Die möglichen Koalitionspartner von Union und SPD haben sich offenbar darauf verständigt, welche Gesetzesvorhaben mit hoher Priorität in den ersten hundert Tagen der neuen Bundesregierung vom Bundestag verabschiedet werden sollen. Es handelt sich um Reformen, die bereits von der Ampel vorbereitet, vom Bundeskabinett beschlossen und als Regierungsentwurf in den Bundestag eingebracht worden sind. An erster Stelle steht die Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes als wichtiger Bestandteil der Krankenhausreform. Ferner steht das Pflegekompetenzgesetz mit der Aufwertung der Pflegeberufe und der Einführung einer Advance Practice Nurse sowie ein weiteres Gesetz, mit dem die Abgabe von Lachgas und K.o.-Tropfen verboten werden soll.
Mit dem Quartalsbeginn ist die nordrhein-westfälische Krankenhausreform in die Phase der Umsetzung gestartet. Die Kliniken haben inzwischen die Bescheide über ihre Anerkennung beantragter Leistungsgruppen erhalten, von denen es – genauso wie in der Krankenhausreform des Bundes – 64 gibt. In den insgesamt 6400 Bescheiden zu den Leistungsgruppen wurde darauf Wert gelegt, dass es in der allgemeinen internistischen und chirurgischen Grundversorgung einschließlich der Versorgung von Notfällen bei einem wohnortnahen Angebot bleibt. So sollen 98,6 Prozent der Einwohner im Rheinland und 93,1 Prozent in Westfalen-Lippe laut Landesgesundheitsminister Karl Josef Laumann eine entsprechende Klinik binnen 20 Minuten erreichen können. Ebenso unangetastet bleibt die Geburtshilfe.
Starke Einschnitte und damit eine ausgeprägte Konzentration gibt es dagegen in der Onkologie und in der elektiven Endoprothetik. Für die (operative) Behandlung von Leberkrebs hatten 119 Kliniken einen Antrag gestellt, nur 29 wurden positiv beschieden. Bei Speiseröhrenkrebs liegt die Ablehnungsquote bei 63 Prozent, nur 26 Krankenhäuser erhielten eine Genehmigung. Für endoprothetische Leistungen hatten 214 Kliniken Anträge gestellt, 136 erhielten den Zuschlag.
Für die besonders komplizierte Umstrukturierung in der Kardiologie und der Notfallversorgung erhalten die Krankenhäuser eine Übergangsfrist bis zum Jahresende. Für die interventionelle Kardiologie wurden die Anträge von 141 der insgesamt 165 Kliniken positiv beschieden. Nach Ablauf der Klagefrist gegen die Bescheide gab es insgesamt 93 Klagen und 44 Eilverfahren. In den Eilverfahren wurden 24 Anträge von Kliniken abgelehnt, in lediglich fünf Fällen musste das Land zurückrudern. Unter anderem darf das Uniklinikum Essen nach der Eilentscheidung weiterhin Herztransplantationen vornehmen. Eine Klinik in Gelsenkirchen und zwei im Kreis Recklinghausen dürfen weiterhin Eingriffe an der Bauchspeicheldrüse durchführen.
86 Prozent der Bundesbürger rechnen auch nach dem Beitragsschock zum Jahresbeginn mit weiter steigenden Beitragssätzen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Das geht aus einer Forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes hervor. Nahezu jeder zweite Befragte sieht sich aufgrund der Beitragsentwicklung sehr oder eher belastet. Neun von zehn Befragten sehen einen Reformstau im Gesundheitswesen und halten eine Stabilisierung der Kostenentwicklung für wesentlich. Acht von zehn Bürgern haben Zweifel daran, dass die vorhandenen Mittel wirtschaftlich eingesetzt werden. Die Schlussfolgerung der AOK-Vorstandsvorsitzenden Carola Reimann: tiefgreifende Strukturreformen, mehr Koordination und Effizienz.
