Lauterbach plant den Booster für die Medizinforschung
Deutschland soll in der Forschung wieder die Nummer 1 werden. Das Medizinforschungsgesetz soll bürokratische Prozesse verschlanken und Genehmigungen beschleunigen.
BioNTech investiert in GB für klinische Forschung
Das soll sich nicht wiederholen: Erst in dieser Woche hat BioNTech angekündigt, für seine klinische Forschung in der Onkologie mir einem neuen Labor in Cambridge (GB) und seinem KI-Zentrum in London mehr als eine Milliarde Euro zu investieren. Das Ziel: Studien mit mehr als 10.000 Probanden. Grund dafür: Verfügbarkeit umfassender Gesundheitsdaten, kompetentes und schnelles Genehmigungs-Management der Briten. Die Folge: In Europa steht GB in der klinischen Forschung auf Platz 1, Deutschland ist auf Platz 4 in Europa, weltweit auf Platz 6 abgerutscht.
Regierung präsentiert Strategiepapier für Medizinforschungsgesetz
Am Freitag, einen Tag nach dem lange vorbereiteten Pharmagipfel mit Bundeskanzler Scholz und den MinisterInnen für Wirtschaft und Forschung, Habeck und Stark-Watzinger im Kanzleramt, präsentierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das Strategiepapier 7.0 für ein Medizinforschungsgesetz. Der Kern: die Bündelung aller bislang gesonderter und lang dauernder Genehmigungsprozesse durch Zulassungsbehörde, Ethikkommissionen und Strahlenschutz und verbindlich kurze Zeitvorgaben für die Genehmigung von Studien.
Auch forschende Ärzte sollen profitieren
Dies gilt sowohl für klinische Studien, die von der Industrie initiiert und finanziert werden, als auch für Studien, die von forschenden Ärzten auf den Weg gebracht werden, etwa um Therapien zu optimieren oder neue Erkenntnisse zum Off-Label-Use zu gewinnen. Auch aus den Universitäten und von dort in der Patientenversorgung tätigen Forschern war die Kritik an der Genehmigungsbürokratie zuletzt immer lauter geworden.
Die wichtigsten Maßnahmen:
- Es wird eine interdisziplinär zusammengesetzte Bundes-Ethik-Kommission mit einer Geschäftsstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) eingerichtet; geplant ist eine Bündelung der Fachkompetenzen für besondere Studientypen in einer spezialisierten Ethik-Kommission.
- Die Bearbeitungszeit für mangelfreie Anträge für klinische Studien wird auf 26 Tage verkürzt.
- Die strahlenschutzrechtliche Genehmigung – bislang ein gesondertes Verfahren mit sehr langer Dauer bei Studien mit Einsatz von CT oder MRT – wird in die Gesamtgenehmigung unter BfArM-Management integriert. Ergeht kein Bescheid, greift eine Genehmigungsfiktion.
- Das BMG veröffentlicht praxistaugliche Mustervertragsklauseln für Verträge zwischen Sponsoren und Prüfzentren; bislang übliche Individualverträge waren außerordentlich zeitraubend.
- Das BfArM wird künftig die Koordinierung und das Verfahrensmanagement für alle Zulassungsverfahren und Anträge auf klinische Prüfungen für alle Arzneimittel mit Ausnahme von Impfstoffen und Blutprodukten übernehmen. Es koordiniert verantwortlich alle Verfahren für Ethikvoten, Strahlenschutzprüfung und die Schnittstelle zum Forschungsdatenzentrum.
Zentrales Element: Datennutzung durch die Forschung
Zusammen mit dem kurz vor der Verabschiedung durch den Bundestag stehenden Digital- und Gesundheitsdatennutzungsgesetz bildet das Medizinforschungsgesetz einen Dreiklang für eine bessere und effizientere Versorgung und deren Verknüpfung mit der Forschung, betonte Lauterbach. Für bestimmte Indikationen – seltene Krankheiten, Onkologie – bedeute dies, dass Daten aus genom.de, Registern, der EPA und von Kassen aus der Versorgung zusammengeführt und damit binnen kurzer Zeit Probandenpotentiale im größten europäischen Gesundheitsmarkt identifiziert werden können. Das schaffe derzeit auch der britische NHS nicht, so Lauterbach. Die Nutzung der Daten soll künftig ausschließlich vom Forschungszweck abhängig sein, nicht von der Art der Forschungsinstitution.
Weitere geplante Elemente des Gesetzes:
- Generika: Aufbau neuer Produktionskapazitäten prioritär für Antibiotika und Onkologika an europäischen Standorten als Maßnahme gegen Klumpenrisiken bei der Abhängigkeit von China und Indien. Rabattverträge für Onkologika sollen zwingend europäische Anbieter berücksichtigen.
- Förderung von Innovationen: Beabsichtigt ist eine gezielte Unterstützung der Forschung und Entwicklung für Arzneimittel mit Marktversagen wie Antibiotika, Medikamente gegen seltene Krankheiten und Impfstoffe sowie Medikamente zur Pandemieprävention. Dabei sollen, wie jetzt auch von der EU-Kommission im Pharmapaket für Antibiotika vorgesehen, "Pull-Incentives" eingesetzt werden. Das sind beispielsweise Transferable Exclusivity Extensions (TEE), mit denen der Patentschutz etwa für ein Antibiotikum auf ein anderes umsatzstarkes Arzneimittelmit der Wirkung einer effektiven Patentverlängerung übertragen werden kann; dieses Recht soll zwischen Unternehmen handelbar sein.
Das geplante Gesetz soll bis Mitte 2024 verabschiedet sein.