Warken zur Gesundheit: GKV-Notlage & Ärzte-Erwartungen Logo of esanum https://www.esanum.de

Wochenrückblick: Warken zur Gesundheit: Vage Worte, leere Kassen

Neue Ministerin ohne Sofortplan für GKV-Finanznot. Opposition kritisiert Mängel. Kassen erhalten Notzuschuss. Ärztetag erwartet Auftritt Warkens.

Regierungserklärung: Warken bleibt im Vagen

Auch der erste Auftritt der neuen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) im Rahmen der Debatte zur Regierungserklärung – nach Bundeskanzler Friedrich Merz trugen dazu alle Ressortchefs ihre Vorstellungen vor – haben keine über den Koalitionsvertrag hinausgehende Klärungen gebracht – insbesondere auch nicht darüber, wie die Koalition auf die akute Finanznot der gesetzlichen Krankenversicherung kurzfristig reagieren will. Ins Zentrum ihrer Erklärung stellte Warken die bleibende Aufgabe, das Vertrauen in die Stabilität der medizinischen und pflegerischen Versorgung und ihrer Finanzierung wieder herzustellen. Die Herausforderungen im Gesundheitswesen seien symptomatisch für weite Teile der Gesellschaft und der Wirtschaft: Fachkräftemangel, ein Übermaß an Bürokratie und Ineffizienz. In Medizin und Pflege habe dies jedoch eine besondere Tragweite für Gesundheit und Lebensqualität. Bei der Suche nach Lösungen kündigte Warken einen neuen Arbeitsstil an: Die Schaffung einer Vertrauenskultur, Abbau bürokratischer Kontrollen, Dialog mit Praktikern, Betroffenen und der Selbstverwaltung. Dazu gehören auch ein Neustart des Pharmadialogs, bei dem pharmazeutische Industrie und Medizintechnik als Leitökonomien verstanden werden, sowie die Stärkung der Apotheken vor Ort und deren Ausbau.

Die Umsetzung der bereits verabschiedeten Krankenhausreform werde im Dialog mit den Ländern und Vertretern der Praxis fortgesetzt. Entsprechend dem Koalitionsvertrag soll der Transformationsfonds aus dem beschlossenen Infrastruktur-Sondervermögen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe finanziert werden. Auf Basis der Vorarbeiten aus vorangegangenen Legislaturperioden soll die Reform der Notfallversorgung realisiert werden. Bei der Digitalisierung werde man ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheit haben. Neben einer langfristigen Stabilisierung der Versorgung und ihrer Finanzierung auf Grundlage der Arbeiten von kurzfristig einzusetzenden Kommissionen würden aber auch kurzfristige Maßnahmen zur Absicherung von Kranken- und Pflegeversicherung notwendig sein. 

Abgeordnete der Opposition, insbesondere der Linken und der AfD, kritisierten scharf die aus ihrer Sicht fundamentalen Mängel in der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Der AfD-Abgeordnete Martin Sichert warf Bundeskanzler Friedrich Merz vor, gerade einmal 20 Sekunden seiner Regierungserklärung der Gesundheitspolitik gewidmet zu haben. Tatsächlich hatte Merz relativ ausführlich zur Europa-, Außen- und Verteidigungspolitik Stellung genommen. Sichert: „Dem Kanzler ist das Wohlergehen anderer Völker wichtiger als die Gesundheit der eigenen Bürger.“ Dies stehe aber in der Tradition der seit zwölf Jahren amtierenden Gesundheitsminister von CDU und SPD mit der Folge, dass „Facharzttermine in Deutschland jetzt das sind, was früher Bananen in der DDR waren“.

Der Abgeordnete Dr. Janosch Dahmen von Bündnis 90/Die Grünen mahnte angesichts der akuten Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung zeitnah umfassende Strukturreformen an. Die GKV sei zum „Notfallpatienten geworden, bei dem kurzfristige Finanzspritzen allein nicht mehr helfen“ würden. Dringend notwendig seien die konsequente Umsetzung der Krankenhausreform mit dem Ziel, mehr Wirtschaftlichkeit und Qualität ohne Abstriche zu erreichen, eine rasche Reform der Notfallversorgung, auch mit dem Ziel, dabei drei Milliarden Euro Einsparungen zu realisieren, und eine Patientensteuerung zu installieren. Bei diesen Projekten werde seine Fraktion die Arbeit der Koalition kritisch und konstruktiv begleiten.       

Kassen fehlt Liquidität – Bund gewährt Extrazuschuss

Gut vier Monate nach historisch einmalig starken Beitragssatzerhöhungen zum Jahreswechsel sind die Liquiditätsreserven der Krankenkassen derart geschrumpft, dass zu befürchten war, dass sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Daher haben Bundesgesundheitsministerin Nina Warken und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil beschlossen, an den Gesundheitsfonds einen Zuschuss von 800 Millionen Euro zu zahlen, um dessen Liquiditätsreserve aufzufüllen und das Geld an die Krankenkassen weiterzuleiten. Grund ist, dass die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve der Kassen von 20 Prozent einer Monatsausgabe vor kurzem unterschritten wurde. Insgesamt soll es aber beim Jahreszuschuss des Bundes an den Gesundheitsfonds in Höhe von 14,5 Milliarden Euro bleiben – die jetzt erfolgten Zahlungen sind also nur vorgezogen. 

Völlig ungewiss ist, ob diese Kalkulation aufgeht. Die Ausgabendynamik ist weiterhin ungebrochen, insbesondere auch beim größten Kostenblock, den Krankenhäusern. Wird nicht zügig politisch über ein Kostendämpfungspaket entschieden, bleibt den Kassen nur die Möglichkeit, die Beitragssätze weiter zu erhöhen. Sie liegen derzeit zwischen 16,8 und 19 Prozent, in der Spitze sind dies für den Beitragszahler über 1000 Euro monatlich. 