Eine gemeinsame Initiative der Barmer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der KVWL und des Medizinischen Dienstes in Westfalen-Lippe hat konkrete Vorschläge unterbreitet, um die Anzahl der sogenannten formfreien Anfragen von Institutionen des Gesundheitswesens zu verringern. Zu diesen Institutionen zählen Krankenkassen, Medizinische Dienste, Versorgungsämter und Sozialgerichte. Durch die Verringerung soll der Arbeitsaufwand der Ärzte, insbesondere der Hausärzte, gemindert werden.
Laut einer gemeinsamen Arbeitsgruppe sollten die Anfragen vereinheitlicht und die PVS integriert werden. Viele Anfragen seien vermeidbar, wenn die Voraussetzungen für die Verordnungen transparenter wären. Oft werden Anfragen auch falsch adressiert. Für technische Fragen, etwa zu Hilfsmitteln wie Rollstühlen, seien Sanitätshäuser und nicht Ärzte die richtigen Ansprechpartner. Bei einer Umsetzung der Empfehlungen könnte im nächsten Schritt eine optimierte Informationsübermittlung digitalisiert werden.
Außerdem sollte den Krankenkassen die Nutzung von Informationen erlaubt werden, die ihnen bereits vorliegen, was derzeit nicht möglich ist. Insgesamt verursachen diese Anfragen in den Praxen einen Arbeitsaufwand von rund zwei Millionen Arbeitsstunden jährlich, so die KBV.
Deutschland unterstützt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit weiteren zwei Millionen Euro. Eine entsprechende Vereinbarung trafen WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in Berlin.
Deutschland reagiert damit auf den Austritt der USA aus der WHO. Dieser Schritt der Trump-Administration verkürzt das Zwei-Jahres-Budget der WHO von sechs auf vier Milliarden Euro. Der größte Teil der US-Zahlungen an die WHO waren freiwillig. Deutschland war bis dahin der zweitwichtigste Finanzier.
Als Folge des Austritts der USA wird die multilaterale Zusammenarbeit und die globale Gesundheitsarchitektur nach Einschätzung von Lauterbach massiv geschwächt. Als Folge muss sich die WHO auf Kernkompetenzen konzentrieren, aber auch auf eine Reihe von Gesundheitsprogrammen verzichten. Notwendig, so Lauterbach, sei ein verstärkter Support aus den Mitgliedsländern. Deutschland komme nun bei der Unterstützung der UN-Organisation eine Schlüsselrolle zu, so Ghebreyesus.
Wissenschaftler, wie Professor Beate Kampmann von der Charité, halten eine engere Zusammenarbeit nationaler Forschungsinstitutionen nun für besonders bedeutsam. Ein Beispiel dafür sei die Kooperation zwischen dem WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence in Berlin mit der Charité.
Die Ärzte an Gesundheitsämtern sehen erste Erfolge des während der Pandemie initiierten Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD). Dennoch besteht weiterhin ein hoher Bedarf an finanzieller Förderung zur Modernisierung und Stärkung dieser Public-Health-Institutionen. Insofern begrüßte der Bundesverband der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes auf seinem Jahreskongress in Erlangen den Plan der Arbeitsgruppe Gesundheit der Koalitionsunterhändler von Union und SPD, den Pakt mit 750 Millionen Euro jährlich fortzuführen.
Inzwischen seien erste Erfolge sichtbar: Die Personalstärke in den Gesundheitsämtern wurde zwar erhöht, ist jedoch aufgrund der angespannten Finanzlage vieler Kommunen akut gefährdet. Inzwischen habe in einigen Ämtern sogar bereits wieder ein Abbau von Stellen begonnen. Der Pakt habe bislang allenfalls in der Vergangenheit entstandene Lücken teilweise geschlossen, er sei aber nicht ausreichend dotiert, um neue Public-Health-Aufgaben zu finanzieren.
Fortschritte werden auch bei der Digitalisierung berichtet. Allerdings gebe es auch Schattenseiten: Da jedes Amt seine Hard- und Software selbst beschafft habe, sei eine heterogene digitale Infrastruktur entstanden mit entsprechenden Schnittstellenproblemen. Immer noch unzureichend sei die digitale Kommunikation mit der ambulanten Medizin, während die Kommunikation mit Krankenhäusern weitgehend digitalisiert sei.