Übersetzt aus dem Französischen
An einem schönen Weihnachtsmorgen im Jahre 1888 entscheidet sich der Schweizer Psychiater Gottlieb Burckhardt, im Kampf gegen die extreme Unruhe, unter der einige seiner Patienten leiden, einen radikalen Lösungsweg einzuschlagen.
In der Annahme, dass für ihre Verhaltensstörungen bestimmte Regionen des Gehirns verantwortlich sind, beschließt er, einige chirurgische Versuche vorzunehmen. Burckhardt durchbohrt daraufhin die Schädel von sechs Patienten mit einem kleinen Trepan und untersucht die Frontallappen mit einem Skalpell.
Es ist nicht wirklich ein Erfolg: ein Patient stirbt an den Folgen der Operation, ein anderer ertrinkt zehn Tage nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus in einem Fluss. Bei zwei weiteren Patienten gibt es keine Fortschritte. Die letzten beiden jedoch sind ruhiger geworden. Viel zu ruhig.
Diese enttäuschende Bilanz dämpft für fast 50 Jahre die Begeisterung für diese Technik. Erst 1935 befasst sich der portugiesische Neurologe Dr. Egas Moniz erneut mit dem Thema. Kurz zuvor hatten Forscher beobachtet, dass zwei Schimpansenweibchen, Peggy und Lucy, nach einem Eingriff an der Hirnrinde keine Anzeichen von Frustration, Wut oder Aufregung mehr zeigten.
Moniz lässt sich davon inspirieren und operiert etwa 20 Patienten in einer Klinik in Lissabon mit Hilfe eines Kollegen, Pedro Alemeido Lima. Die Patienten und ihre Familien werden weder über den Eingriff informiert noch nach ihrer ausdrücklichen Einwilligung gefragt.
Ein weiteres Problem: Moniz verspricht, Krankheiten wie Epilepsie oder Schizophrenie "heilen" zu können. So glaubt er auch, Homosexualität behandeln zu können, die er seit jeher als Geisteskrankheit betrachtetet. Dennoch erhält Moniz 1949 den Nobelpreis für Medizin. Diese Auszeichnung verleiht der Lobotomie eine neue Legitimität.
In Italien Ende der 1930er Jahr beschließt Dr. Adamo Fiamberti, die portugiesische Technik zu vereinfachen. Warum soll man sich die Mühe machen, Schädel zu trepanieren, wenn es ausreicht, durch die Augenhöhle zu gehen?
Da der Knochen dort schwach ist, wäre es doch einfach, eine Stahlspitze 7 cm tief in das Gehirn zu schieben, indem man in einem Augenwinkel ansetzt und nahe der Nase leicht vorstößt und anschließend das Instrument um 15 Grad dreht. Dann wiederholt man den Vorgang auf der anderen Seite. Die transorbitale Lobotomie, eine Durchtrennung der Verbindungen des präfrontalen Kortex, war geboren.
Zwischen 1937 und 1939 unterziehen sich in Italien etwa 100 Patienten dieser Behandlung. Die Operation führt zwar zu Verhaltensänderungen, aber auch zu einem Rückgang der Intelligenz, der von Patient zu Patient sehr unterschiedlich ausfällt.
Dr. Walter Freeman ist von Fiambertis Idee begeistert. Der amerikanische Neurologe und sein Kollege Dr. James Watts führen seit längerem Lobotomien und präfrontale Leukotomien durch, die von der Technik von Moniz inspiriert sind. Im Jahr 1945 perfektionieren sie die italienische Technik.
Freeman hat schließlich die Idee mit dem Eispickel, den er in seiner Küche gefunden hat und der mit einem Hammer geschlagen wird. Die Operation ist nun sehr schnell, der Operationssaal und die Anästhesie selbst sind (nach Aussage der Ärzte!) nicht mehr notwendig.