Ärztetag erwartet Nina Warken, KI und GOÄ sowie weitere Themen

Mit Spannung erwartet der 129. Deutsche Ärztetag, der dieses Jahr vom 27. bis 30. Mai in Leipzig stattfindet, den ersten großen Auftritt von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken vor der Ärzteschaft. Sie habe ihre Teilnahme an der Eröffnungsveranstaltung zugesagt, so der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, bei der Vor-Pressekonferenz zum Ärztetag. Reinhardt sieht im Koalitionsvertrag viele positive Ansätze, die auch Vorschläge aus der Ärzteschaft aufgreifen. Das gelte insbesondere für die Patientensteuerung durch ein Primärarztsystem. Wichtig sei, dass es so ausgestaltet werde, dass es von Versicherten gut akzeptiert werde, indem Vorteile wie geringere Wartezeiten und besserer Zugang zur Versorgung möglich werden. Ein weiteres Ziel müsse die Effizienzsteigerung in der Versorgung sein – Alternativen, die steigenden Kosten zu kompensieren, seien Zuzahlungen oder Leistungskürzungen als höchst unattraktive Handlungsoptionen. Dass mehr Effizienz möglich sei, zeigten Auswertungen von Abrechnungsdaten der KV Westfalen-Lippe aus dem 4. Quartal 2024: Danach nimmt jeder zweite Patient im gleichen Quartal noch einen weiteren Hausarzt in Anspruch. Eine gesetzliche Pflicht zur Bindung an einen bestimmten Hausarzt lasse erwarten, dass die Inanspruchnahmefrequenzen signifikant gesenkt werden können.

Ein weiteres großes Thema werde auch die Entbürokratisierung sein; ein eigenes Gesetz dazu für das Gesundheitswesen, wie von Lauterbach immer wieder angekündigt, stehe noch aus. Dass die Bundesregierung den Stellenwert erkannt habe, zeige sie mit der Schaffung eines eigenen Digitalministeriums. Präzisere Aussagen von Warken erhofft sich Reinhardt zur Fortführung des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst, zum Thema Klimawandel und Gesundheit im Rahmen eines One Health-Ansatzes, zur Schaffung von mehr Resilienz des Gesundheitswesens bei Krisen und Kriegen und schließlich auch zur Novellierung der GOÄ.

Hierzu soll der Ärztetag einen Grundsatzbeschluss über ein vorliegendes zwischen der Bundesärztekammer und der PKV konsentiertes Konzept einschließlich der dazu gehörenden Leistungsbewertungen fassen. Im Vorfeld des Ärztetages hatten sich dazu etliche, insbesondere technisch orientierte Fachgesellschaften und Berufsverbände kritisch zu Wort gemeldet und teils massive Bedenken gegen Bewertungsabsenkungen bei technischen Leistungen geltend gemacht. Dagegen führt BÄK-Präsident Reinhardt ins Feld, dass derzeit bei der PKV keine weitere Bereitschaft zu Verhandlungen bestehe, in denen die Bedenken dieser Disziplinen aufgegriffen werden. Wenn der Ärztetag dem nun vorliegenden Konzept nicht zustimme, werde die Reform scheitern. Bei einem positiven Votum seien allerdings Korrekturen im Detail möglich. Noch in den letzten Verhandlungsrunden habe es rund 300 Veränderungen gegeben.

AOK Baden-Württemberg: Starkes Plus für HZV

Die Zahl der an der hausarztzentrierten Versorgung (HZV) in der AOK-Baden-Württemberg sind im Lauf des Jahres 2024 um 7,3 Prozent auf 1,96 Millionen gestiegen, die Zahl der Teilnehmer am gemeinsam mit der Bosch BKK organisierten Facharztverträge um 8,6 Prozent auf 947.000. Das Gesamt-Honorar liegt mit 838 Millionen Euro um 1,5 Prozent über dem des Vorjahres; davon entfallen 623 Millionen Euro auf die HZV, 215 Millionen Euro auf die Facharztverträge. Insgesamt nehmen fast 9000 Ärzte und Psychotherapeuten teil, ein Zuwachs von zwei Prozent. Die beiden gemeinsam mit dem Hausärzteverband und MEDI organisierten Versorgungssysteme sind seit 17 Jahren etabliert. Mit Spannung erwarten die Organisationen, wie der Gesetzgeber die geplante Primärarztversorgung im Kollektivvertragssystem ausgestalten will und welche Spielräume für alternative regionale Vertragskonzepte verbleiben werden.    

ME/CFS: 600.000 Betroffene, Jahreskosten bei 60 Milliarden Euro

Nach Daten von Krankenkassen und Medizinischen Fachgesellschaften sind etwa 600.000 Menschen in Deutschland von ME/CFS, der schwersten Form von Long-COVID, betroffen. Die Zahl habe sich als Folge der Pandemie in etwa verdoppelt, so Professor Carmen Scheibenbogen, Direktorin des Charité Fatigue Centrums in Berlin. Betroffen sind überwiegend junge Menschen. Erstmals hat eine Wissenschaftler-Gruppe auch die Gesamtkosten für diese Krankheit abgeschätzt: Danach wird die Gesellschaft durch medizinische Behandlung, insbesondere aber auch aufgrund hohem Pflege- und Betreuungsaufwand, Arbeitsausfälle und die Folgen unterbrochener oder abgebrochener Ausbildungen jährlich mit 60 Milliarden Euro belastet. Die Entwicklung therapeutischer Konzepte ist derzeit Gegenstand der Forschung, die auch vom Bundesgesundheitsministerium unterstützt wird.