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Wochenrückblick: GKV-Finanzen - Defizit im Gesamtsystem 2024 bei 9,9 Milliarden Euro

Gesetzliche Krankenkassen stehen 2024 vor einem Defizit von 9,9 Milliarden Euro, bedingt durch strukturelle Probleme und hohe Ausgaben.

GKV-Finanzen 2024: Defizit, Reformen und Herausforderungen

Gesetzliche Krankenkassen und der Gesundheitsfonds haben im vergangenen Jahr ein Defizit von insgesamt 9,9 Milliarden Euro realisiert. Bei den Kassen fehlten 6,2 Milliarden Euro, beim Gesundheitsfonds 3,7 Milliarden Euro. Die Finanzreserven der Kassen schrumpften auf 0,08 Monatsausgaben (2,1 Milliarden Euro, weniger als die Hälfte der gesetzlichen Mindestreserve. Der Fonds verfügt noch über 5,7 Milliarden Euro.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht die dramatische Finanzlage nicht nur als Folge inflationsbedingter Kostensteigerungen, insbesondere im Personalbereich, sondern auch als Ergebnis versäumter Reformen früherer Legislaturperioden, die strukturelle Probleme und Ineffizienzen verursacht haben.  Mit dem Digitalgesetz und der Krankenhausreform seien im vergangenen Jahr wichtige Initiativen eingeleitet worden. Wie auch die Kassen plädiert Lauterbach dafür, die medizinischen Leistungen für Bürgergeldempfänger vollständig aus Steuermitteln zu finanzieren und deren Finanzierung regelmäßig anzupassen.

Ausgabenentwicklung in der GKV

Die Gesamtausgaben der Kassen stiegen um 7,7 Prozent auf 326,9 Milliarden Euro; die Zahl der Versicherten nahm geringfügig um 0,3 Prozent zu. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag belief sich im Gesamtjahr auf 1,82 Prozent und damit über dem im Herbst 2023 vorgegebenen erwarteten Zusatzbeitrag von 1,7 Prozent.

Die Leistungsausgaben der Kassen stiegen sogar um 8,1 Prozent, während die Verwaltungskosten um 0,6 Prozent vermindert werden konnten. Damit hat sich die Dynamik bei der Entwicklung der Leistungsausgaben bis zum vierten Quartal weiter beschleunigt. Insgesamt pumpte die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) letztes Jahr 23,3 Milliarden Euro zusätzlich in den Medizinbetrieb. 

Am stärksten wuchsen die Ausgaben in der Arzneiversorgung um 9,9 Prozent auf 55,25 Milliarden Euro. Rund 2,9 Prozentpunkte des Zuwachses erklären sich allerdings aus dem Auslaufen des erhöhten Herstellerrabatts zum Jahresbeginn. Eine weitere Ursache ist die dynamische Entwicklung der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV), durch die die Arzneiausgaben um 30 Prozent oder 723 Millionen Euro zunahmen. 

Steigende Ausgaben in spezialisierten Bereichen

Relativ moderat blieb dagegen der Ausgabenzuwachs für ärztliche Behandlung mit 6,3 Prozent oder drei Milliarden Euro. Überdurchschnittlich nahmen die Ausgaben für die ASV (plus 24,7 Prozent oder 119 Milliarden Euro), in der hausarztzentrierten Versorgung (plus 11,2 Prozent oder 214 Millionen Euro), Hochschulambulanzen (plus 10,7 Prozent oder 139 Millionen Euro), die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (plus 16,7 Prozent oder 127 Millionen Euro) zu. Ohne diese Bereiche, deren Dynamik politisch gewollt ist, entwickelte sich die ambulante ärztliche Versorgung mit einem Zuwachs von 5,4 Prozent als nahezu einziger Bereich moderat.

Als Fass ohne Boden erweist sich für die Krankenkassen die stationäre Versorgung mit einem Ausgabenanstieg von 8,7 Prozent oder 8,1 Milliarden Euro. Im vierten Quartal erhöhte sich der Zuwachs noch einmal deutlich auf 11,1 Prozent. Obwohl Krankenhäuser bei der GKV inzwischen ein Umsatzvolumen von 100 Milliarden Euro generieren, schreiben 70 Prozent der Häuser aktuell Verluste. Allein für das von den Kassen zu refinanzierende Pflegepersonal wurden 2,3 Milliarden Euro mehr ausgegeben – ein Anstieg von 13,1 Prozent. Gelöst wurde die Pflegeproblematik dadurch nicht. Ohne diesen Kostenblock sind die übrigen Krankenhausausgaben immer noch um 7,5 Prozent gewachsen.

