CM et al. Onkopedia-Leitlinie Chronische Lymphatische Leukämie (CLL). Stand: September 2020
- Fachinformation Venclyxto®, aktueller Stand
- Rossi D et al. How we manage patients with chronic lymphocytic leukemia during the SARS-Cov-2 pandemic. Hemasphere 2020;4:e432
- Rote-Hand-Brief zu Venclyxto® (Venetoclax) Filmtabletten: Aktualisierte Empfehlungen zum Tumorlysesyndrom (TLS) bei Patienten mit chronisch lymphatischer Leukämie (CLL). https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2021/rhb-venclyxto.html
-
Fachinformation Calquence®, Stand: November 2021
- Haskard Zolnierek KB, DiMatteo MR. Physician Communication and Patient Adherence to Treatment: A Meta-analysis. Med Care 2009;47(8):826-34
- Byrd JC et al. Long-term follow-up of the RESONATE phase 3 trial of ibrutinib vs ofatumumab. Blood 2019;133:2031-42
- Burger JA et al. Long-term efficacy and safety of first-line ibrutinib treatment for patients with CLL/SLL: 5 years of follow-up from the phase 3 RESONATE-2 study. Leukemia 2020;34:787-98
- Sharman JP et al. Understanding Ibrutinib Treatment Discontinuation Patterns for Chronic Lymphocytic Leukemia. Blood 2017;130:4060
- Byrd JC et al. Acalabrutinib Versus Ibrutinib in Previously Treated Chronic Lymphocytic Leukemia: Results of the First Randomized Phase III Trial. J Clin Oncol 2021;JCO2101210
- Brown JR et al. Cardiovascular adverse events in patients with chronic lymphocytic leukemia receiving acalabrutinib monotherapy: pooled analysis of 762 patients. Haematologica 2021. doi:10.3324/haematol.2021.278901
- Furman RR et al. Pooled analysis of safety data from clinical trials evaluating acalabrutinib monotherapy in mature B-cell malignancies. Leukemia 2021;35(11):3201-11
- Mansfield C et al. Patients‘ priorities in selecting chronic lymphocytic leukemia treatments. Blood Adv 2017;1(24):2176-85
- Bender CM et al. Influence of patient and treatment factors on adherence to adjuvant endocrine therapy in breast cancer. Oncol Nurs Forum 2014;41(3):274-85
- Partridge AH et al. Nonadherence to Adjuvant Tamoxifen Therapy in Women with Primary Breast Cancer. J Clin Oncol 2003;21(4):602-6
Abkürzungen:
BCL-2 = B-Zell-Lymphom-2 (Protein)
BTKi = Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor
CLL = chronische lymphatische Leukämie
MFA = medizinische Fachangestellte