Drei Jahre später gibt Watts auf. Er ist entsetzt darüber, wie Freeman die Lobotomie verharmlost. Freeman selbst macht sich schließlich allein auf den Weg, um mit seinem kleinen, speziell umgebauten Lastwagen, der von den Medien "Lobotomobil" getauft wurde, Krankenhäuser und Heime in den USA aufzusuchen.
Für 25 Dollar ist sein Versprechen auf Heilung geradezu ein Schnäppchen für verzweifelte Familien. Niemand kümmert sich um die Tatsache, dass Freeman nie als Chirurg ausgebildet wurde und ohne Maske oder Handschuhe operiert…
„...er bewegte seinen Kopf, während sich der Pickel in seiner rechten Hemisphäre befand [...] Nach Aussage des Patienten selbst wurde aus einem elenden und jähzornigen Psychotiker ein fröhlicher und freundlicher Hemiplegiker [...] Die Operation muss demnach als Erfolg angesehen werden.“
Beispiel eines Operationsberichtes (1946)
Freeman, der davon überzeugt ist, für das Wohl der Patienten zu arbeiten, überschreitet immer häufiger bestimmte ethische rote Linien. Er lobotomiert sowohl homosexuelle Patienten auf deren eigenen Wunsch als auch Kriegsveteranen mit posttraumatischen Störungen. Freeman glaubt sogar, dass er Kriminelle "heilen" kann. Er operiert auch junge Patienten, insgesamt 19 Minderjährige, darunter auch ein Kind von nicht einmal fünf Jahren.
Von den 4.000 Patienten, die er innerhalb weniger Jahre operiert, sterben 600 einige Zeit nach der Operation. 1951 schaut Freeman in die Kamera eines Fotografen, anstatt sich zu konzentrieren, und trifft nicht richtig. Der Patient stirbt.
Die Patienten, die überleben, befinden sich oft in einem nahezu vegetativen Zustand oder bleiben für den Rest ihres Lebens behindert. So auch der Fall der Rosemary Kennedy, die Schwester von John F. Kennedy, die 1941 im Alter von 23 Jahren auf Wunsch ihres Vaters, der ihre Wutanfälle nicht mehr ertragen konnte, von Freeman und Watts zwangsweise operiert wurde.
Nach der Operation hatte Rosemary den IQ eines dreijährigen Kindes und wurde inkontinent. Sie blieb ihr ganzes Leben lang in einer Anstalt, fernab der Öffentlichkeit. Der Kennedy-Clan dagegen setzte die Behauptung durch, dass Rosemary mit einer geistigen Behinderung geboren wurde.
Rosemary Kennedy (1938)
Rosemary Kennedy und ihre Familie (1931)
Schließlich bietet die Entwicklung der Neuroleptika in den 1950er Jahren den Psychiatern effektivere und weniger gefährliche Behandlungsmöglichkeiten für Schizophrenie und Depression.
Es wird geschätzt, dass weltweit 100.000 Menschen zwischen den 1940er und 1980er Jahren einer Lobotomie unterzogen wurden. In der UdSSR war die Technik jedoch verboten. Allein Freeman führte 4.000 solcher Eingriffe in 23 Staaten der USA durch.
1979 fasst sein ehemaliger Kollege Dr. Watts die Gefahren der Lobotomie zusammen: "Wir konnten die Linderung bestimmter Symptome, wie z.B. düstere Gedanken, ziemlich genau vorhersagen. Aber wir konnten nicht vorhersagen, was für ein Mensch der Patient sein würde."
In den 1960er Jahren schließlich wurde zur öffentlichen Meinung, dass Lobotomie Verstümmelung gleichkäme. Freeman dagegen zeigte auf medizinischen Kongressen eine Schachtel mit Postkarten, alles Danksagungen von Angehörigen seiner Patienten. Dann fuhr er wieder durch das Land, diesmal in einem Wohnmobil, um Fotos von seinen ehemaligen Patienten zu machen. Es war, als ob er beweisen wollte, dass seine Technik gute Ergebnisse erzielt hatte. Und vielleicht auch, um sich selbst zu beruhigen.