Auch in den kleineren Leistungsbereichen ist das Ausgabenwachstum dynamisch: Heilmittel plus 10,4 Prozent, Vorsorge und Reha plus 10,7 Prozent, Schutzimpfungen plus 10,9 Prozent, häusliche Krankenpflege plus 12,7 Prozent.

Aussicht auf Sondervermögen weckt auch in der Gesundheitsbranche Begehrlichkeiten

Das am vergangenen Dienstag von Union und SPD beschlossene Infrastruktur-Sondervermögen umfasst ein Gesamtvolumen von 500 Milliarden Euro. Da der Bundestag noch in alter Besetzung abstimmen soll, wäre bei Zustimmung von Grünen und FDP eine Zwei-Drittel-Mehrheit möglich. Dies hat prompt Begehrlichkeiten auch im Gesundheitswesen geweckt. 

Dazu hat auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beigetragen, der bereits am Mittwochmorgen den Krankenkassen und den Krankenhäusern signalisierte, dass der geplante Transformationsfond für die Umstrukturierung der Kliniken entsprechend der Krankenhausreform auch aus dem Sondermögen mitfinanziert werden könne. Prompt meldete sich der GKV-Spitzenverband mit der Erwartung, dass die geplante „verfassungswidrige Finanzierung“ des Transformationsfonds in Höhe von 25 Milliarden Euro vollständig gestrichen werde. Dem schloss sich der Ersatzklassenverband an.

Ebenfalls am Mittwoch forderte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Mittel aus dem Sondervermögen für ein „Praxiszukunftsgesetz“. Auch die ambulante vertragsärztliche Versorgung zähle zu der unverzichtbaren Infrastruktur in Deutschland, so die KBV. 

Auch für die sichere Versorgung mit generischen Arzneimitteln müsse das Sondermögen eingesetzt werden, um Deutschland aus der Abhängigkeit von China zu befreien. Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika, sagte: “Wohin die Abhängigkeit von einem Unrechtsstaat führt, haben wir am Beispiel des russischen Gases gesehen. Das darf uns bei China nicht noch einmal passieren – zumal es hier um lebensrettende Medikamente geht.“ Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie.

Von den geplanten 500 Milliarden Euro sollen 100 Milliarden an die Länder fließen. Angesichts der aufgelaufenen Infrastrukturdefizite – insbesondere im Straßennetz, bei Brücken und bei der Bahn – zeichnet sich bereits ab, dass die Liste der Wünsche weitaus größer als das geplante Finanzvolumen ist. Überdies ist generell verfassungsrechtlich strittig, ob der Bundestag in der alten Besetzung in seinen letzten Tagen derart weitreichende und das Parlament auch in der neuen Legislaturperiode bindende Verpflichtungen auferlegen darf. Die AfD ist daher fest entschlossen, das Sondervermögen und einen Beschluss darüber beim Bundesverfassungsgericht zu beklagen. Überdies will die AfD versuchen, mit einem Eilantrag eine Sitzung des Bundestages zu verhindern. 

Hohe Haftstrafen wegen geplanter Lauterbach-Entführung

Im Strafprozess gegen vier Männer und eine Frau hat das Oberlandesgericht Koblenz am Donnerstag Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren plus zehn Monaten und acht Jahren verhängt. Die Männer im Alter zwischen 46 und 58 Jahren sowie die 77-jährige Frau, die als politische Vordenkerin der terroristischen Gruppe gilt, wurden schuldig gesprochen, Terroranschläge gegen die Stromversorgung geplant zu haben, um damit einen Umsturz herbeizuführen. Ferner hatten sie geplant, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach aus einer Fernseh-Talkshow zu entführen. Die Pläne gründeten auf ähnlichen Vorstellungen wie die der Reichsbürger, die die Existenz und Legitimität der Bundesrepublik und ihrer Verfassung leugnen. Das Ziel der Terrorgruppe war es, die Regierung abzusetzen und Deutschland in den Grenzen und politischen Bedingungen von 1871 wiederherzustellen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.