AIDS: Der Status Quo in Deutschland Logo of esanum https://www.esanum.de

Der Kampf gegen AIDS: Wo stehen wir?

Menschen mit einer HIV-Infektion haben heute gute Chancen auf eine normale Lebenserwartung, Heilung ist allerdings bisher nicht möglich. In der Tagesspiegel-Expertenrunde wurde über den Status Quo in Wissenschaft, Versorgung und Politik diskutiert.

95-95-95 Ziel: Der Status Quo von HIV

Weltweit sind rund 39 Millionen Menschen mit HIV infiziert, eröffnet Prof. Hendrick Streeck, Universität Bonn, seine Keynote auf dem Tagesspiegel-Event. Die Basisreproduktionszahl von HIV liegt ca. bei 4, das heißt, eine infizierte Person steckt im Schnitt vier weitere an. Darauf basierend sind die 95-95-95 Ziele der Vereinten Nationen entstanden. Demnach sollen bis 2030 95% der Infizierten von ihrem HIV-Status wissen, 95% dieser sollen eine Therapie erhalten und bei wiederum 95% derjenigen, die eine Therapie erhalten, soll das Virus unter die Nachweisgrenze fallen. Denn so wären 95% der HIV-Infizierten nicht mehr ansteckend, wodurch die Möglichkeit gegeben wäre, die AIDS-Pandemie zu überwinden. 

Betrachtet man den Zwischenstand des 95-95-95 Ziels, liegen die Zahlen in Deutschland (2020) bei 90-96-96. Als primäres Ziel sieht er Streeck, "diejenigen zu finden, die eine HIV-Infektion haben". Denn sobald eine Therapie stattfindet, kann das Virus – sofern der Patient korrekt eingestellt ist – relativ gut unter die Nachweisgrenze kommen. Zwar sinkt die Zahl der Neuinfektionen seit 2000 kontinuierlich, jedoch infizierten sich immer noch über 1,5 Mio. Menschen jährlich mit HIV (2021: 1,5 Mio.). Die Therapiekosten sind jedoch hoch, weswegen die Prävention im Fokus stehen sollte. 

AIDS-Prävention im Fokus

Die PrEP (Präexpositionsprophylaxe) mittels ART (antiretroviraler Therapie) wird seit 2019 deutschlandweit von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Sie ist zu 95% wirksam gegen eine Ansteckung mit HIV. Noch wirksamer ist die Long Acting CAB, sie bietet 97%-igen Schutz vor einer Infektion. Mit einem Impfstoff ist das bisher nicht möglich, hält Streeck fest. Hier betrug die höchste Infektionsschutzrate in klinischen Versuchen 31%. Aus diesem Grund ist es laut dem Mediziner unwahrscheinlich, dass noch ein HIV-Impfstoff auf den Markt kommen wird, die Behandlung und Möglichkeit der Prävention seien mittlerweile zu effizient geworden. Momentan befinden sich auch neue Arten der Prophylaxe in der Forschungspipeline, beispielsweise werden gerade Implantate getestet. 

Trotz des effizienten Infektionsschutzes der PrEP ist der Zugang zu ihnen sehr ungleich verteilt – sowohl global als auch in Deutschland. Menschen in ländlichen Regionen beispielsweise erhalten schwieriger PrEP, da diese zu 85% von HIV-Schwerpunktpraxen verschrieben werden, die zumeist in großen Städten verortet sind. Diese Ungleichheiten gilt es abzubauen. Ebenso muss ein sicheres Setting für trans Menschen und nicht-binäre Personen geschaffen werden, um ihnen auch eine problemlose Testung sicherstellen zu können. 

Politische Dimensionen der AIDS-Bekämpfung 

Christine Aschenberg-Dugnus, MdB. bestätigt, dass sich die deutsche Haushaltssperre 2024 nicht negativ auf die HIV-Versorgung auswirken wird. Im Gegenteil. Die AIDS-Hilfe wird auf 6,5 Mio. Euro erhöht, um die Prävention zu stärken. Außerdem gilt es, die Aufklärung voranzutreiben: Sei es in Schulen oder generell im öffentlichen Diskurs, merkt Inge Banczyk, Vorstandsmitglied der Berliner Aids-Hilfe e.V. an. 

Wie könnte man nun die AIDS-Prävention vorantreiben? Die Expertinnen und Experten nennen zahlreiche Vorschläge. So könnte im Rahmen des CheckUp35 ebenso eine HIV-Testung angeboten werden, um niedrigschwelligen Zugang zu ermöglichen. Zusätzlich sollte die Awareness für eine potentielle HIV-Infektion von Patienten sowohl im Studium bei Ärzten in Ausbildung als auch bei Hausärztinnen und Hausärzten geschaffen werden, sodass mehr Menschen auf HIV getestet und bisher unbekannte Infektionen entdeckt werden können. Auch im hausärztlichen Bereich sollte eine Sexualanamnese durchgeführt werden, um mögliche Risikofaktoren zu identifizieren.

Streeck merkt abschließend an, mehr Geld sei nicht unbedingt die Lösung, sondern ein effektiverer Einsatz notwendig. Ärztinnen und Ärzte seien gemeinsam mit Pharmaindustrie, öffentlichen Geldern und Organisationen in der Lage, das HI-Virus einzudämmen:

"Die Mittel zur Bekämpfung der Pandemie haben wir jetzt schon, sie müssen nur genutzt werden."